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Die Türkei leidet unter extermer Hitze – eine Reportage

A view shows charred trees and scorched land following a wildfire that swept through the area in Bursa, Turkey, Sunday July 27, 2025. (Sercan Ozkurnazli/DIA Images via AP)
Turkey Wildfires
Verbrannte Erde, soweit man schaut in Bursa in der Türkei. Bild: keystone

«Es sind über 51 Grad!» Die Türkei leidet unter extremer Hitze

In der Türkei brechen die Temperaturen historische Rekorde. Eine schweisstreibende Reportage aus Silopi, wo das Thermometer vor einigen Tagen 50,5 Grad erreichte.
31.07.2025, 22:3901.08.2025, 02:12
Mahmut BOZARSLAN, Türkei / afp
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Recep Esiyop hat in seinem sechzigjährigen Leben noch nie solche Temperaturen erlebt:

«Tagsüber ist draussen keine Menschenseele zu sehen, niemand kann sich an eine solche Hitze gewöhnen.»

Seitdem Silopi im Südosten der Türkei mit einem Rekordwert von 50,5 Grad am 25. Juli auf die Karte der Extreme gelangte, lebt der Eisverkäufer in klimatisierten Räumen und macht sich Sorgen um seine Stromrechnungen. Zumal die Hitzewelle laut Behördenangaben mindestens bis zum 2. August anhalten wird.

Die Messungen werden aber von einigen angezweifelt.

«Das Thermometer hat die 50-Grad-Marke kaum überschritten. Wenn die Verantwortlichen 49 oder 51 Grad melden, kann ich Ihnen versichern, dass die tatsächliche Temperatur wahrscheinlich über 55 Grad lag. Wir erreichen Werte, die mit den Vorjahren nicht vergleichbar sind.»

Seit Mitte Juli erlebt die Türkei Temperaturen, die laut der Generaldirektion für Meteorologie 6 bis 12 Grad über den saisonalen Durchschnittswerten liegen – in weiten Teilen des Landes steigen sie auf über 40 Grad. Hitzewellen, die häufiger, länger und intensiver werden, sind nach Ansicht von Experten ein deutliches Zeichen des Klimawandels.

In Verbindung mit der Dürre – «der schlimmsten seit fünf Jahren», so Präsident Recep Tayyip Erdoğan – sind seit Beginn des Sommers mehr als 3100 Waldbrände ausgebrochen. Trotz des Einsatzes von Drohnen zur Überwachung der Waldgebiete forderten sie 14 Todesopfer. Es sei eine «Kriegssituation», betonte das Staatsoberhaupt und machte den «Klimawandel» dafür verantwortlich.

A wildfire rages across a forested area near Cavuslar village, in Karabuk district, northwest Turkey, Wednesday, July 23, 2025. (Ridvan Bostanci/IHA via AP)
Turkey Wildfire
Seit Beginn des Sommers gab es über 3100 Waldbrände in der Türkei.Bild: keystone

Die Hitze zehrt an den Nerven der Einwohner, die das Gefühl haben, in einem Glutofen zu leben – die Stimmung auf den Terrassen und in den verlassenen Strassen ist gedrückt.

Der Distrikt Silopi lebt hauptsächlich vom Handel mit dem benachbarten Irak sowie von Transportdiensten zwischen der Grenze und dem Rest des Landes. Inmitten einer wüstenähnlichen Region und am Fusse der Berge gelegen, leidet die Gegend unter einem Mangel an Bäumen und Vegetation.

«Leider wurden die Wälder hier in der Vergangenheit aus Sicherheitsgründen verbrannt. Wenigstens könnten sie jetzt die Situation lindern, indem sie Bäume pflanzen – und nicht, indem sie sie fällen.»

Das türkische Parlament hat soeben ein Gesetz verabschiedet, das bestimmte landwirtschaftliche Flächen – darunter Olivenhaine und Wälder – für den Bergbau freigibt, trotz Protesten von Umweltschützern.

Schwitzend vor seinem Döner – jener Fleischpyramide, die sich über offenem Feuer dreht – fordert Cemil Seher, 51 Jahre alt, eine Senkung seiner Stromrechnungen: «Früher dauerte der Sommer drei Monate, jetzt sind es fünf. Die Klimaanlagen laufen rund um die Uhr. Früher galten sie als Luxus, heute sind sie – zusammen mit den Kühlschränken – absolut notwendig. Die Stromrechnungen sind extrem hoch. Ich mache hier keinen Gewinn, ich arbeite fünf Monate im Jahr nur, um sie zu bezahlen.»

Der Mann fordert einen Sondertarif – «nicht nur für Silopi, sondern für die ganze Region bis nach Sanliurfa an der syrischen Grenze» – denn «die Klimaanlage ist hier so wichtig geworden wie Brot und Wasser».

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38 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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aye
01.08.2025 00:12registriert Februar 2014
«Es sei eine ‹Kriegssituation›, betonte das Staatsoberhaupt und machte den ‹Klimawandel› dafür verantwortlich.»
Natürlich, nur er selbst kann natürlich nichts dafür...
Dass die Türkei riesiges Potential hat für Photovoltaik, dieses aber weiterhin kaum genutzt wird? Unwichtig.
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Antinatalist
31.07.2025 23:49registriert September 2019
Ein Paradies für Dettling.

Wer spendet auch noch, damit wir ihn da hin schicken können?
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Tobias W.
01.08.2025 01:05registriert Januar 2017
Zuerst treiben wir den Klimawandel voran, um dann noch mehr Energie zu verbrauchen, um die Folgen des Klimawandels besser zu ertragen.

Und je mehr Eisflächen abgeschmolzen sind, desto mehr “Grifffläche“ word auch die Sonne haben, um die Erde zu erwärmen.

Der Klimawandel wird immer schneller fortschreiten. Wir reagieren viel zuwenig entschlossen. Aber dazu bräuchte es einen globalen Willen, nicht nur in Westeuropa.
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