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US-Wahlen 2020

Midterms in den USA: So war Donald Trumps letzter Auftritt

epa10292753 Supporters of former US President Donald J. Trump arrive for a rally at the Wright Bros. Aero Inc., at Dayton International Airport in Vandalia, Ohio, USA, 07 November 2020. Trump is holdi ...
Schon früh füllten sich die Tribünen an Donald Trumps Wahlkampfauftritt in Dayton.Bild: keystone

«Fuck Joe and the Hoe»: So war Trumps letzter Auftritt vor den Midterms

In den USA wird das Parlament gewählt. Die Republikaner machen die Wahl zum Referendum über Präsident Joe Biden. Donald Trump macht sie zum Referendum über sich selbst. Ein Besuch bei seinem letzten Kampagnenauftritt.
08.11.2022, 11:2309.11.2022, 06:34
johann aeschlimann, dayton
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Eine Trump-Versammlung geht so: ein Flugplatzareal, grosse Fläche. Lange Schlangen vor der Sicherheitskontrolle. Früher Einlass. Unendliches Vorprogramm, alternder Pop, viel classic rock, Einpeitscher. Horden von Devotionalien-Verkäufern. Eine Menge Volk, eine grosse, sehr grosse Menge. Landung der Maschine des Caudillo. Erscheinung am Rednerpult.

Lange Rede, gleicher Sinn: Amerika steht am Abgrund. Biden ist ein Kommunist. Die Gegner sind Landesverräter. Das Volk will Trump, der die Wahl vor zwei Jahren gewonnen hat und um den Wahlsieg betrogen wurde. Die Presse lügt und ist «der Feind des Volkes». Todesstrafe für Drogendealer nach dem Muster des Kollegen Xi in China. Kurzer Prozess.

Former President Donald Trump dances after he finished speaking at a campaign rally in support of the campaign of Ohio Senate candidate JD Vance at Wright Bros. Aero Inc. at Dayton International Airpo ...
Trump am Montagabend in Dayton: Seine erneute Kandidatur 2024 deutete er nur an.Bild: keystone

Nach demselben Schema hielt Donald Trump, vor zwei Jahren als US-Präsident abgewählt, am Montagabend seinen letzten Auftritt vor den Midterm-Wahlen. Schauplatz war Dayton (800'000 Einwohner) im Süden des Gliedstaats Ohio. Der Bedachte war J.D. Vance, Senatskandidat der Republikaner, aber Thema war Donald Trump.

Trumps Beinahe-Ankündigung

Kandidiert er in zwei Jahren nochmals? Den Tag hindurch hatten politische Lakaien gestreut, der Caudillo werde in Dayton die Katze aus dem Sack lassen, aber es gab nur ein «beinahe». Sechser ohne Zusatzzahl. Wie üblich kitzelte Trump die Menge, aber er sagte schliesslich nur: «Am 15. November mache ich eine ganz grosse Ankündigung.»

Trump spielt tatsächlich in einer eigenen Liga. Bei meiner Ankunft am Flughafen um halb vier nachmittags, eine halbe Stunde vor Beginn des Programms, sind die Parkplätze bereits am Überlaufen. Innen stehen Tausende sich die Beine in den Bauch, einige seien morgens um sechs angetreten. Innerhalb des Sicherheitsparameters stehen Foodtrucks.

«Fuck Joe and the Hoe»

Das Erste, was dir auf dem Parkplatz begegnet, ist ein Schnorrer, der dir den «Make America Great Again» Hut andreht (Argument: «Wir sammeln für eine Suppenküche»). Zweite Begegnung ist ein dunkelhäutiger T-Shirt-Verkäufer. Aufdruck hinten: «Fuck Joe and the Hoe». Aufdruck vorne: «Biden sucks, Kamala swallows». Vor der Sicherheitskontrolle eine lange Reihe von Ständen mit anderen Trump-Devotionalien. Jahrmarkt-Atmosphäre.

