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Ukraine

So reagiert die ukrainische Bevölkerung auf die Wahl von Donald Trump

epa11629045 A handout picture made available by the Ukraine Presidential Press Service shows Ukrainian President Volodymyr Zelensky (L) and Republican presidential candidate Donald J. Trump (R), durin ...
Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump bei einem Treffen im September 2024.Bild: keystone

Wie die ukrainische Bevölkerung auf die Wahl von Donald Trump reagiert

Ein unberechenbarer US-Präsident kehrt ins Weisse Haus zurück. Bei Gesprächen in Kiew zeigen sich die Sorgen der Menschen – und auch der künftige US-Vizepräsident lässt wenig Hoffnung aufkommen.
08.11.2024, 15:3908.11.2024, 16:20
Niklas Golitschek & Sergey Panashchuk aus kiew / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Nun herrscht endlich Gewissheit. Donald Trump hat vergangenen Dienstag die US-Präsidentschaftswahl gewonnen und wird damit in den kommenden vier Jahren die Geschicke der Vereinigten Staaten lenken. Die Wiederwahl des ehemaligen Präsidenten bereitet nicht nur den Feinden der USA Sorgen, sondern auch ihren Verbündeten.

Das gilt insbesondere für die Ukraine. Schliesslich hat sich Trump bereits im Wahlkampf damit gebrüstet, den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden zu können, weil er gute Beziehungen zu Kremlchef Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj habe. Seither wächst die Sorge im Westen, dass der Republikaner die ukrainische Führung zu einem für sie nachteiligen Frieden zwingen könnte.

Aber wie denken die Ukrainerinnen und Ukrainer darüber? T-Online hat sich auf dem Platz der Unabhängigkeit in Kiew umgehört.

Vasyl Pazynyak (56)

«Europa muss erwachsen werden»

«Ohne die amerikanische Unterstützung wäre die Ukraine kein unabhängiges Land mehr», ist Vasyl Pazynyak überzeugt. Der 56-jährige Arzt aus Kiew hat den Wahltag ebenfalls gebannt verfolgt. Mit Donald Trumps Wahlerfolg scheint die Zukunft für die Ukraine ungewisser denn je zu sein.

Kiew: Der 56-jährige Arzt Vasyl Pazynyak.
Der 56-jährige Arzt Vasyl Pazynyak.Bild: T-Online

Paznyak spricht von «grosser Unsicherheit und Angst» infolge des Wahlergebnisses. Zwar zeigte sich die Ukraine in den vergangenen Monaten immer wieder verärgert über die zähe Unterstützung – doch immerhin kam sie. Mit Trump zieht im Januar die grosse Ungewissheit ins Weisse Haus ein. «Er ist unberechenbar und kann seine Meinung dreimal am Tag ändern», sagt Pazynyak.

Zumal Trump in den vergangenen Monaten widersprüchliche Signale in Richtung Kiew gesendet hat. Einerseits zeigte er klare Kante, als er davon sprach, er hätte Moskau als Reaktion auf den Grossangriff bombardiert. Prägender für seine Aussenpolitik war jedoch, den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden zu können. Wie, liess Trump allerdings offen.

Spott für Trump – erstes Wahlversprechen schon gebrochen
Viel hat Trump seinen Wählern versprochen. Sehr viel. So hatte der 78-Jährige immer wieder verkündet, er könne den Ukrainekrieg beenden. Und das sofort – «innerhalb von 24 Stunden nach meiner Wiederwahl», wie Trump versprach. Nun hat er dieses Wahlversprechen bereits gebrochen, wie die ersten Kommentatoren bei X schreiben – etwa der Account «Republicans against Trump», dem rund 800'000 User folgen.

Trump hatte dieses Versprechen wiederholt abgegeben: bei Spendenveranstaltungen, Wahlkampfauftritten oder auch in Fernseh-Interviews.

Tatsächlich hat Trump nach seinem Wahlsieg bereits mit dem ukrainischen Präsidenten gesprochen. Es sei ein «ausgezeichnetes Telefonat» gewesen, sagte Selenskyj später. Beide Politiker sollen sich auf eine Weiterführung des Dialogs geeinigt haben.

«Wird er uns befehlen, aufzugeben? Ich habe jetzt noch mehr Angst», sagt Pazynyak. Er habe den Eindruck, die Amerikaner interessierten sich nur wenig für Aussenpolitik – und für die Ukraine könnte das einen hohen Preis im eigenen Überlebenskampf bedeuten.

Für den 56-Jährigen bedeutet das Wahlergebnis daher, dass sich Europa verstärkt um die eigene Sicherheit kümmern müsse. «Europa muss erwachsen werden. Europa braucht einen Weckruf», sagt er. Trumps Drohung, die USA könnten die NATO verlassen, sei Putins grosser Traum – und der russische Diktator werde jedes Anzeichen von Schwäche ausnutzen.

