Olga Sukhenko lebt nicht mehr. Die vermisste Gemeindepräsidentin des Dorfes Motyschyn wurde tot in einem Wald gefunden, verscharrt in einem Graben, zusammen mit ihrem Ehemann Ihor und ihrem 25-jährigen Sohn Oleksander, einem leidenschaftlichen Fussballspieler. Vieles deutet darauf hin, dass die Familie vor ihrer Hinrichtung gefoltert wurde.
Die gezielte Ermordung von Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen. Der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft wurden seit Kriegsbeginn über 7000 mögliche Fälle gemeldet – und das nur im Gebiet rund um Kiew. Der Wunsch nach Bestrafung der Täter ist gross. Gilt das aber auch für die Wahrscheinlichkeit, dass es so weit kommt?
Dafür sind/wären verschiedene Gerichte zuständig:
Russland macht aktuell keine Anstalten, Kriegsverbrechen der eigenen Truppen zu untersuchen. Der Aggressor weist jegliche Vorwürfe kategorisch von sich – im Gegensatz zur Ukraine. Die Verteidiger haben zum Beispiel im Fall der Misshandlung von Kriegsgefangenen (durch gezielte Beinschüsse) eine Untersuchung ankündigt.
Am Internationalen Gerichtshof in Den Haag kann ein Staat einen anderen verklagen. Für Individuen ist der Gerichtshof nicht zuständig – dafür hat er im Zusammenhang mit der Ukraine bereits ein provisorisches Urteil gefällt und Russland angewiesen, sämtliche militärischen Handlungen einzustellen. Moskau ignoriert diesen Entscheid.
Ebenfalls festgestellt hat das Tribunal, dass es keine Beweise für einen Genozid an der russischstämmigen Bevölkerung in der Ukraine gebe – was ein legitimer Grund für einen russischen Einmarsch gewesen wäre.
Internationale Ad-hoc-Gerichte können vom UN-Sicherheitsrat gebildet werden. Es bedarf dafür neun Stimmen der nicht-ständigen Mitglieder und einer einstimmigen Zustimmung der fünf permanenten Mitgliedsstaaten (USA, China, Russland, Frankreich und Grossbritannien). Russland kann die Installation eines Ad-hoc-Strafgerichtshofs für die Ukraine also mit einem Veto verhindern.
Der Internationale Strafgerichtshof untersucht bereits seit 2014 mögliche Kriegsverbrechen in der Ukraine. Das Problem solcher Untersuchungen ist die benötigte Zeitspanne. Ein Beispiel: Das Tribunal für Jugoslawien existierte von 1993 bis 2017 – 24 Jahre lang.
Der Internationale Strafgerichtshof ist für das Individualstrafrecht natürlicher Personen verantwortlich – ungeachtet des offiziellen Amtes. Das bedeutet: Vom tiefstrangigen Befehlsempfänger bis zum Staatschef können alle Menschen angeklagt werden.
Der Internationale Strafgerichtshof kümmert sich aber nur um schwere Fälle. Dass das Gericht einzelne Soldaten verurteilt, darf bezweifelt werden. Dass hingegen Wladimir Putin, seine Kommandanten, Offiziere und Generäle dereinst angeklagt werden, erscheint ein realistisches Szenario zu sein.
Der Internationale Strafgerichtshof verfügt über kein Organ, das verurteilte Straftäter festnehmen oder Verdächtige in Untersuchungshaft nehmen kann/darf. Er ist auf die Kooperation der betroffenen Länder angewiesen. Solange Wladimir Putin an der Macht bleibt, sind Auslieferungen von russischen Angeklagten ausgeschlossen. Ein Regimewechsel würde die Karten neu mischen – eine Auslieferung Putins oder anderer Anwärter nach Den Haag wäre aber nicht garantiert.
Der ehemalige Machthaber der Bundesrepublik Jugoslawien, Slobodan Milošević, wurde erst ausgeliefert, als der Westen dies als Bedingung für ein milliardenschweres Hilfspaket formulierte.
Würde das neue russische Regime den ehemaligen Präsidenten und mögliche andere Angeklagte nicht ausliefern, gäbe es am Internationalen Strafgerichtshof die beschränkte Möglichkeit eines Verfahrens ohne Anwesenheit der Angeklagten (In-Absentia-Verfahren). Angeklagte müssten bei der Wahl ihrer Auslandsreisen aber auf der Hut sein. Sie könnten im Ausland festgenommen und ausgeliefert werden.
Das Haager Tribunal für Jugoslawien wurde 1993 eröffnet, 1999 wurde Milošević als erster Staatspräsident formell angeklagt, im Oktober 2000 gestürzt und im April 2001, nach einer spektakulären Festnahme, nach Den Haag ausgeliefert. Vor seiner Auslieferung kam es zu einem Feuergefecht zwischen 400 Beamten und den 50 schwer bewaffneten Leibwächtern. Zwei Polizisten und ein Journalist wurden dabei verletzt. Auch Miloševićs 32-jährige Tochter soll dabei zur Waffe gegriffen haben.
In Den Haag sass Miloševićs bis zu seinem Tod 2006 mit 64 Jahren im lokalen Untersuchungsgefängnis ein. Das Tribunal war auch 13 Jahre nach seiner Eröffnung und sieben Jahre nach der Anklage gegen Milošević noch nicht zu einem Urteilsspruch gekommen. Dies zeigt, wie sehr sich solche Verfahren in die Länge ziehen können.
Wladimir Putin ist heute 69 Jahre alt. Die Chancen, dass er eine eventuelle Verurteilung noch miterlebt, sind dementsprechend geringer. Er müsste dafür zuerst gestürzt und ausgeliefert werden. Und über seinen Gesundheitszustand ranken sich schon seit längerem die wildesten Gerüchte.
So in der Art stelle ich mir das vor in meinen Fantasien.
Auch wenn sich diese dann irgendwo verkriechen können so sind sie zumindest international geächtet und können nicht mehr reisen und (im Falle Putins) sich nicht mehr auf dem internationalen Parkett bewegen.
In einigen Fällen wird es wohl möglich sein, die Schuldigen auch in ihrem Versteck zu erwischen (siehe Eichmann, Saddam, Bin Laden)
Keiner dieser Kriegsverbrecher soll nach dem Ende dieses Wahnsinns in Ruhe leben können. Sie sollen gejagt und verurteilt werden oder in ständiger Angst leben, gefunden und angeklagt zu werden.