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PKK-Chef Öcalan: Kurdenpartei soll Kampf beenden und sich auflösen

epa11928169 A handout photo made available by the Peoples' Equality and Democracy Party (DEM) shows delegation members of the Turkish pro-Kurdish Peoples' Equality and Democracy Party (DEM), ...
Öcalan (Mitte) wurde am Donnerstag von mehreren Funktionören der PKK im Gefängnis besucht.Bild: keystone

PKK-Chef Öcalan ruft zum Ende des bewaffneten Kampfes gegen die Türkei auf

Seit 40 Jahren kämpft die kurdische PKK gegen die Türkei. Nun löst er die Organisation wohl auf.
27.02.2025, 15:1827.02.2025, 19:12
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Ein Artikel von
t-online

Der inhaftierte Anführer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, hat seine Anhänger dazu aufgerufen, die Waffen niederzulegen. Die PKK müsse sich zudem auflösen, hiess es in einer von der prokurdischen Partei Dem in Istanbul verlesenen Erklärung von Öcalan. Dazu müsse ein Kongress einberufen werden. Zahlreiche Beobachter bewerteten den Aufruf als historisch.

Eine Delegation der Dem hatte Öcalan am Morgen zunächst im Gefängnis auf der Insel Imrali im Marmarameer besucht. Darunter waren die Parteivorsitzenden und die Abgeordneten Sirri Süreyya Önder, Pervin Buldan sowie das Parteischwergewicht Ahmet Türk. Letztere waren schon vor Jahren an Verhandlungen mit Öcalan beteiligt gewesen.

February 15, 2025, Rome, Rm, Italy: 500 people join the protest organized by the Kurdish community in Rome to demand freedom for Abdullah Ocalan, founding member of the PKK party, arrested 26 years ag ...
PKK-Anführer Öcalan ist seit 1999 in der Türkei inhaftiert.Bild: www.imago-images.de

Der Aufruf Öcalans könnte zu einem neuen Friedensprozess zwischen PKK und türkischer Regierung führen - der erste Schritt dieser Art seit mehr als zehn Jahren. Zuletzt wurde 2013 eine Waffenruhe ausgerufen, der Friedensprozess scheiterte aber im Sommer 2015. Die PKK ist in der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation gelistet.

Die PKK kämpft seit den 1980er Jahren mit Waffengewalt und Anschlägen für einen kurdischen Staat oder ein Autonomiegebiet im Südosten der Türkei. Inzwischen ist die PKK nach eigenen Angaben von der Maximalforderung eines unabhängigen Staates abgerückt. In dem Konflikt sind bislang Zehntausende Menschen ums Leben gekommen. Öcalan (75) sitzt seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft.

«Historische Chance»

Das Auswärtige Amt bewertete den Aufruf als «historische Chance, die jahrzehntelange Spirale von Terror, Gewalt und Vergeltung zu durchbrechen, die zehntausende Menschen das Leben gekostet hat.» Es seien aber weitere Schritte erforderlich. «Dazu gehört vor allem auch, kulturelle und demokratische Rechte der Kurdinnen und Kurden in der Türkei zu respektieren und zu gewährleisten», teilte ein Sprecher mit.

Die Erklärung Öcalans stiess auf grosses öffentliche Interesse. Im kurdisch geprägten Südosten wurde sie aufgestellten Bildschirmen übertragen. Als Begründung für seinen Aufruf nannte Öcalan unter anderem, dass es Fortschritte im Land bei der Meinungsfreiheit sowie bei der Anerkennung von unterschiedlichen Identitäten gebe. Folglich sei eine Auflösung der PKK notwendig geworden. Er mahnte aber auch: «Die Notwendigkeit einer demokratischen Gesellschaft ist unausweichlich.»

Ob die PKK seinem Aufruf folgt, ist noch ungewiss. Zur PKK-Führungsriege gehören derzeit Murat Karayilan und Cemil Bayik, die vom türkischen Staat wegen Terrorvorwürfen gesucht werden.

Konflikt mit PKK in Türkei betrifft auch Syrien

Das PKK-Hauptquartier liegt in den nordirakischen Kandil-Bergen. Der Konflikt verlagerte sich nach Angaben der International Crisis Group seit 2019 von der Türkei in den Nordirak und nach Nordsyrien, nachdem das türkische Militär die PKK-Kämpfer immer weiter zurückgedrängt hatte.

In Nordsyrien kontrolliert die Kurdenmiliz YPG, die Ankara als PKK-Ableger bekämpft, grosse Gebiete. Beobachter gehen davon aus, dass der Konflikt zwischen türkischer Regierung und PKK nur im Zusammenspiel mit einer Lösung in Nordsyrien beigelegt werden kann.

Ultranationalisten geben Anstoss

Der erste Anstoss zu neuen Verhandlungen kam ausgerechnet von den Ultranationalisten der Partei MHP, Regierungspartner von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der MHP-Chef Devlet Bahceli hatte Ende vergangenen Jahres eine mögliche Freilassung Öcalans thematisiert, sollte die PKK die Waffen niederlegen. Im Dezember durfte Öcalan das erste Mal seit Jahren im Gefängnis Besuch von Parteifunktionären der prokurdischen Partei Dem empfangen.

Der von der Regierung und auch von Erdogan bekundete Willen habe den Boden bereitet, so Öcalan. «Ich übernehme die historische Verantwortung für diesen Aufruf.» Der stellvertretende Parteivorsitzende der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP sagte in einer ersten Reaktion: «Wenn die Terrororganisation diesen Aufruf berücksichtigt, die Waffen niederlegt, sich versammelt und auflöst, wird die Türkei von ihren Fesseln befreit werden.»

Die Dem stellt im Südosten der Türkei zahlreiche Bürgermeister. Sie setzt sich auf politischem Weg für mehr Rechte für Kurden ein, die rund 20 Prozent der türkischen Bevölkerung ausmachen. Die Regierung wirft der Partei vor, verlängerter Arm der PKK zu sein. Die Dem weist das zurück. (sda/dpa)

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