Natalya Stukal

«Viele Bedenken und Sorgen»

Natalya Stukal hofft auf eine weitere Zusammenarbeit mit den USA unter Trump.
Natalya Stukal hofft auf eine weitere Zusammenarbeit mit den USA unter Trump.Bild: T-Online

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie die Unterstützung unter einer US-Präsidentin Kamala Harris ausgesehen hätte. «Ich habe viele Bedenken und Sorgen», sagt Natalya Stukal. Die Glückwünsche europäischer Staatschefs in Richtung Trump liessen zumindest hoffen, dass eine Partnerschaft weiterhin möglich sei. Aus Sicht der 56-Jährigen habe die letzte Amtszeit Trumps keine negativen Effekte für die Ukraine gehabt.

Mykola Pawlowitsch (76)

Die Ungewissheit, die die US-Wahl mit sich bringt – und nun auch das Aus der Ampelkoalition in Deutschland –, offenbart für die Ukraine einmal mehr die Abhängigkeit von ihren Verbündeten. Mykola Pawlowitsch wünscht sich deshalb mehr Eigenständigkeit von seinem Land.

Mykola Pawlowitsch sieht die Abhängigkeit der Ukraine von ihren Verbündeten kritisch.
Mykola Pawlowitsch sieht die Abhängigkeit der Ukraine von ihren Verbündeten kritisch.Bild: T-Online

«Wir müssen unsere eigenen Entscheidungen treffen und nicht auf die Hilfe von anderen warten», sagt der 76-Jährige. Zwar sei die Ukraine dankbar für die Hilfe, doch müsse sie selbst über ihr Schicksal entscheiden. Zumal die Zeichen aktuell nicht darauf hinweisen, dass sie künftig mit mehr Hilfen rechnen kann.

Yevgeny, Soldat (45)

«Wir kämpfen jeden Tag für unsere Freiheit»

Der ukrainische Soldat Yevgeny hofft auf Unterstützung aus anderen NATO-Staaten.
Der Soldat Yevgeny hofft auf Unterstützung aus anderen NATO-Staaten.Bild: T-Online

Der Soldat Yevgeny hofft ebenfalls, dass die ukrainische Regierung Konsequenzen aus dieser Gemengelage ziehen wird. «Wir haben eine Menge Arbeit vor uns, um zu überleben und das Land zu reformieren. Jetzt ist die Zeit, um Korruption zu bekämpfen», sagt der 45-Jährige. Er erwarte von Trump keine positiven Nachrichten für sein Land.

Doch noch mehr beunruhigen die Pläne des künftigen Vizepräsidenten, J. D. Vance, für einen Frieden in der Ukraine. «Er hat uns gesagt, er erwarte, dass wir uns Russland einfach ergeben», fasst Yevgeny zusammen.

Deshalb setzt er seine Hoffnung in die anderen NATO-Länder, um die Unterstützung für sein Land aufrechtzuerhalten. Denn die grösste Herausforderung für die Ukraine bleibe unverändert.

«Wir kämpfen jeden Tag für unsere Freiheit», betont Yevgeny. Die künftigen Rahmenbedingungen dafür sind jedoch ungewiss.

Quellen

(t-online/dsc)

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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N. Y. P.
08.11.2024 16:38registriert August 2018
Ideal wäre halt für Kiev, wenn Diktator Putin den orangen Jesus bis aufs Blut reizen würde.

Denn wenn Donald etwas nicht ausstehen kann, wenn er angegangen wird.

Sprich: Wegen persönlicher Befindlichkeiten würde er dann die Ukraine mit viel Waffen eindecken.

Im Prinzip absurd, aber wenns hilft..
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Touché
08.11.2024 16:38registriert Februar 2019
Ich kann diese Aussage vom Vasyl nur Bestätigen. Das Trump 3x pro Tag seine Meinung ändert.

Ich hatte so einen Chef. Wo wir alle jeden Morgen gebannt auf die Türe starrten, was für Laune er an diesem Tag wohl hinlegte ...?

Das war für uns alle nur ein Spiessrutenlauf.

An einem Morgen hat der dich in den Himmel gelobt und am nächsten Tag zusammengepfiffen. Aber vom feinsten.

Ich mag launische Menschen nicht - und gehe ihnen möglichst aus dem Weg. Und das ist nun in diesem Amt.

Und wenn du im Trump in Team bist, ergeht es dir ggf. genau gleich?

Friss oder stirb!
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aileakrebie
08.11.2024 16:35registriert Februar 2014
Bei der Fussball Wm und Olympia hat das liebe Watson Team eine Super funktion eingeführt,mann konnte auwählen ob man sich das geben will.
Mann kommt eh nicht ganz drum rum(Trump)darum bitte liebes Watson team,es wäre echt schön✌️
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