«Meidas Touch» – der linke US-Podcast, der (manchmal) an Joe Rogans Thron rüttelt
Als die Experten nach dem Wahlsieg von Donald Trump vor einem Jahr die Gründe dafür aufzählten, fehlte eine Erwähnung selten: Podcasts.
Trumps jüngster Sohn Baron hatte seinem Vater zu einer Podcasttour geraten. Und dieser besuchte sie alle: Lex Friedman, Theo Von, Logan Paul, Andrew Schulz, Wrestler Mark «The Undertaker» Calaway. Zur Speerspitze der amerikanischen Intellektuellen gehören davon nur wenige. Dafür aber sind sie Könige in Sachen Reichweite.
Einer überstrahlt sie jedoch alle: Joe Rogan. Trumps Auftritt beim Kahlkopf brachte ihm in den ersten drei Tagen ein Publikum von 40 Millionen – und das nur auf YouTube. Auf Spotify (das keine Zahlen herausrückt) dürften noch viele weitere Millionen hinzugekommen sein.
Der Erfolg von Trumps Podcast-Tour blieb auch Harris' Team nicht verborgen. Doch ausser «Call her daddy», dem beliebtesten Podcast bei US-Hörerinnen, waren ihre GastgeberInnen weit weniger illuster. Kein Wunder. Die US-Podcastszene wurde lange Zeit von konservativen Kräften dominiert. Diese profitierten davon, dass sie im Dunstkreis der Mano-Sphere mit Vorreitern wie Andrew Tate, Adin Ross und Jordan Peterson ein bereits mariniertes Publikum abschöpfen konnten. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums herrschte zwar kein Podcast-Vacuum. Die HörerInnenzahlen waren im Vergleich aber verschwindend klein.
Dann kam «Meidas Touch».
Mit seiner explizit klaren Anti-Trump-Haltung gewann das Format nach Trumps zweiter Inauguration explosionsartig Hörer. Die 15-minütigen Episoden waren so beliebt, dass «Meidas Touch» im Februar sowohl auf Spotify als auch bei Apple Quotenking Rogan vom Thron stürzte. Ein zuvor undenkbares Kunststück, das im Verlauf des Jahres noch während weiterer Wochen und auf anderen Plattformen gelang. Aktuell belegt «Meidas Touch» auf YouTube hinter Rogan und Tucker Carlson den dritten Platz aller Podcaster. Mit Brian Tyler Cohen folgt der nächste dezidiert liberal ausgerichtete Kanalhost erst auf Platz elf.
Gegründet wurde «Meidas Touch» zu Beginn der Pandemie 2020 von den drei Brüdern Brett, Ben and Jordan Meiselas als sogenanntes Super PAC. Ein Super PAC (Super Political Action Committee) ist ein politisches Vehikel, das unlimitiert Spenden entgegennehmen kann, dafür aber strenge Regeln einhalten muss. Einem Super PAC ist es beispielsweise nicht erlaubt, Gelder direkt an einen Kandidaten oder eine Partei weiterzuleiten oder sich mit ihnen zu koordinieren. Ausserdem muss das Geld für politische Werbung und Kampagnen eingesetzt werden. Dabei bewiesen die Meiselas-Brothers viel Talent.
Kaum gegründet, schufen die Männer aus New Jersey mit einem Foto von Trumps ausladendem Hintern und dem Hashtag #DiaperDon einen viralen Hit, der sich über Wochen primär auf Elon Musks X hielt. Auch watson.ch berichtete. Später folgten erfolgreiche Videos mit den Titeln «Creepy Trump», «Bye Ivanka», und «Bye Don Jr: Love Me, Daddy».
Damit wäre auch der Stil von «Meidas Touch» geklärt. Dem Präsidenten wird die eigene Medizin verabreicht. Trumps «Unfähigkeit» und die «Scheinheiligkeit der Republikaner» werden in Dauerschlaufe thematisiert aufs Korn genommen, garniert mit Häme, Hohn und Spott. Die Bundesbehörde ICE wird «Gestapo» genannt. Das bisweilen fast hyänenhafte Gelächter der Moderatoren ist denn auch nicht immer leicht bekömmlich.
«Meidas Touch» als pubertäres Gegröle abzutun, wäre indes unfair. Die drei wissen sehr genau, was sie tun: Ben ist Anwalt und vertritt Ex-NFL-Superstar Colin Kaepernick, der durch sein Niederknien während der Nationalhymne vor den Spielen eine enorme Kontroverse in den USA auslöste. Videomann Brett gewann einen Emmy und arbeitete für die Ellen-de-Generes-Show. Jordan ist Marketingfachmann.
2023 benannten sie das Super PAC in «Democracy Defense Action» um. Unter dem Namen «Meidas Touch» agiert nun ein Medienunternehmen mit verschiedenen Produkten. Als Chefredaktor amtet der ehemalige Republikaner Ron Filipkowski. Der ehemalige Strafverteidiger kennt sich bestens mit dem US-Recht aus und wird auch immer wieder als Experte zurate gezogen. Neben Filipkowski hat ein weiterer Ex-Konservativer eine tragende Rolle: Ex-Trump-Anwalt Michael Cohen steuert den Podcast «Mea Culpa» bei.
Im Fahrwasser von «Meidas Trouch» gelang es weiteren liberalen Podcasts wie «TrueAnon», «Know Your Enemy», «Chapo Trap House» oder «Pod saves America» ein (noch) breiteres Publikum zu finden. Letzterer, von ehemaligen Obama-Mitarbeitern gegründet, existiert bereits seit 2017. Im dritten Quartal 2025 klassierte sich «Pod saves America» (16) in den vielbeachteten edison Charts nur noch zwei Plätze hinter «Meidas Touch» (14). Es tut sich was, in den Ohren der Amerikaner. Und langsam finden auch nicht ganz so dröhnende Lautsprecher Gehör.