Verkauft wurden T-Shirts mit eindeutiger Botschaft.
Verkauft wurden T-Shirts mit eindeutiger Botschaft.bild: johann Aeschlimann

Zahlreiche Verkäufer sind Schwarze. Drinnen muss man die nichtweisse Hautfarbe suchen. Das Publikum ist weiss, alle Altersklassen. Manche mit Kindern. Es gibt die gfürchigen Typen mit den Slogans der National Rifle Association auf dem Schmerbauch, aber ein Trump-Rally ist auch ein Familienereignis. Grossmütter tragen härteste Slogans auf der Brust: «Pro Life, pro Gun, pro God». Immerhin: Als wir den «Fuck Joe»-Typen passieren, meint eine ältere Dame zur anderen: «Meine Mutter hätte mich erschlagen, wenn ich so etwas tragen würde.»

Am Getränkestand (kein Alkohol, nicht einmal Bier) stehen wir lange an. Ich frage meine Vorderfrau, warum sie Trump gut findet. «Weil er anders ist», sagt sie, «er ist kein Politiker». Und warum ist die Hinterfrau hier? «Mein Mann und ich sind beide Unternehmer», sagt Amy, Mitte dreissig. «Wir haben kein Verständnis für jene, die nicht arbeiten und bloss die Hand aufhalten, und wir glauben daran, dass man die Früchte seiner Arbeit behalten und nicht alles dem Staat abgeben soll. Wenn man ein Geschäft hat, merkt man, dass vieles gerade verkehrt läuft.» Hat Amy keine Mühe mit Trumps Persönlichkeit? «Sie meinen seinen Mangel an Anstand? Oh, doch. Aber er hat vielen Leuten geholfen. Er hat ein gutes Herz. Man darf nicht nur die Oberfläche betrachten, sondern muss tiefer blicken, ins Herz einer Person.»

Supporters arrives before former President Donald Trump speaks at a rally in support of the campaign of Ohio Senate candidate JD Vance at Wright Bros. Aero Inc. at Dayton International Airport on Mond ...
Zwei von vielen Trump-Fans am Rally in Dayton.Bild: keystone

Auf dem Podium redet Marjorie Taylor Greene, die Tröte aus Georgia. Sie würde nach einem republikanischen Wahlsieg alles in Absetzungsverfahren (impeachment) versetzen, was nicht gefällt: «Wir können die Steuerbeamten absetzen, wir können den Bürgermeister absetzen, und wir werden Biden absetzen, wenn wir gewinnen.» Applaus.

Ein Trump- und Impfanhänger

Der Mann neben mir stellt sich als Robert Weeks vor, hotrodder. Er baut alte Autos zu modernen Strassenbombern um, aussen gleich wie früher, innen mit modernsten Motoren, Bremsen, Steuerungen. Robert zeigt auf seine Jacke: «2016 war ich hotrodder of the year.» Das preisgekrönte Objekt war ein Business-Ford Coupe aus dem Jahr 1944. Robert zeigt ein Foto. Warum ist er für Trump? «Ich habe schon lange geglaubt, das Land sei mit einem Geschäftsmann besser bedient als mit einem Politiker.» Sein Freund Jim Jordan, ein reicher Geschäftsmann, habe in den Trump-Jahren mehr Leute angestellt, die Löhne erhöht «und allen Angestellten zwei Wochen bezahlte Ferien gegeben».

Auch sein Geschäft habe floriert, sagt Robert, aber vor zwei Monaten habe er schliessen müssen: «Ich fand keine Arbeiter mehr, und mein Vermieter hat mir die Werkstatt gekündigt, weil er sagte, ich könne es nicht mehr schaffen.» Jetzt arbeite er zu Hause, allein. Zurzeit am alten Auto seines Vaters, der an Covid verstorben sei, noch vor der Impfung. Ist Robert geimpft? «Aber sicher. Nächste Woche gehe ich zum vierten Booster.» Mit den Impfgegnern kann Robert nichts anfangen. Er ist dankbar, dass die Impfstoffe so rasch entwickelt wurden, «ein Verdienst von Trump».

