Zwei Tage nach der Massenpanik mit mehr als 150 Toten in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul hat die Regierung eine gründliche Untersuchung zur Katastrophe angekündigt. Die Regierung wolle die Ursache des Unfalls herausfinden und die nötigen Massnahmen ergreifen, damit sich solch eine Tragödie nicht wiederhole, sagte Premierminister Han Duck Soo am Montag bei einer Sitzung im zentralen Hauptquartier für Katastrophenschutz und Sicherheitsmassnahmen. Zu diesem Zweck wolle die Regierung dafür sorgen, betroffene Einrichtungen und Systeme zu verbessern. Details waren zunächst nicht bekannt.
In einigen südkoreanischen Medien wurde am Montag kritisiert, dass die Behörden auf den Ansturm so grosser Massen und die möglichen Folgen für die Sicherheit offensichtlich nicht vorbereitet gewesen seien. Innenminister Lee Sang Min hatte am Samstag gesagt, das Unglück hätte vermutlich auch dann nicht vermieden werden können, wenn noch mehr Polizisten und Feuerwehrleute in das Viertel geschickt worden wären.
Auf den Strassen liegen neben viel Müll vereinzelt Schuhe, Masken und selbst eine Krücke: Es sind Spuren einer Massenpanik, die Samstagnacht während Halloween-Feiern in Seoul mehr als 150 in den Tod gerissen hat.
Bis zum späten Sonntagabend (Ortszeit) seien nach aktualisierten Angaben der Feuerwehr 154 Menschen für tot erklärt worden, berichteten südkoreanische Sender. Auch die Zahl der Verletzten bei der Katastrophe im beliebten Ausgehviertel Itaewon der südkoreanischen Hauptstadt sei erneut nach oben korrigiert worden – von zuvor 103 auf mehr als 130. Es gab mehr als ein Dutzend Schwerverletzte.
Präsident Yoon Suk Yeol ordnete eine gründliche Untersuchung an und rief eine landesweite Trauerzeit aus. Sie soll bis zum nächsten Samstag dauern. Auch im Ausland löste die Tragödie Bestürzung aus. Aus der ganzen Welt trafen Beileidsbekundungen ein.
Unter den Todesopfern der Massenpanik befanden sich laut Feuerwehr auch 22 Ausländer, das Innenministerium gab die Zahl mit 20 an. Die Opfer stammten den Angaben zufolge aus China, dem Iran, Russland, den USA, Frankreich, Australien, Vietnam, Usbekistan, Norwegen, Kasachstan, Sri Lanka, Thailand und Österreich. Die Identifizierung der Verletzten war demnach noch nicht vollständig abgeschlossen. Auch ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin erklärte, für eine abschliessende Einschätzung sei es noch zu früh.
Das Unglück sandte Schockwellen durch das ganze Land. Es war die schlimmste Katastrophe in Südkorea seit dem Untergang der Fähre «Sewol» 2014 vor der Küste des Landes, als 304 Menschen starben.
Das Viertel Itaewon ist bekannt für sein Nachtleben und die häufig stark frequentierten Strassen. Aufgrund von Halloween waren am Samstagabend besonders viele Menschen unterwegs. Das Massenunglück in der Millionenmetropole ereignete sich in einer engen, abschüssigen Gasse, als auf den Strassen des Viertels extremes Gedränge herrschte. Für die vorwiegend jungen Partygänger wurde das etwa vier Meter breite Gässchen zur Falle, der sie offenbar nicht entkommen konnten: Zahlreiche Menschen seien auf den Boden gestürzt, während andere von oben nachgedrängt hätten, berichteten Augenzeugen. Viele der Opfer seien erstickt oder erdrückt und niedergetrampelt worden. Alles sei sehr schnell passiert, so dass die Menschen in der Menge kaum Zeit zur Flucht gehabt hätten.
«Es war wie ein Dominoeffekt», sagte ein junger Mann dem südkoreanischen Fernsehsender MBC. «Ich habe das Gleichgewicht verloren und bin ebenfalls hingefallen.» Er habe nicht auf Liegende treten wollen. «Menschen waren bewusstlos und riefen nach Hilfe.»
