Eine Explosion und ein schwerer Brand haben die Krim-Brücke zwischen Russland und der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel schwer beschädigt. Mehrere Waggons eines Güterzugs standen am Samstagmorgen nach einer Explosion in Flammen. Die Fahrbahn ist an mindestens zwei Stellen eingestürzt. Das russische Zivilschutzministerium teilte mit, der Brand sei gelöscht.
⚡️Eyewitnesses post photos, video of the fiercely burning Kerch bridge.
— The Kyiv Independent (@KyivIndependent) October 8, 2022
The Kerch bridge from Russia to Crimea has been hit by a massive explosion on the span that carries railway traffic early on Oct. 8. pic.twitter.com/5wvIjBZmZZ
Die Behörden auf der Krim kündigten an, den Verkehr über Fähren und über den zuletzt in der Ukraine besetzten Landkorridor sicherzustellen. Es drohten keine Versorgungsengpässe, hiess es in der Krim-Hauptstadt Simferopol. Der Chef des Krim-Parlaments, Wladimir Konstantinow, meinte, «ukrainische Vandalen» hätten die Brücke beschädigt. Das russische Energieministerium teilte mit, dass auch die Treibstoffversorgung ungeachtet des verbrannten Diesels gesichert sei.
Am Samstagabend rollte der Verkehr über die Krim-Brücke bereits wieder. Die Autos waren von der Krim-Halbinsel in Richtung Russland unterwegs.
First vehicles are now driving over the remaining span. Traffic moving from Crimea towards Russia. pic.twitter.com/3eayugdzV0
— Oliver Alexander (@OAlexanderDK) October 8, 2022
Russlands nationales Ermittlungskomitee teilte am Samstagvormittag mit, dass nach vorläufigen Angaben ein Lastwagen auf der Brücke explodiert sei. Das Fahrzeug kam demnach vom russischen Festland und fuhr in Richtung des Küstenorts Kertsch auf der Krim. Durch die Explosion seien sieben mit Treibstoff gefüllte Kesselwagen des Güterzugs in Brand geraten. Dadurch seien Teile der Fahrbahn eingestürzt. Die Behörde erklärte nicht, wie ein einzelner Lastwagen Schäden eines solchen Ausmasses angerichtet haben könnte.
Am Nachmittag teilte das Ermittlungskomitee mit, dass drei Leichen aus dem Wasser gezogen worden seien. Nach Angaben der Ermittler starben zwei Menschen, die in einem Auto neben dem explodierten Lastwagen fuhren. Die Identitäten des Mannes und der Frau müssten noch geklärt werden. Ermittelt worden sei bereits der Halter des Lastwagens. Es handele sich um einen Einwohner des Gebiets Krasnodar im Süden Russlands. Am Wohnort des Mannes liefen bereits die Untersuchungen.
Die Internetzeitung Ukrajinska Prawda berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise in Kiew, dass der Geheimdienst SBU hinter der Spezialoperation stecke. Der SBU bestätigte das nicht, veröffentlichte aber wie viele offizielle Stellen in der Ukraine in den sozialen Netzwerken Aufnahmen von der brennenden Brücke – und stellte ein Gedicht dazu.
Es gab in der Hauptstadt Kiew immer wieder Drohungen, die von Kremlchef Wladimir Putin eingeweihte Brücke zwischen der Halbinsel und dem russischen Festland unter Beschuss zu nehmen. Zuletzt kam es in der Region Kertsch, die auf der Krim direkt an die Brücke grenzt, immer wieder zu Zwischenfällen mit Drohnen, die explodierten.
Russland hatte eindringlich davor gewarnt, die Brücke – ein zentrales strategisches Bauwerk – unter Beschuss zu nehmen und für den Fall auch damit gedroht, Kommandozentralen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ins Visier zu nehmen. Die ukrainische Führung hatte mehrfach schwere Waffen für grosse Reichweiten aus dem Westen gefordert. Damit sollte dann auch die Brücke zerstört werden, wie es in Kiew hiess.
Mit 19 Kilometern Länge gilt die Krim-Brückenanlage, die eine Autobahn und daneben eine Bahnstrecke hat, als längstes Bauwerk Europas. Kremlchef Putin hatte sie selbst 2018 eröffnet und war auch in einem Zug gefahren. Passagierzüge rollen seit Ende 2019, Güterzüge seit Sommer 2020.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat per Dekret den Geheimdienst FSB angewiesen, die Kontrolle über die durch eine Explosion beschädigte Krim-Brücke zu verschärfen. «Dem FSB werden die Vollmachten übertragen zur Organisation und Koordination von Schutzmassnahmen für den Transportweg über die Meerenge von Kertsch, für die Strombrücke der Russischen Föderation auf die Halbinsel Krim und die Gaspipeline vom Gebiet Krasnodar Krim», heisst es in dem am Samstag veröffentlichten Dekret. Es ist die erste Massnahme des Kremls infolge der Explosion am Morgen, die mutmasslich durch einen Anschlag herbeigeführt wurde.
Bislang war die Verantwortung für die Sicherheit der Brücke laut dem Duma-Abgeordneten Alexander Chinstein dreigeteilt. Für die Überwachung des Luftraums war das Verteidigungsministerium verantwortlich, für die Seeüberwachung die Nationalgarde «Rosgwardija». Die Auto- und Eisenbahnstrecke selbst wurde jedoch vom Verkehrsministerium kontrolliert.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte weder eine Beteiligung ukrainischer Kräfte noch stritt er diese ab. In seiner täglichen Videoansprache sagte er, dass es in der Ukraine grossteils sonnig und warm gewesen, hingegen «auf der Krim leider bewölkt, obwohl auch dort warm», war – in Anspielung auf die morgendliche Detonation an der Brücke. Näher ging er auf den Vorfall nicht ein.
Die Sprecherin des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny teilte ein Video in den sozialen Netzwerken von dem Feuer und den Schäden – und kommentierte, dass es sich wohl um ein Geschenk zum 70. Geburtstag Putins handele. Der Kremlchef hatte das Jubiläum am Freitag in seiner Heimatstadt St. Petersburg begangen.
Der ukrainische Postchef Ihor Smyljanskyj kündigte im Nachrichtenkanal Telegram den Druck einer Sondermarke von der Brücke an. «Der Morgen war noch nie so ein schöner. Zu diesem Feiertag bringen wir eine neue Marke heraus mit der Krimbrücke – oder vielmehr mit dem, was von ihr übrig ist.» Zuvor hatte die ukrainische Post schon eine Briefmarke des zerstörten Kreuzers «Moskwa» der russischen Schwarzmeerflotte herausgebracht.
Andere ukrainische Reaktionen zeigen, dass die Bilder der zerstörten Brücke mit Jubel aufgenommen wurden. «Krim. Die Brücke. Der Anfang», schrieb der Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, am Samstag bei Twitter. «Alles Illegale muss zerstört werden, alles Gestohlene muss an die Ukraine zurück.» Podoljak sagte aber ebenson wie Präsident Selenskyj nicht, dass die Ukraine verantwortlich für die Explosionen und den Brand ist.
Auf russischer Seite ist man derweil überzeugt, dass die Ukraine hinter der Explosion steckt – die Forderung nach Vergeltung wird laut. Besonders deutlich äusserte sich der für seine scharfe Rhetorik bekannte TV-Moderator Wladimir Solowjow. Er fordert Rache «mit allen Mitteln». Die Ukraine müsse nun «in dunklen Zeiten versinken».
Die aktuellsten Entwicklungen rund um die Krim-Brücke gibt es auch in unserem Ticker:
(meg/cma/con/sda/dpa)