Gemäss verbreiteter Ansicht verfügt der US-Präsident über ein Köfferchen mit einem roten Knopf. Drückt er ihn, werden atomar bestückte Interkontinental-Raketen auf feindliche Ziele abgefeuert. Während das Köfferchen existiert («Nuclear Football»), handelt es sich beim berüchtigten roten Knopf um eine Hollywood-Fantasie.
Keine Fantasie ist der blaue Knopf, auf den Trump unablässig drückt.
Mit seinen Tweets löst er keinen Atomkrieg aus – aber immer noch mehr als genug Ärger. Die Hoffnung, dass er nach seinem Wahlsieg damit aufhört, hat sich nicht erfüllt. Wenn überhaupt haben seine 140-Zeichen-Nachrichten nun noch mehr Gewicht.
Eine Aufzählung, was er mit Druck auf den blauen Knopf schon alles angerichtet hat:
Kürzlich drohte er, die Bestellung für die zwei neue Präsidentenflugzeuge (Air Force One) zu stornieren.
Boeing is building a brand new 747 Air Force One for future presidents, but costs are out of control, more than $4 billion. Cancel order!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 6. Dezember 2016
Die Aktie des Herstellers Boeing brach ein, erholte sich aber im Verlauf des Tages wieder.
Die «Washington Post» mutmasst, Trump sei über Boeing verärgert gewesen, weil dessen CEO Dennis Muilenberg ihn indirekt kritisiert hatte. Die «New York Times» glaubt, in dem Vorfall ein allgemein gültiges Muster über das Social-Media-Verhalten des designierten Präsidenten entdeckt zu haben:
Am Montag tat er es wieder: Diesmal geht es um den Tarnkappen-Kampfjet F-35 des Rüstungsherstellers Lockheed-Martin, dessen Entwicklungskosten ein Loch ohne Boden zu sein scheinen.
The F-35 program and cost is out of control. Billions of dollars can and will be saved on military (and other) purchases after January 20th.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 12. Dezember 2016
Und auch in diesem Fall gab der Aktienkurs sofort nach.
Was Trump twittert, erreicht nicht nur seine 17,2 Millionen Follower (Obamas offizieller Präsidenten-Account @potus hat «nur» 12,5 Millionen), sondern wird auch sofort zu einem Thema in den Medien. Egal wie absurd der Inhalt. Oder gerade deswegen:
In addition to winning the Electoral College in a landslide, I won the popular vote if you deduct the millions of people who voted illegally
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) November 27, 2016
In den kommenden Tagen bemühten sich die Medien redlich, dem Vorwurf nachzugehen. Obwohl Trump keinerlei Beweise für die Behauptung präsentierte, Millionen hätten illegal für Hillary Clinton gestimmt. Zwei Tage später droht er, Fahnenverbrenner auszubürgern oder zumindest für ein Jahr ins Gefängnis zu stecken. Wieder geraten die Medien ins Rotieren. Mindestens eine Meldung, dass die Frage bereits 1989 vom Obersten Gerichtshof beurteilt wurde, ist sie allen wert.
Nobody should be allowed to burn the American flag - if they do, there must be consequences - perhaps loss of citizenship or year in jail!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) November 29, 2016
Im Wahlkampf war China ein beliebtes Angriffsziel Trumps. China nimmt uns die Jobs weg, China manipuliert seine Währung, China bläht damit seine Handelsbilanz auf, und so weiter und so fort. Damals ignorierten ihn die Chinesen, doch spätestens seit er einen Telefonanruf der Präsidentin Taiwans entgegen genommen und explizit die Ein-China-Politik zur Disposition gestellt hat, reagiert Peking mit scharfen Worten. Staatliche chinesische Medien attestieren ihm die diplomatische «Reife eines Kindes». Gemäss der Ein-China-Prämisse gibt es nur ein «China», das neben dem Festland einschliesslich Macau und Hongkong auch das unabhängige Taiwan umfasst.
Peking ist verärgert. Was tut Donald Trump? Das, was er nicht lassen kann:
Did China ask us if it was OK to devalue their currency (making it hard for our companies to compete), heavily tax our products going into..
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) December 4, 2016
Besonders Pech widerfährt jenen, die von Trump persönlich auf Twitter angegriffen werden. Das wirkt wie ein Aufruf an Teile seiner Anhänger, diesen Personen das Leben zur Hölle zu machen. Eine junge Frau, die ihm vor über einem Jahr (!) an einer Wahlkampfveranstaltung eine kritische Frage zu seinem Frauenbild stellte, bezeichnete er in einem Tweet als «arrogant» und ihr Vorgehen als «fies».
The arrogant young woman who questioned me in such a nasty fashion at No Labels yesterday was a Jeb staffer! HOW CAN HE BEAT RUSSIA & CHINA?
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) October 13, 2015
Sie erhalte bis heute sexuell aufgeladene Hasskommentare bis hin zur Androhung von Vergewaltigung, sagte Lauren Batchelder kürzlich der «Washington Post».
Nicht besser ergeht es aktuell Chuck Jones, Präsident der Gewerkschaft United Steelworkers 1999. Er hatte Trump kritisiert, Arbeiter und Öffentlichkeit über den sogenannten Carrier-Deal in die Irre geführt zu haben. Der designierte Präsident hatte behauptet, den Klimaanlagen-Hersteller überzeugt zu haben, 1100 Stellen nicht nach Mexiko zu verlagern, sondern in den USA zu behalten. Tatsächlich liege die Zahl eher bei 800. Die Kritik kam nicht gut an:
Chuck Jones, who is President of United Steelworkers 1999, has done a terrible job representing workers. No wonder companies flee country!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 8. Dezember 2016
Jones sagt, seit diesem Tweet erhalte er anonyme Anrufe und werde bedroht.
Noch knapp sechs Wochen, dann wird Trump Präsident.
Vielleicht mässigt er sich dann.
Oder auch nicht.
Vielleicht verdienen sich die Kumpels von Trump schon jetzt eine goldene Nase damit.