Der wendige Senatskandidat

Gegen sieben spricht J.D. Vance, der Senatskandidat. Der amerikanische Traum, gefährdet durch die Biden-Regierung, nur zu verteidigen mit den Republikanern. Verbrechen. Die löchrige Grenze. Die mexikanischen Drogenkartelle, die das Land mit Fentanyl überfluten. «Morgen ist ein Referendum über Joe Biden.» Vance ist ein polierter Redner und ein einstudierter. Keiner, der das Publikum mitnimmt. Ein kalter Fisch.

Ohio Senate candidate JD Vance speaks as former President Donald Trump listens at a campaign rally at Wright Bros. Aero Inc. at Dayton International Airport on Monday, Nov. 7, 2022, in Vandalia, Ohio. ...
J.D. Vance war einst gegen Trump. Heute huldigt er ihm.Bild: keystone

J.D. Vance kommt aus dem benachbarten Middletown. 2016 hat er «Hillbilly Elegy» geschrieben, ein grossartiges Buch darüber, wie es war, in den Siebzigerjahren in Middletown aufzuwachsen und mitzuerleben, wie das Stahlwerk nach und nach die Beine streckte und die Arbeiter den Boden unter den Füssen verloren. Aber in Middletown ist alles ein wenig anders. Die McKinley Street, wo J.D. aufwuchs, ist kein heruntergekommener Slum, sondern eine Strassenzeile mit einfachen, kleinen Häuslein, manche mit porch, alle sauber, nirgendwo das Sammelsurium von alten Autos und zerschlissenen Gartenmöbeln, wie es dort zu sehen ist, wo Amerika richtig arm ist. Zum Beispiel in den Appalachen, wo die hillbillies zu Hause sind, die J.D. beschreibt.

An der McKinley Street steckt nicht ein Wahlplakat im Vorgarten, auch nicht von J.D. Überhaupt fehlt die Wahlwerbung fast allerorten. Das sei kein Wunder, sagt Terry Stevens im grossen Pfandleihhaus im historischen Distrikt. «J.D. ist nicht sehr beliebt hier.» Wieso? «Er hat sich aus dem Staub gemacht, sobald er konnte, ging nach Yale – gehen sie nicht alle nach Yale? – und nach Kalifornien, um einen Haufen Geld zu verdienen.» Und J.D. sei ein Wendehals, der zuerst keinen guten Faden an Donald Trump liess, aber rechtsum kehrtmachte, als er für den US-Senat kandidierte. «So etwas mögen die Leute nicht.»

Video: watson/Corsin Manser, Emily Engkent

In der Tat mochte J.D. den Kandidaten Trump nicht. In «Hillbilly Elegy» schreibt er zwar, dass Trump das Richtige sage, wenn er Zollschutz gegen China und den Wiederaufbau der amerikanischen Industrie fordere, aber als Präsident sei er doch nicht der Richtige. Später kritisierte er ihn als gefährlichen Autokraten, angeblich sogar als «Amerikas Hitler». Das änderte sich, als J.D. Vance beschloss, Politiker zu werden. Er kroch zu Kreuze und gibt sich nun als Trumpist tous azimuts.

«J.D. küsst meinen Arsch»

Dafür erhielt er Trumps endorsement, die offene Unterstützung, aber auch seinen Hohn. Im September trat Trump an einer Wahlversammlung für Vance auf und sagte: «J.D. küsst meinen Arsch, so sehr will er meine Unterstützung.» J.D. stand daneben. Das war im September. Am Montagabend stellt Trump ihn fast auf Augenhöhe, flicht seinen Namen des Öfteren in seine Rede ein («nicht wahr, J.D.» – «da müssen wir ran, J.D.») und komplimentiert ihn als Unabhängigen mit dem Herzen auf dem rechten Fleck: «J.D. und ich sagen dasselbe, aber wir sagen es auf unterschiedliche Weise.»

