Die russische Propaganda kämpft mit allen Mittel um die Informationshoheit im Ukrainekrieg – oft ohne Erfolg. Nun haben bekannte russische Betrüger ein Video ins Netz gestellt, die ein Gespräch mit dem britischen Verteidigungsminister Ben Wallace zeigen. Bei dem Telefonat haben sich die Männer als Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, ausgegeben und sie sprechen mit Wallace scheinbar über die atomare Bewaffnung der Ukraine.
Doch es gibt ernsthafte Zweifel an der Authentizität der Aufnahmen, die Fragen der Betrüger passen schlichtweg nicht zu den Antworten von Wallace. Es ist wahrscheinlich, dass die Aufnahmen manipuliert wurden.
Das etwa einminütige Gespräch soll bei dem Besuch des Verteidigungsministers am vergangenen Freitag in Polen aufgezeichnet worden sein, schreibt der britische TV-Sender BBC. Nach dem Gespräch gab Wallace bekannt, dass er von «Betrügern» angerufen wurde, die sich als Selenskyj ausgaben.
In dem Video ist zu hören, wie der Anrufer um Unterstützung für ein angebliches nukleares Programm bittet, «um uns vor Russland zu schützen», wie er sagt. Wallace nickt erst, zeigt sich dann aber von der Anfrage irritiert, äussert Bedenken und verweist auf die allgemeine Unterstützung seiner Regierung für Kiew. Das ungefähr einminütige Video ist deutlich geschnitten. Die BBC berichtet unter Berufung auf Regierungskreise, es sei manipuliert worden.
Der Scherzanruf soll offenbar kein Einzelfall sein. Die britische Regierung wirft Russland vor, im Ukraine-Krieg mehrere britische Minister mit gefälschten Anrufen angegriffen zu haben. Auch Innenministerin Priti Patel erklärte, dass sie vergangene Woche einen Scherzanruf erhalten habe, laut Downing Street sei auch Kulturministerin Nadine Dorries ins Visier genommen worden.
Hinter der Attacke auf Wallace steckten die bekannten russischen Betrüger Vladimir Kuznetsov («Vovan») und Alexei Stolyarov («Lexus»), die das Video mit dem Wallace-Gespräch ins Netz stellten. Beide hatten in der Vergangenheit schon öfter versucht, westliche Politiker mit Scherzanrufen zu diskreditieren. So gaben sie sich wahrscheinlich im Jahr 2018 als armenischer Premierminister aus und riefen bei dem damaligen Aussenminister Boris Johnson an.
Today an attempt was made by an imposter claiming to be Ukrainian PM to speak with me. He posed several misleading questions and after becoming suspicious I terminated the call 1/2— Rt. Hon Ben Wallace MP (@BWallaceMP) March 17, 2022
Ihre Streiche wurden auch öfter im russischen Fernsehen gezeigt, sie bedienen die Propaganda vom russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Die britische Regierung reagierte wenig amüsiert auf die Scherzanrufe. «Das ist gängige Praxis bei russischen Informationsoperationen», sagte ein Sprecher von Johnson der BBC. «Desinformation ist eine Taktik aus dem Spielbuch des Kremls. Sie versuchen damit von ihren illegalen Aktivitäten in der Ukraine und den dort begangenen Menschenrechtsverletzungen abzulenken.»
Auch Verteidigungsminister Wallace spricht von «schmutzigen Tricks». «Die Dinge müssen so schlecht laufen für den Kreml, dass sie jetzt sogar zu Streichen und gefälschten Videos greifen», twitterte der Verteidigungsminister nach Veröffentlichung.