Über den mutmasslichen Attentäter in der Silvesternacht in Istanbul werden immer mehr Informationen bekannt. Türkischen Medienberichten zufolge hat er zuvor für die Terrormiliz «Islamischer Staat» («IS») in Syrien gekämpft.
Daher scheine er «sehr professionell in der Handhabung von Feuerwaffen gewesen zu sein», schrieb die Zeitung «Hürriyet» am Dienstag unter Berufung auf Ermittler. Der konservative «Hürriyet»-Kolumnist Abdulkadir Selvi schrieb, der Angreifer habe Erfahrung im Strassenkampf gehabt und sei «besonders ausgewählt» worden für den Angriff.
Laut der Zeitung «Habertürk» benutzte der Angreifer, der am frühen Sonntagmorgen im schicken Istanbuler Nachtclub «Reina» 39 Menschen erschoss und 69 weitere verletzte, ein Sturmgewehr vom Typ Kalaschnikow. Um keine Zeit beim Wechseln der Magazine zu verlieren, verwendete er demnach doppelte Magazine. Insgesamt habe er mehr als 120 Schuss abgegeben, wovon die wenigsten ihr Ziel verfehlten, hiess es.
Dem allgemein gut informierten «Hürriyet»-Kolumnisten Selvi zufolge wurde der Angreifer inzwischen von den Behörden identifiziert. Laut «Habertürk» traf der Mann Mitte zwanzig im November in der zentralanatolischen Stadt Konya mit seiner Frau und seinen zwei Kindern ein, um «keine Aufmerksamkeit» zu erregen. Seine Ehefrau sei unter den zwölf Verdächtigen, die im Zuge der Ermittlungen bisher festgenommen wurden.
Die Behörden äusserten sich bisher nicht zur Identität des Attentäters, verbreiteten aber mehrere Fotos, die ihn unter anderem beim Geldwechseln im konservativen Istanbuler Viertel Laleli zeigen sollen. Der türkischen Presse zufolge soll der Attentäter aus einem Land Zentralasiens stammen und Verbindungen zur «IS»-Zelle haben, die den tödlichen Angriff auf den Atatürk-Flughafen im Juni verübt haben soll.
Unterdessen hat die Terrormiliz «Islamischer Staat» («IS») Verantwortung für den Angriff übernommen. Ein «Soldat des Kalifats» sei für die Tat in der türkischen Millionenmetropole verantwortlich, hiess es in einer am Montag im Internet verbreiteten Erklärung der «IS»-Terrormiliz.
Es handle sich um Rache für das türkische Vorgehen gegen den «IS» in Syrien. Die Echtheit des «IS»-Bekennerschreibens liess sich zunächst nicht überprüfen.
Bei dem Terrorangriff waren 39 Menschen getötet worden, darunter 27 Ausländer. Die meisten der getöteten Ausländer stammten aus arabischen Ländern.
Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, auch unter den 69 Verletzten seien mehrere Ausländer. Schweizer Staatsangehörige sind nach Angaben des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) nicht zu Schaden gekommen.
Der türkische Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus sagte am Montag in Ankara, der Anschlag sei auch als Reaktion auf den Einsatz der türkischen Armee in Syrien zu verstehen. Dieser werde jedoch weitergehen. Man werde alle Terrororganisationen «in die Knie zwingen».
Mindestens ein bewaffneter Angreifer war kurz nach Anbruch des neuen Jahres in den exklusiven Club am Bosporusufer eingedrungen und hatte wahllos das Feuer auf Hunderte Feiernde eröffnet. Dem Täter gelang die Flucht.
In dem Bekennerschreiben des «IS» hiess es unter anderem, der Täter habe Handgranaten und eine automatische Waffe eingesetzt. Nach offiziellen Angaben hatte der Angreifer das Feuer mit einer automatischen Waffe eröffnet. Von einem Einsatz von Handgranaten bei dem Angriff war von offizieller Seite bislang nichts bekannt.
Die Zeitung «Hürriyet Daily News» berichtete unter Berufung auf die Ermittlungen, der Angreifer habe mehr als 180 Kugeln aus sechs Magazinen abgefeuert. Augenzeugen hätten angegeben, er habe auf dem Boden liegenden Menschen gezielt in den Kopf geschossen. Er habe sich dann umgezogen und seine Waffe gereinigt. Der Mann habe dann inmitten der Panik den Club verlassen und sei mit einem Taxi vom Tatort weggefahren.
Nach dem türkischen Einmarsch im August in Syrien hatte der «IS»-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi Anfang November zu Anschlägen in der Türkei aufgerufen. Türkische Truppen liefern sich in der nordsyrischen Region um die Stadt Al-Bab seit einiger Zeit heftige und verlustreiche Gefechte mit «IS»-Kämpfern. Die «IS»-Miliz beherrscht Al-Bab.
Die Zeitung «Hürriyet» berichtete am Montag, möglicherweise stamme der flüchtige Attentäter aus Kirgistan oder Usbekistan. Demnach wird auch eine Verbindung zu der «IS»-Zelle geprüft, die den Anschlag auf den Atatürk-Flughafen im Juni mit 47 Toten verübt haben soll.
Die türkische Regierung machte die «IS»-Terrormiliz dafür verantwortlich, die sich jedoch nicht dazu bekannte. Die drei Angreifer am Flughafen waren nach Angaben der Regierung aus Usbekisten, Kirgistan und Russland.
Der «IS»-Miliz wurden seit Sommer 2015 mehrere Anschläge in der Türkei zur Last gelegt. Die Terrormiliz hat vor dem Angriff in der Silvesternacht aber nur ein einziges Mal die Verantwortung für einen Anschlag in der Türkei übernommen. (gin/spon/sda/dpa/afp/reu)