Letzte Woche gab der Schweizer Tierschutz (STS) bekannt, dass er eine «unabhängige Reformgruppe» einsetzen werde. Pikant: Leiter der Gruppe beim nationalen Tierschutzverband ist der Basler Anwalt Jascha Schneider-Marfels, der die erfolgreiche Absetzung der früheren Präsidentin Nicole Ruch und die Wahl eines Übergangsvorstands vorbereitet hatte. Die Bieler Bankerin hatte sich statutenwidrig geweigert, den Antrag für ihre Abwahl an der Delegiertenversammlung vom Januar in Olten zu traktandieren - und Schneider-Marfels hatte als Anwalt der Tierschutz-Sektion beider Basel beim Zivilgericht eine superprovisorische Massnahme erwirkt.
Doch die unmissverständliche gerichtliche Anordnung war an der siebenstündigen DV teilweise ignoriert worden - und das hat der clevere Jurist jetzt als Druckmittel benutzt. Erst nachdem der Zentralvorstand der Reformgruppe zugestimmt hatte, haben die Basler letzte Woche nach langwierigen Verhandlungen mit dem neuen Präsidenten Piero Mazzoleni das laufende Gerichtsverfahren «gütlich beigelegt», wie Schneider-Marfels bestätigt: «Der STS braucht jetzt eine umfassende Reform, nicht nur ein neues Präsidium.» Dabei soll die Rolle der Sektionen aufgewertet werden: Sie wurden laut Schneider-Marfels bisher mangelhaft informiert, und wer kritische Fragen stellte, erhielt keine Fördermittel. Jetzt sollen die Sektionen an Reformen mitwirken und den künftigen Kurs bestimmen.
Doch der Kuhhandel der Basler hat einen Haken. Er bedeutet, dass die Mehrheit des Vorstands für die nächsten vier Jahre im Amt verbleiben kann - auch der Präsident, der sich laut gerichtlicher Anordnung nur bis im August hätte wählen lassen dürfen. Gegen Schluss der DV in Olten hatte der 74-jährige Tessiner «vergessen», eine Findungskommission für seine eigene Nachfolge und weitere Vorstandsfunktionen zu bestimmen. Damit hat sich Mazzoleni seinen Posten gesichert.
Nach der DV hatte er zwar gegenüber CH Media bestätigt, er bleibe nur bis im August im Amt. Doch wenige Tage später erklärte er im «Sonntags-Blick», dass er «sicher bis Ende Jahr Präsident bleibe». Und am Freitag präzisierte er gegenüber CH Media, dass er für vier Jahre gewählt sei und den Verein sicher bis zur nächsten Delegiertenversammlung leite. Diese findet im November 2025 statt.
Das STS-Präsidium scheint eine ungeheuerliche Faszination auszuüben. Woran liegt es, dass sich Menschen mit Herzblut ehrenamtlich in Vereinen engagieren – und sich dann festbeissen? Schon Nicole Ruch hatte sich mit allen Mitteln an ihr Amt geklammert und damit einen grossen Reputationsschaden verursacht.
Der Neustart gestaltet sich schwierig. Zwar sind kürzlich ein Geschäftsleiter und eine Buchhalterin neu verpflichtet worden, und die Stimmung im Vorstand soll «überraschend gut» sein, wie mehrere Mitglieder betonen. Doch die Stelle des Finanzchefs, die im letzten Sommer ausgeschrieben wurde, ist noch immer vakant – und der neue Vorstand war im Januar zu später Stunde überstürzt bestimmt worden: Mit einer Ausnahme wurden alle Personen gewählt, die neu kandidierten – ohne Berücksichtigung von Anforderungsprofilen.
So fehlen nun dringend nötige Kompetenzen. Besonders augenfällig ist dies im Ressort Politik, das jahrelang von der ehemaligen Berner Grossrätin Marianne Staub (FDP) und Nationalrätin Martina Munz (SP, SH) geleitet worden war. Ob bei der Gentechnik oder beim Wolf- und Brandschutz bei Nutztieren stehen auf nationaler Ebene wichtige Entscheide an. Der STS hat unter Bundesrat Albert Rösti viel Gegenwind.
Doch Vincent Fèvre, der neue Leiter Politik im STS, weist keine politische Erfahrung oder Kontakte vor. Er habe sich «in verschiedenen Bereichen weitergebildet und als Nachtportier sowie in der Hoteladministration gearbeitet», seit er vor zwölf Jahren in die Schweiz gezügelt sei, «ohne wirklich einen beruflichen Erfolg zu erzielen», schreibt er auf Anfrage freimütig. Er sei seit einem halben Jahr Geschäftsleitungsmitglied ohne Stimmrecht im Tierschutzverein Val de Travers, wo er sich nach eigenen Angaben um Verwaltung, Reinigung, Tierpflege und Materialunterhalt eines Heims kümmert. Im Tierschutz sei er ein «Neophyte», also ein Neuling. Daher habe er sich im Januar an der DV bei allen wichtigen Abstimmungen der Stimme enthalten.
Kein Wunder, ist die einzige starke Figur im neuen Vorstand, der renommierte Professor für Wirtschaftsrecht Peter V. Kunz, besorgt. Der STS müsse sicherstellen, «dass neben Idealismus für Tierschutz Fachkompetenz im Vorstand vertreten ist», sagt er, «sonst können wir keine ernst zu nehmende Stimme für die Tiere sein». Er will sich als neuer Leiter des Ressorts Recht auch um die seit über einem Jahr hängige Strafanzeige gegen drei STS-Verantwortliche wegen Veruntreuung und Falschbeurkundung kümmern. Für ihn ist klar: Falls eine Schädigung des STS erfolgt ist, «muss sich der Verband ernsthaft überlegen, Schadenersatz zu verlangen».
Schliesslich wird das Gremium auch die Rolle von Ex-Miss-Schweiz Lolita Moreno durchleuchten müssen, die nach Italien ausgewandert ist und seit über 16 Jahren dem Zentralvorstand angehört, neu als Vizepräsidentin. Als die damalige Präsidentin Nicole Ruch letztes Jahr für ihre überrissenen Spesenbezüge kritisiert wurde, hatte sich diese gerechtfertigt, ihr Vorgänger Heinz Lienhard und Lolita Moreno hätten weit mehr Geld bezogen als sie selber.
Tatsächlich reiste die frühere Schönheitskönigin für den STS nach Rumänien und Asien, und sie produziert seit über zehn Jahren für Zehntausende von Franken handgestrickte Videos über Tierheime und Tieradoptionen, die auf der Plattform tierreport.ch und auf Privatsendern ausgestrahlt werden. Die Wirtschaftsprüfer der Rotmonten AG haben in ihrem jüngsten Bericht nun kritisiert, dass Moreno 2022 rückwirkend nicht überprüfbare Pauschalbeträge aus früheren Jahren in Rechnung gestellt habe. Im 16-seitigen Papier, das CH Media vorliegt, ist die Rede von Rechnungen «im Umfang von 71'000 Franken».
Für die neue Reformgruppe gibt es viel zu tun. (aargauerzeitung.ch)
Das sind ja Zustände. Sowas kann man nicht erfinden... 🙈
Einfach nur peinlich!
Aber seit die Skandale ans Licht gekommen sind gibt's von mir keine Spende mehr.
Das Geld geht nun an ein lokales Tierheim, das sich wirklich um Tiere kümmert!