«Alles liegt vor uns»: Ukraine durchbricht laut General erste russische Verteidigungslinie
Gegenüber dem «Guardian» sagt ein führender ukrainischer General, seinen Streitkräften sei bei der Gegenoffensive im Süden ein «entscheidender Durchbruch» gelungen. Die britische Tageszeitung hat dazu am Samstagabend einen Exklusivbericht veröffentlicht. Hier das Wichtigste.
Wo erfolgte der Durchbruch?
In der Nähe von Saporischschja, der Hauptstadt der Oblast Saporischschja in der südlichen Ukraine.
Ein riesiges Minenfeld habe die ukrainischen Truppen wochenlang «gefangen» gehalten, während Infanterie-Pioniere langsam einen Angriffsweg zu Fuss frei machten.
Russische Truppen hätten in Betonunterständen hinter Panzerabwehrfallen auf sie gewartet. Und zwar hinter einem Minenfeld, das so mit Sprengstoff gefüllt und ungeschützt gewesen sei, dass alle Fahrzeuge – Minenräum- oder Angriffsfahrzeuge – die sich dem Gebiet näherten, von festen, verstärkten Positionen aus schwer beschossen wurden.
Die ukrainischen Infanteristen seien nachts ausgerückt, um mühsam einen Korridor durch die Minen freizumachen, wobei sie sich Meter für Meter im Dunkeln bewegten.
Von wem wissen wir das?
Die Angaben stammen vom ukrainischen Brigadegeneral Oleksandr Tarnavskiy, der die südliche Gegenoffensive anführt. Die britische Kriegsreporterin Emma Graham-Harrison hat ihn in der Ostukraine gesprochen. Am Samstag wurde ihr Exklusivinterview publiziert.
Warum ist das wichtig?
Tarnavskiy schätzt gemäss Bericht, dass die russische Armee 60 Prozent ihrer Zeit und Ressourcen in den Aufbau der ersten Verteidigungslinie und jeweils nur 20 Prozent in den Aufbau der zweiten und dritten Verteidigungslinie investiert habe. Dies, weil der Kreml nicht damit gerechnet hatte, dass die ukrainischen Streitkräfte durchkommen würden.
Die ukrainischen Truppen drängten nun auf beiden Seiten der geschlagenen Bresche vor und festigten ihre Kontrolle über das in den jüngsten Kämpfen eroberte Gebiet.
Wie geht es weiter?
Nachdem es den ukrainischen Streitkräften gelungen sei, diese «Barriere» zu überwinden, seien nun die Russen zum Reagieren gezwungen und die Ukrainer sässen wieder in ihren Panzern und anderen gepanzerten Fahrzeugen.
Die zweite russische Verteidigungslinie sei nicht so gut ausgebaut, so dass die Ukrainer ihre Fahrzeuge benutzen können, obwohl es immer noch Minenfelder gebe.
Ein Zeichen dafür, dass Moskau den Druck spüre, sei, dass bereits russische Truppen von den Frontlinien innerhalb der besetzten Ukraine – Cherson im Westen und Lyman im Nordosten – und auch aus dem Inneren Russlands in das Gebiet verlegt wurden, so der ukrainische Brigadegeneral.
Das Vorrücken war zuvor schon vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bekräftigt worden.
Ukrainian forces are moving forward. Despite everything and no matter what anyone says, we are advancing, and that is the most important thing. We are on the move. pic.twitter.com/emWoZG8WSa
— Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) September 2, 2023
Als ausgebildeter Panzerspezialist habe Tarnavskiy eine beeindruckende Erfolgsbilanz im Kampf gegen russische Truppen vorzuweisen, hält der «Guardian» im Bericht fest. Im September 2022 sei er zum Kommandeur der für die Befreiung Chersons kämpfenden Truppen ernannt worden; zwei Monate später sei die Stadt befreit gewesen.
Der Brigadegeneral äusserte sich auch zur wachsenden Ungeduld im Westen, dem scheinbar monatelangen Stillstand an der Front, verbunden mit steigenden Verlusten.
Er ziehe es vor, einen Auftrag erst dann zu beurteilen, wenn er fertig sei, sagte der hochrangige Militär. Er danke Grossbritannien und anderen Verbündeten für ihre Unterstützung bei der Ausbildung und Bewaffnung der Truppen.
Quellen
(dsc)
