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Syrien

Syrische Flüchtlinge wollen nach Zypern: So will sie die EU stoppen

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Syrische Flüchtlinge, die von der zypriotischen Marine aufgegriffen wurden. Auch sie haben sich vom Libanon aus auf den Weg gemacht.Bild: keystone

«Irre»: EU will mit 1 Mia. Euro syrische Flüchtlinge stoppen – der Plan in 5 Punkten

Die EU will mit Finanzhilfen im Umfang von rund einer Milliarde Euro den Zustrom von bislang im Libanon lebenden Flüchtlingen aus Syrien stoppen. Eine Übersicht.
02.05.2024, 13:29
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Dafür soll das Geld eingesetzt werden

Mit dem EU-Geld soll nach Angaben von EU-Beamten das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen im Libanon gestärkt werden. Zudem sind Mittel für die Sicherheitsbehörden und die Streitkräfte des Landes sowie für den Kampf gegen Schleuserbanden und für Wirtschafts- und Finanzreformen vorgesehen, wie weitere Recherchen der Deutschen Presse-Agentur ergaben. Die legale Migration wird den Plänen zufolge erleichtert werden.

Das Unterstützungspaket soll nach Angaben der Beamten an diesem Donnerstag bei einer Libanon-Reise von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Zyperns Präsident Nikos Christodoulidis angekündigt werden. Vor allem die zyprische Regierung hatte die wachsende Zahl syrischer Flüchtlinge aus dem Libanon zuletzt als nicht mehr tragbar kritisiert und ein Handeln der EU gefordert.

Steigende Zahlen: Zypern fordert Hilfe der EU

Angaben von Staatschef Christodoulidis zufolge kamen in den vergangenen Monaten fast täglich Syrer aus dem etwa 160 Kilometer entfernten Libanon mit Booten in der EU-Inselrepublik im östlichen Mittelmeer an. Seit Jahresbeginn wurden bereits rund 4000 Migranten gezählt – im ersten Quartal des Vorjahres waren es lediglich 78.

Griechenland - Athen, Treffen des Obersten Kooperationsrates Griechenland-Zypern unter Beteiligung des griechischen Premierministers Kyriakos Mitsotakis und des Pr�sidenten der Republik Zypern, Nikos  ...
Der zypriotische Präsident Nikos Christodoulidis fordert Hilfe von der EU.Bild: www.imago-images.de

In absoluten Zahlen sind das deutlich weniger als beispielsweise in Italien, Spanien und Griechenland, wo Bootsflüchtlinge aus Ländern wie Tunesien, Libyen, Ägypten, Marokko oder der Türkei ankommen. Gemessen an seiner Einwohnerzahl gibt aber nirgendwo in der EU so viele Asylanträge wie auf Zypern. Auf der Insel sind die Flüchtlingslager überfüllt. «Wir sind nicht in der Lage, noch mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen», sagte Christodoulidis vor wenigen Wochen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

EU-Kommissionschefin von der Leyen hat deswegen Hilfe zugesagt. «Es sind wir, die Europäer, die entscheiden, wer nach Europa kommt und unter welchen Umständen. Und nicht das organisierte Verbrechen der Schmuggler und Menschenhändler», erklärte sie am vergangenen Sonntag in einer Rede und verwies auf die bereits existierenden Abkommen mit Ländern wie Tunesien und Ägypten. Auch diese Staaten sollen im Gegenzug für Finanzhilfen in Milliardenhöhe unerwünschte Migration in die EU stoppen.

Der für den Libanon vorgesehene Betrag ist für den Zeitraum bis Ende 2027 vorgesehen. Ein erster hoher dreistelliger Millionenbetrag könnte bereits im Sommer fliessen.

Prekäre Lage für Flüchtlinge im Libanon

Ob das EU-Geld ausreicht, um die Lage im Libanon zu entspannen, ist allerdings fraglich. Das Land steckt derzeit in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte und zählt mit mehr als 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen gleichzeitig zu denjenigen Staaten, die pro Kopf weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen haben. Das hat dazu geführt, dass mittlerweile eine antisyrische Stimmung herrscht und viele Flüchtlinge sich aus Angst vor Übergriffen nicht mehr auf die Strasse trauen.

