Sein erstes Ziel hat Richter Juan Merchan bereits erreicht. Die Auswahl der Geschworenen, die in New York in den nächsten Wochen über Ex-Präsident Donald Trump zu Gericht sitzen werden, ist nicht zu einem Spektakel verkommen.
Entgegen den Prognosen ging die Prozedur vielmehr schnell vorwärts. Bereits am Donnerstag waren alle zwölf Geschworenen ausgewählt, die über Trump Gericht sitzen werden. Am Freitag muss nun nur noch die Suche nach Ersatz-Geschworenen abgeschlossen werden.
Anscheinend gibt es auch in New York City, einer Hochburg der Demokratischen Partei, ausreichend Menschen, die sagen: Ich kann unparteiisch beurteilen, ob eine der kontroversesten Figuren der zeitgenössischen Geschichte die Gesetze des Bundesstaates New York gebrochen hat. Trump wird beschuldigt, im Zusammenhang mit einer Schweigegeldzahlung an eine Porno-Schauspielerin im Präsidentschaftswahlkampf 2016 gegen lokale Vorschriften verstossen zu haben.
Etwas weniger erfolgreich war Merchan hingegen bei seiner anderen Hauptaufgabe: der Zähmung des Angeklagten. Immer wieder fiel Trump in den ersten Prozesstagen im Raum 1530 des trutzigen Gerichtsgebäudes an der Südspitze von Manhattan mit seinem Verhalten auf. Der Richter musste ihn sogar scharf ermahnen, er solle es unterlassen, einschüchternde Kommentare über potenzielle Geschworene abzugeben. «Ich werde das nicht tolerieren», sagte der Richter an die Adresse von Trumps Anwälten.
Ausserhalb des Gerichtssaals, im farblosen Korridor des New York County Supreme Courts, kann Trump hingegen sagen, was er will. Vor und nach den Verhandlungen gibt er jeweils Stellungnahmen ab, die an seine Wahlkampfauftritte erinnern. Immer wieder fällt dabei auch der Name von Juan Merchan.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat behauptet, der Richter sei Teil einer politischen Verschwörung, habe es auf ihn abgesehen und wolle ihm den Mund verbieten. Zuletzt beklagte er sich auch darüber, dass der Richter es ihm angeblich verboten habe, Mitte Mai an einer Schulfeier seines jüngsten Sohnes Barron teilzunehmen – obwohl der Richter in dieser Frage noch gar nicht entschieden hatte.
Trump: We are going to continue our fight against this judge. We think he’s totally conflicted. He’s a conflicted judge. There’s never been a judge more conflicted than this one.. We think we have a very conflicted, highly conflicted judge… he’s rushing this trial pic.twitter.com/4KXl6gQmZw
— Acyn (@Acyn) April 16, 2024
Merchan entschied sich bisher, diese Provokationen weitgehend zu ignorieren. Er weiss, dass er auf einem schmalen Grat wandert. Einerseits kann es kein amerikanischer Richter tolerieren, wenn ein Angeklagter ihn derart aggressiv attackiert, immer und immer wieder.
Andererseits ist Trump kein gewöhnlicher Angeklagter. Als Präsidentschaftskandidat einer Grosspartei, der mitten im Wahlkampf steht, hat er einen grösseren Spielraum – auch weil er sich auf seine in der Verfassung verbriefte Redefreiheit berufen kann.
Und natürlich verfolgt Trump mit seinen Sticheleien gegen den angeblich parteiischen Richter auch seine eigene Strategie. Er und seine Anwälte sammeln bereits jetzt Material für eine allfällige Berufung – sollte der Angeklagte tatsächlich von den Geschworenen für «schuldig» gesprochen werden. Merchan ist sich dessen bewusst, weil er Erfahrung mit dieser Taktik hat.
2022 leitete er einen Strafprozess gegen das Familienunternehmen des Ex-Präsidenten; und 2023 schickte der Richter den langjährigen Finanzchef der Trump Organization hinter Gitter. Beide Verfahren gaben Merchan Einblick in die Strategie, mit der Trump die Arbeit der Ermittlungsbehörden zu sabotieren versucht.
Merchan amtiert seit 2006 als Richter, ernannt vom damaligen (parteiunabhängigen) Stadtpräsidenten Michael Bloomberg. Der gebürtige Kolumbianer steht den Demokraten nahe; im Präsidentschaftswahlkampf 2020 spendete er unter anderem 15 Dollar für Präsident Joe Biden.
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Unter New Yorker Juristen geniesst der Lokalrichter grosses Ansehen. Selbst Anwälte von Angeklagten lobten ihn in der Vergangenheit für seine faire Verhandlungsführung und dafür, dass er stets ausgesprochen gut vorbereitet gewesen sei.
Schwer vorstellbar, dass sich auch Donald John Trump, die Hauptfigur im aktuellen Prozess, bald anerkennend über Juan Merchan äussern wird. (aargauerzeitung.ch)