Als J.D. fertig ist, meint Robert: «Well, schauen wir einmal. Hoffen wir, dass er tut, was er sagt.» Zweifel? «Er ist auf jeden Fall besser als Tim Ryan.» Tim Ryan ist der demokratische Senatskandidat. Er macht etwas, das andere Demokraten sich nicht getrauen. Er distanziert sich offen von Präsident Biden, dem unbeliebten Greis im Weissen Haus. Ryan verlangt, Biden solle in zwei Jahren nicht mehr antreten, und die Demokratische Partei solle einen jüngeren Nachfolger suchen (wohl auch pro domo: Er selbst hatte 2020 kandidiert, aber früh aufgegeben).

U.S. Rep. Tim Ryan, D-Ohio, a candidate for U.S. Senate, answers audience questions during a Fox News town hall debate with Republican candidate JD Vance, Tuesday, Nov. 1, 2022, in Columbus, Ohio. (AP ...
Der Demokrat Tim Ryan ist auf Distanz zu Joe Biden und liegt in den Umfragen gleichauf mit J.D. Vance.Bild: keystone

Ryan sagt, was andere Demokraten so nicht sagen. Er stellt die Wirtschaft ins Zentrum, fordert die Reindustrialisierung von Ohio mit neuen Technologien, verlangt eine Abkehr von der Freihandelspolitik und Schutzzölle gegen die Chinesen, Staatsinvestitionen. In den Umfragen liegt er mit Vance gleichauf, obschon Ohio ein «roter», republikanischer Staat ist. Vance und Trump nennen ihn einen «linken Extremisten». Er stehle die Trump-Themen, habe aber zu hundert Prozent mit Biden gestimmt.

«Das Land braucht eine chill pill»

J.D. Vance redet nur eine halbe Stunde. Dann warten wir auf Trump. Und warten und warten. Der Caudillo hat Verspätung. «Wenigstens ist die Musik gut», meint Ben, ein Mittzwanziger aus Flint (Michigan), seit Kurzem in Dayton. Ben wohnt bei seiner Schwester und ihrem Mann. Aus den Lautsprechern dröhnen Musiker, die sich nicht einmal tot an einer Trump-Veranstaltung hätten blicken lassen. Springsteen, CCR, der tote Tom Petty. Aber auch Phil Collins und Elvis.

Ben ist hier, weil er konservativ ist. «Ich komme aus einer konservativen Familie.» Trump ist da gesetzt. Als er regierte, gab es keine Inflation, sagt Ben. Gefragt, ob er an den Wahlbetrug 2020 glaube, sagt Ben: «Ich weiss es nicht. Ich weiss, dass Trump in der Wahlnacht weit voraus lag, als ich zu Bett ging, und als ich aufwachte, war alles anders. Das macht mich glauben, dass etwas fishy war». Aber wie gesagt, man kann es nicht wissen.

Ben ist kein Fanatiker. Er findet, sowohl Biden als auch Trump seien zu alt und ein Austausch des Personals auf beiden Seiten würde guttun, weil die Spaltung langsam unerträglich werde. «Das Land braucht eine chill pill.» Kennt Ben Leute von der anderen politischen Glaubensrichtung? «Ja. Meine Schwester und ihr Mann». Die Schwester, bei der er wohnt? «Ja. Über Politik reden wir nicht.» Kennt er Leute, die sich ob der Politik die Freundschaft aufkündigten? «Hier nicht. Aber 2016 war ich unten in Tennessee an der Highschool. Es gab Clinton-Anhänger und Trump-Anhänger, die nicht mehr miteinander sprachen.»

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105 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pebbles F.
08.11.2022 11:45registriert Mai 2021
Primitiv.
Keine andere Beschreibung trifft es besser.
21822
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Walter Sahli
08.11.2022 11:42registriert März 2014
Korrupt und verlogen ist das neue "anders"? Das sind mir ja vielleicht Spassvögel!
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JonSerious
08.11.2022 11:54registriert Februar 2015
Aber die Linken sind "gebrainwasht", klar.
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