«Ich habe Angst, mein Haus zu verlassen. Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, gehe ich in Angst. Ich habe immer die Befürchtung, dass meiner Familie während meiner Abwesenheit etwas zustossen könnte», sagt etwa der Syrer namens Khaled, der seine Heimatstadt Aleppo 2012 wegen des Bürgerkriegs verlassen hat. Die Libanesen behandelten Syrer wie einen Feind, so der Flüchtling.

Mehr zur Lage im Libanon:

Menschenrechtlern zufolge wenden libanesische Beamte seit Jahren diskriminierende Praktiken gegen Syrer an, um sie zur Rückkehr nach Syrien zu zwingen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtete, dass die libanesischen Behörden in den vergangenen Monaten Syrer, darunter Oppositionsaktivisten und Armeeüberläufer, willkürlich festgenommen, gefoltert und nach Syrien zurückgeschickt hätten.

Die libanesischen Regierenden vertreten die Meinung, das Bürgerkriegsland sei stabil und sicher genug, um eine Rückkehr zu gewährleisten. Die Vereinten Nationen und andere Menschenrechtsorganisationen sehen dies allerdings weiter anders. Sie weisen darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage ein Überleben kaum möglich mache und politische Flüchtlinge um ihr Leben fürchten müssten. Hinzu kommt: Auch der syrische Machthaber Baschar al-Assad will die geflohenen Menschen nicht zurück in seinem Land.

Libanon: Die syrischen Flüchtlinge sind nur eines der Probleme

Schwierig ist die Lage im Libanon zudem auch politisch. Im Unterschied zu den autoritär regierten Staaten Tunesien und Ägypten gibt es in dem Land zurzeit nicht mal ein Staatsoberhaupt. Seit eineinhalb Jahren scheitert die Wahl eines Präsidenten hier immer wieder an Machtkämpfen innerhalb der politischen Elite. Aktuell wird das Land von Ministerpräsident Nadschib Mikati geschäftsführend geleitet. Die Regierung ist nur eingeschränkt handlungsfähig.

Auch deswegen will die EU nun auch die Streitkräfte des Landes stärken. Sie werden als ein stabilisierender Faktor in dem an Syrien und Israel grenzenden Land gesehen – auch angesichts der Aktivitäten der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz. Diese schiesst aus dem Libanon mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf Israel - nach eigenen Angaben aus «Solidarität» mit der Hamas im Gazastreifen. Israel wiederum bekämpft mit Luft- und Artillerieangriffen die Stellungen der Hisbollah.

«Es ist irre»: Kritik an den Plänen der EU

Angesichts dieser Gemengelage werden die Pläne der EU auch kritisch gesehen. «Die EU macht im Libanon einen grossen Fehler», sagt etwa Riad Kahwaji, Direktor des Institute for Near East and Gulf Military Analysis. Das Land habe eine lange Geschichte interner Probleme, getrieben von konfessionellen Konflikten, die bis heute immer wieder zu einem Machtvakuum führen. Der Libanon sei in keiner Weise bereit, ein Aufnahmeland für Flüchtlinge zu sein. Die gleichen Politiker, die jetzt Gelder von der EU in Empfang nähmen, würden auf Podien dazu aufrufen, die Syrer aus dem Land zu werfen:

«Es ist irre, zu sehen, dass die Europäer an die Illusion glauben, dass die libanesischen Behörden in der Lage wären, den Flüchtlingsstrom einzudämmen.»

(sda/dpa/con)

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lessnair
02.05.2024 09:50registriert Juli 2019
Wir machen immer den gleichen Fehler: GELD GELD GELD schicken.
Das hat noch nie funktioniert, tut es heute nicht und wird es auch in Zukunft nicht.
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Jessica Simpson
02.05.2024 10:48registriert November 2023
1.5 Millionen Menschen in Flugzeugen zurück nach Syrien fliegen, mit einem Ticket à ca. 200 Franken, macht total 300 Millionen und keine 1 Milliarde
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