In den ersten Berichten von der Unglücksstelle hiess es, viele Menschen hätten bei einem Massengedränge einen Herzstillstand erlitten. Rettungskräfte und Privatpersonen hätten versucht, sie wiederzubeleben. Mindestens 97 der Todesopfer seien Frauen gewesen, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap.
«Da lagen Menschen auf der Strasse an der Kreuzung, die reanimiert wurden», sagte Karl Sunglao aus Kalifornien, der in Seoul als Englischlehrer tätig ist, der dpa auf dem Rückweg aus Itaewon. Als er und seine Freundin um etwa 23 Uhr am Samstag (Ortszeit) aus der U-Bahn-Station gekommen seien, um zu feiern, hätten sie zunächst gedacht, ein Gebäude sei eingestürzt. «Es herrschte absolutes Gedränge, wir wussten nicht, was los war.»
Die genauen Umstände der Tragödie blieben vorerst unklar. Beobachter wiesen darauf hin, dass es grösstenteils unorganisierte Feiern gewesen seien und dass offensichtlich niemand so grosse Mengen erwartet habe. Augenzeugenberichten zufolge waren die Gassen rund um das Unglücksareal derart voll, dass sich die Rettungskräfte nur schwer ihren Weg durch die Menschenmassen bahnen und zu den Opfern vordringen konnten. Online-Videos, die in sozialen Medien kursierten, zeigten Dutzende Personen, die am Strassenrand liegend mit blauen Plastikplanen bedeckt waren. Etwa 140 Rettungsfahrzeuge waren laut Yonhap im Einsatz. Das Gebiet wurde weitläufig abgesperrt.
A disaster is happening in Itaewon at the moment. Praying everyone is safe. Dozens of people lying lifeless on the floor receiving CPR from rescue services. pic.twitter.com/Ja8WSod4zY— Raphael Rashid (@koryodynasty) October 29, 2022
Das alljährliche Halloween-Fest ist eine der grössten öffentlichen Feiern in der Hauptstadt. Dieses Jahr fanden die Veranstaltungen statt, nachdem die Corona-Massnahmen weitgehend gelockert wurden.
Zehntausende Menschen zog es laut den Berichten ins Itaewon-Viertel, viele von ihnen in Halloween-Kostümen verkleidet. Insgesamt sollen um die 100'000 Menschen auf den Strassen unterwegs gewesen sein. «In Itaewon ist es jedes Jahr extrem voll, aber dieses Jahr war es einfach nur verrückt», schrieb eine Frau auf ihrem Instagram-Account.
Den Berichten zufolge machten zudem Gerüchte die Runde, dass ein prominenter YouTuber auf dem Weg zu einem Club in der betroffenen Strasse sei, was noch mehr Menschen in Richtung des Unglücksorts geführt habe.
Die ersten Berichte über das Unglück gingen den Berichten zufolge um etwa 22.15 Uhr Ortszeit bei Feuerwehr und Polizei ein. Augenzeugenberichten zufolge waren die Gassen rund um das Unglücksareal derart voll, dass sich die Rettungskräfte nur schwer ihren Weg durch die Menschenmassen bahnen und zu den Opfern vordringen konnten.
Online-Videos, die in sozialen Medien kursierten, zeigten Dutzende Personen, die am Strassenrand liegend mit blauen Plastikplanen bedeckt waren. Insgesamt hätten die Einsatzkräfte versucht, mehr als 50 Menschen wiederzubeleben, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Demnach waren mehr als 140 Rettungsfahrzeuge im Einsatz. Das Gebiet wurde weitläufig abgesperrt.
Es kamen bei dem Massenunglück nach Angaben des Innenministeriums mindestens 154 vorwiegend junge Menschen in den Zwanzigern ums Leben. Bis auf einen Toten wurden demnach alle identifiziert. Nach aktualisierten Zahlen vom Montag wurden zudem 149 Personen verletzt, mehr als 30 von ihnen schwer. Unter den Todesopfern befanden sich 26 Ausländer aus verschiedenen Ländern.
Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol ordnete am Sonntagmorgen eine gründliche Untersuchung sowie eine Staatstrauer an. Die genauen Umstände des Desasters sind noch unklar, die Polizei teilte mit, es werde auch überprüft, ob Verstösse gegen Sicherheitsvorschriften vorlägen.
Präsident Yoon leitete in der Nacht zum Sonntag eine Notfallsitzung. Zuvor ordnete er an, weiteres Notfallpersonal in das Areal zu entsenden und Krankenhausbetten vorzubereiten.
Seouls Bürgermeister Oh Se Hoon sagte den Berichten zufolge während eines Besuchs in Europa sämtliche Termine ab und war auf dem Weg zurück in die südkoreanische Hauptstadt. Die Stadt richtete zudem eine Leitung für Vermisstenmeldungen ein.
«Das ist wirklich schrecklich», sagte Präsident Yoon in einer Rede am Sonntag aus seinem Büro, das unweit des Ausgehviertels liegt. Und weiter: Die Tragödie im Zentrum von Seoul hätte nicht passieren dürfen. Als Präsident, der für das Leben und die Sicherheit der Bürger verantwortlich sei, fühle er tiefe Trauer. Die Phase, bis der Vorfall unter Kontrolle sei, werde die Regierung zur nationalen Trauerperiode erklären.
truly the scariest halloween of my life—30 down, 400 rescue workers deployed. please avoid itaewon and stay safe. #이태원사고 pic.twitter.com/PC1GBJt7qk
— Chloe Park 🦋 in Seoul (@chloepark) October 29, 2022
Auch im Ausland löste die Tragödie Entsetzen aus. Bundespräsident Ignazio Cassis kondolierte via Twitter:
Terrible news coming out of #Seoul. Holding the people of South Korea in my thoughts following the stampede in #Itaewon. My condolences to the families of the victims and to all those affected by the tragedy.
— Ignazio Cassis (@ignaziocassis) October 29, 2022
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz äusserte den Hinterbliebenen und Opfern sein Mitgefühl. «Die tragischen Ereignisse in Seoul erschüttern uns zutiefst», teilte der SPD-Politiker auf Twitter mit. «Unsere Gedanken sind bei den vielen Opfern und ihren Angehörigen. Das ist ein trauriger Tag für Südkorea. Deutschland steht an ihrer Seite.»
Die tragischen Ereignisse in #Seoul erschüttern uns zutiefst. Unsere Gedanken sind bei den vielen Opfern und ihren Angehörigen. Das ist ein trauriger Tag für Südkorea. Deutschland steht an ihrer Seite.
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) October 29, 2022
Auch US-Präsident Joe Biden äusserte sich zum Unglück. Er und seine Frau Jill trauerten gemeinsam mit Südkorea. «Die Allianz zwischen unseren Ländern war niemals pulsierender und lebendiger – und die Beziehungen zwischen unseren Bürger so stark wie nie.»
Der französische Präsident Emmanuel Macron richtete sich direkt an die südkoreanische Bevölkerung. Frankreich sei an ihrer Seite, so Macron.
Une pensée émue ce soir pour les habitants de Séoul et pour l'ensemble du peuple coréen après le drame d'Itaewon. La France est à vos côtés.
— Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) October 29, 2022
Die Tragödie in Südkorea löst weltweit Betroffenheit aus. Tausende Menschen teilen in den Sozialen Medien den Hashtag #PrayForItaewon.
Praying for Itaewon, #SouthKorea!
— Aisha Ahmad (@AishaTaIks) October 30, 2022
🇰🇷#ItaewonStampede🇰🇷
🇰🇷#ItaewonTragedy🇰🇷 🇰🇷
🇰🇷#SeoulHalloween🇰🇷🇰🇷 pic.twitter.com/bLpEgMcwat
(yam/saw/dsc/con/sda/dpa)