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Ex-Wagner packt aus – «wir haben keine taktischen Pläne erhalten»

CNN Interview Wagner Soldier
Andrej Medwedew im Interview mit CNN.Bild: Screenshot CNN

Ex-Wagner packt aus – «wir haben keine taktischen Pläne erhalten»

31.01.2023, 14:3731.01.2023, 15:46
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Andrej Medwedew ist desertiert, aus den Reihen der paramilitärischen Wagner-Söldner geflohen. Mit einem gefälschten Presseausweis in der Tasche hat er sich über den zugefrorenen Fluss Paswik von Russland nach Norwegen gestohlen. Das wurde Mitte Januar bekannt.

Jetzt gab der 26-Jährige dem amerikanischen CNN-Journalisten Anderson Cooper ein Video-Interview aus Oslo – und erzählte unter anderem, warum die Wagner ihre eigenen Soldaten exekutieren.

Keine Taktik, dafür Tote und Gefangene

Medwedew kam im Juli 2022 in die Ukraine und kämpfte in Bachmut. Auf die Frage, wie die Wagner-Gruppe in den Kämpfen vorgehe, sagt er:

«Wir haben keine taktischen Pläne erhalten, sondern nur den Befehl, die Stellung des Feindes einzunehmen. Und wir mussten uns selbst einen Schritt-für-Schritt-Plan ausdenken, wie wir die Vorgaben erfüllen konnten. Es war unser Problem, dafür zu sorgen, dass die Kommandos erfüllt wurden.»

Medwedew habe eine tiefe Kaderposition innegehabt, wolle sich aber nicht genauer dazu äussern, was er selbst im Kampf in der Ukraine gemacht habe, so CNN. Anfangs habe er zehn Männer unter seinem Kommando gehabt. Doch diese Zahl sei äusserst volatil gewesen: «Es gab immer mehr Tote und Gefangene und immer mehr Menschen, die zu uns kamen. Am Ende hatte ich eine Menge Leute unter meinem Kommando», sagt er.

FILE - A mural depicting mercenaries of Russia's Wagner Group that reads: "Wagner Group - Russian knights" vandalized with paint on a wall in Belgrade, Serbia, on Jan. 13, 2023. Russia& ...
Ein Graffiti mit der Darstellung von Söldnern der russischen Wagner-Gruppe und der Beischrift: «Wagner Gruppe – Russische Ritter» in Serbien.Bild: keystone
A boy walks by a repainted mural depicting the logo of Russia's Wagner Group on a wall in Belgrade, Serbia, Thursday, Jan. 19, 2023. (AP Photo/Darko Vojinovic)
Logo der Wagner an einer Wand in Serbien.Bild: keystone

Dabei wurde den Familien wohl versprochen, dass sie einen Haufen Geld bekommen würden, sollten ihre Männer im Krieg fallen. Doch weil «niemand so viel Geld zahlen wollte», habe man die Toten einfach für vermisst erklärt, sagt Medwedew.

Eine «radikale Entscheidung», auszusteigen

Nach nur sechs Tagen sei ihm klar geworden, dass er nicht weitermachen wolle, denn die Truppen seien lediglich Kanonenfutter gewesen.

«Ich hatte vor, Wagner zu verlassen, aber ich hatte nicht die Gelegenheit dazu. Ich hatte Angst, gefangen genommen und als Verräter erschossen zu werden. Ich bin bereit, ernsthaft zu kämpfen. Aber ich will auch leben. Es war an der Zeit, eine radikale Entscheidung zu treffen.»

Dass die Wagner nicht davor zurückschreckten, im Fall von Befehlsverweigerung ihre eigenen Leute zu exekutieren, davon erzählt Medwedew CNN auf Nachfrage Coopers:

«Solche Fälle kamen regelmässig vor. Es ging darum, die neuen Rekruten zu überzeugen weiterzukämpfen, auch wenn sie Skrupel hatten. Sie trieben darum diejenigen zusammen, die nicht kämpfen wollten, und erschossen sie vor den Augen der Neuankömmlinge.»

Die Neuankömmlinge hätten daraufhin jeweils Gräben ausheben müssen, in denen die Leichen entsorgt wurden.

FILE - Businessman Yevgeny Prigozhin, left, shows Russian President Vladimir Putin, around his factory which produces school meals, outside St. Petersburg, Russia on Monday, Sept. 20, 2010. The fighti ...
Jewgeni Prigoschin (links) und Wladimir Putin sollen vor Gericht, wenn es nach Andrej Medwedew geht. Bild: keystone

Mut auf allen Seiten

Etwas will der Ex-Söldner unbedingt loswerden bei CNN:

«Wissen Sie, ich habe auf beiden Seiten Mut gesehen. Auf der ukrainischen Seite und auch bei unseren Jungs. Ich will einfach nur, dass Sie das wissen.»

Er fügt hinzu, dass er nun seine Geschichte erzählen wolle, damit der russische Präsident Wladimir Putin und der Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin vor Gericht gestellt würden. Letzteren nennt er «den Teufel». Er prophezeit, dass eines Tages die Propaganda in Russland aufhören werde zu funktionieren und das Volk sich erheben werde.

Die Wagner-Truppe wird oft als Putins inoffizielle Armee bezeichnet. Seit ihrer Gründung im Jahr 2014 hat sie ihre Präsenz weltweit ausgeweitet und wurde wegen Kriegsverbrechen in Afrika, Syrien und der Ukraine angeklagt.

CNN merkt im Artikel an, dass es nicht möglich gewesen sei, Medwedews Aussagen zu verifizieren. Zudem habe die Wagner-Gruppe nicht auf eine Bitte um Stellungnahme reagiert.

(yam)

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Milindli
31.01.2023 16:31registriert Dezember 2022
Die Russen können eigentlich froh sein dass sich die NATO/USA derart zurückhält. Wenn die NATO/USA nämlich wollten, wäre die russische Armee schneller zerlegt als die irakische Armee 1991 bei der Operation "Desert Storm".
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webedr45
31.01.2023 16:05registriert Januar 2020
Dieser Wagner-Söldner erzählt nichts Neues und warum er sich für das Töten als Job entschlossen hat.

Er ist nicht desertiert, sondern ohne Kündigung abgehauen weil er Angst bekam und einsehen musste, dass es mit "Held" wohl nichts werden würde.

Als Mitglied einer verbrecherischen Organisation müsste der junge Mann eigentlich festgenommen und vor einem Strafgericht angeklagt werden.

Er hat kein Recht, als Kriegsflüchtling behandelt zu werden.

Hoffentlich machen ihn die Medien nicht doch noch zu einem gut bezahlten Heroen. Er wäre wohl nicht getürmt, wenn er effektiver hätte morden können.
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Kanzo
31.01.2023 14:57registriert Mai 2022
Bei den Wagner hab ich nie verstanden was der Titel "Elite" darstellen soll. Jede Armee könnte grausam gegenüber sich selbst und der Bevölkerung sein. Aber ich habe nie was daraus bezogen das sie überlegenen Soldaten sind. Der Krieg ist ihr Business, das verstehe ich. Was wiederum heißt, dass jeglich die Logistik und Ausrüstung funktioniert. Natürlich haben sie Erfahrung aber beispielsweise kaum zugang zu Panzer oder höhere Militär Objekte.
Security und Infanterie, das wars. Der Allgemeine Standard, keine Elite Soldaten.
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