Nach dem Stopp die Kehrtwende: Die USA liefern wieder Waffen an die Ukraine – das hat US-Präsident Donald Trump am Montag bestätigt. Doch wie lange noch? Die Antwort kennt wohl nur Trump selbst.
In der Ukraine jedenfalls will man sich nicht mehr von den Launen amerikanischer Politik abhängig machen. Präsident Wolodimir Selenski arbeitet unentwegt daran, das Land rüstungstechnisch eigenständiger zu machen.
Auf dem Weg dahin wurden schon grosse Fortschritte erzielt. Laut eigenen Angaben stammen mittlerweile bis zu 40 Prozent der von den Ukrainern eingesetzten Waffen aus heimischer Produktion – eine massive Steigerung gegenüber den weniger als 10 Prozent zu Kriegsbeginn.
Tatsächlich ist die Ukraine heute eine der leistungsfähigsten Waffenschmieden in Europa. Unter dem Druck des Ernstfalls haben sich Kiews Ingenieure nicht nur als effizient, sondern auch hochinnovativ erwiesen. Eine Auswahl zeigt die Bandbreite ukrainischer Eigenproduktionen:
Selbst entwickelte Seedrohnen haben der russischen Schwarzmeerflotte schwere Verluste zugefügt und unter anderem die Kertsch-Brücke beschädigt.
Die ukrainische Anti-Schiff-Rakete «Neptun» wurde zu einer landzielfähigen Version weiterentwickelt. Seit Ende 2024 soll die Serienproduktion einer modernisierten Version laufen. Im letzten Jahr wurden zudem Langstrecken-Raketendrohnen wie «Bars» und die mit einem Jet-Triebwerk ausgerüstete «Peklo» entwickelt, die laut ukrainischen Angaben bis zu 800 Kilometer weit fliegen können.
Die 2S22 Bohdana, eine mobile Haubitze mit Nato-kompatiblem 155-mm-Geschütz, ist eine ukrainische Entwicklung und wird seit Anfang 2023 in Serie produziert. Die Produktion wuchs auf bis zu 36 Stück pro Monat im Laufe von zwei Jahren. Zum Vergleich: Frankreich fertigte 2024 pro Monat rund acht der vergleichbaren Caesar-Radhaubitze mit dem Ziel, die Produktion auf monatlich 12 zu steigern.
Besonders weit ist die Ukraine jedoch bei Kleindrohnen, oft als «Kamikaze»-Drohnen bezeichnet. Diese tragen Sprengladungen und werden an der Front in grosser Zahl eingesetzt. In Nato-Kreisen wird geschätzt, dass bis zu 80 Prozent der Verluste russischer Soldaten durch ukrainische Drohnen verursacht werden. Bei der Entwicklung dieser oft KI-gesteuerten Systeme gehört die Ukraine heute weltweit zur Spitzengruppe.
Doch es würde noch viel mehr drinliegen: Laut Selenski könnte die Ukraine bis zu acht Millionen Drohnen aller Art pro Jahr bauen. Laut Schätzungen gut doppelt so viele wie heute. Insgesamt habe die ukrainische Industrie Kapazitäten, um Rüstungsgüter von 35 Milliarden US-Dollar herzustellen, so Selenski. Doch mehr als 40 Prozent der Kapazität bleibe ungenutzt, weil schlicht das Geld fehle. Im Gegensatz zu früher bittet Selenski heute also weniger um Munition und Panzer als immer um Direktinvestitionen.
Einige Länder gehen diesen Weg bereits – allen voran Dänemark. Die Dänen kündigten im letzten Jahr nicht nur an, ihre gesamten Artillerie-Munitionsvorräte an die Ukraine zu spenden. Sondern entwickelten auch das sogenannte «Dänische Modell»: Statt aufwendig über europäische Beschaffungsketten zu liefern, wird Geld direkt in ukrainische Rüstungsfirmen investiert. Das ist schneller, günstiger – und die gelieferten Systeme sind dem ukrainischen Militär bestens vertraut.
Mit zusätzlichen Mitteln aus Schweden, Island, Norwegen, Kanada sowie den EU-Zinserträgen eingefrorener russischer Zentralbankgelder konnten so im ersten Jahr bereits Waffen im Wert von über 500 Millionen Euro beschafft werden. 2025 dürfte diese Summe auf über 1,3 Milliarden steigen.
Warum aber sind nicht längst mehr europäische Länder diesem Beispiel gefolgt? Ein Nato-naher Gesprächspartner in Brüssel sagt, viele hätten Bedenken gehabt, dass im Falle eines russischen Durchmarschs die neuen ukrainischen Produktionskapazitäten in Putins Hände fallen könnten. Ein mindestens so wichtiger Grund dürfte aber sein, dass dem ukrainischen Rüstungssektor hartnäckig der Ruf als korruptionsanfällig anhaftet – obwohl die Ukrainer alles Mögliche unternehmen, um Transparenz herzustellen.
Jetzt, wo mit dem Nato-Aufrüstungsbeschluss die Kapazitäten in Westeuropa selbst gebraucht werden, wächst aber trotzdem die Bereitschaft, mehr Geld direkt in der Ukraine einzusetzen.
So will der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz zwar weiterhin keine Taurus-Marschflugkörper liefern. Er kündigte aber an, der Ukraine vor Ort bei der Produktion einer eigenen Langstreckenwaffe mit vergleichbaren Eigenschaften zu helfen.
Etliche europäische Firmen wie Rheinmetall, der Panzerhersteller KNDS oder der französische Rüstungskonzern Thales haben Gemeinschaftsunternehmen mit den Ukrainern zur lokalen Produktion gegründet. Und auch Grossbritannien investiert direkt in die ukrainische Drohnenproduktion.
Der Schlüssel zum Erfolg beim dänischen Modell ist: Es läuft so, dass die ukrainische Regierung eine Liste an militärischen Projekten übermittelt, die sie gerne finanziert haben möchte. Dänischen Experten sind dann zuständig, die Machbarkeit zu analysieren und die Umsetzung durch ukrainische Rüstungsfirmen zu prüfen.
Man schickt also nicht einfach Geld und die Ukrainer machen damit, was sie wollen. Sowohl Kiew wie Kopenhagen betonen, dass die Kooperation funktioniert. «Ich bin erstaunt über die Geschwindigkeit, mit der die ukrainische Verteidigungsindustrie arbeiten kann», sagt dazu der dänische Verteidigungsminister Troels Lund Jensen. (aargauerzeitung.ch)
Es ist eine Schande welche Rolle die Schweiz spielt.
– verkürzte Lieferketten, Nutzung europäischer Expertise und Schutz ukrainische Produktionsstätten vor russischen Angriffen.
Zudem wird die europäische Sicherheitsarchitektur gestärkt.