Der Bewerber ist erst 43 Jahre alt. Er sitzt erst seit fünf Jahren im Senat. Er hat noch nicht viel erreicht in Washington. Er hat keine Hausmacht in seiner Partei. Und doch will er US-Präsident werden.
Die Ausgangssituation von Marco Rubio erinnert an die des damaligen Senators Barack Obama vor nunmehr neun Jahren. Aber hat Rubio, der Sohn eingewanderter Kubaner, das Zeug zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner? Hat er gar das Zeug zum Präsidenten?
Der Anfang, das muss man dem stets sehr jugendlich und ein bisschen nervös wirkenden Mann zugestehen, ist durchaus geglückt. Im «Freedom Tower» von Miami, wo sich früher Kubas Exilanten für ein neues Leben registrierten, inszeniert er sich als politisches Angebot fürs Kleine-Leute-Amerika und die junge Generation. Eine Mixtur für Einwanderer, Aufsteiger, Jüngere.
Das sind genau jene Gruppen, bei denen die Republikaner als Partei des weissen, alten Mannes nunmehr zwei Präsidentschaftswahlen hintereinander verloren haben.
Rubio trägt dick auf, jede Minute seiner Rede ist voller Symbolik. Immer wieder spricht er von seinen Eltern – der Vater Barkeeper, die Mutter Dienstmädchen – und ihrem amerikanischen Traum. Rubio verkörpert etwas, das selten geworden ist in der US-Politik: Einen Politiker, der es von ganz unten nach oben geschafft hat.
Da kommt es ihm ganz gelegen, dass die schwerreiche und ein ganzes Vierteljahrhundert ältere Hillary Clinton just am Vortag ihre Präsidentschaftskampagne gestartet hat:
Rubio versus Clinton – der unbekanntere Jüngere attackiert die bekanntere Ältere und sucht so seinen Marktwert zu steigern. Damit rückt die Generationenfrage ins Zentrum des beginnenden Wahlkampfs.
Rubio ist nicht der Einzige, der auf dieser Welle reiten will. Der erzkonservative Bewerber Ted Cruz und der radikalliberale Rand Paul, wie Rubio US-Senatoren in ihrer ersten Amtszeit, haben sich schon in den vergangenen Tagen auf Clinton eingeschossen.
Alle gegen Hillary – das ist ein Trend im republikanischen Feld, der sich beim letzten Mal noch vornehmlich selbst zu zerlegen pflegte.
Doch das mag noch kommen. Zu gross sind ja die Unterschiede der Kandidaten, zu gespalten ist die Basis der Partei, zu sehr ideologisch aufgeladen sind die Positionen. Und Marco Rubio trägt noch einen ganz besonderen Gegensatz in den Wahlkampf hinein: den Vater-Sohn-Konflikt.
Denn sollte Floridas Ex-Gouverneur Jeb Bush ebenfalls antreten – viel spricht dafür –, dann muss Rubio ausgerechnet gegen seinen frühen Förderer, seinen politischen Ziehvater und Landsmann in den Debatten und Vorwahlen ran. Die beiden verbindet viel, Bush begleitete Rubios Karriere in Florida, seitdem er den damals 26-Jährigen im Jahr 1998 bei dessen Bewerbung für ein kommunales Amt in Miami kennengelernt hatte. Nicht viel später wurde Rubio ins Landesparlament gewählt, im Jahr 2006 übernahm er die Position des «Speaker» und spielte sich mit dem Gouverneur Bush die Bälle zu.
Stets galt für Rubio eine Prämisse: Nie gegen Jeb. Als er sich 2010 in Florida um den Posten im US-Senat bewarb, klärte er das vorher mit Bush ab. «Wenn er angetreten wäre, hätte ihn niemand in den Vorwahlen herausgefordert, schon gar nicht ich», schrieb Rubio später. Bush half ihm dann, diese Wahl als Underdog zu gewinnen. Noch 2012 warb der Ziehvater für einen Vizepräsidentschaftskandidaten Rubio.
Doch mittlerweile ist die Beziehung abgekühlt, Rubio hat sich emanzipiert. Hätte er denn auch 2016 auf Bush Rücksicht nehmen sollen? Gilt nicht alles, was er in Sachen Generationenfrage über Hillary Clinton sagt, auch für seinen 62-jährigen Ziehvater?
Rubios Chancen auf die Präsidentschaftskandidatur sind keineswegs so schlecht, wie die gegenwärtigen Umfragen sie erscheinen lassen mögen (knapp über fünf Prozent). Wie kaum ein anderer Kandidat ist Rubio in allen Lagern seiner Partei beliebt, er polarisiert weniger als die anderen. Bezeichnend, dass er einst als Tea-Party-Kandidat startete, zwischendurch für eine überparteiliche Einwanderungsreform warb und sich nun als aussenpolitischer Falke gibt.
Alles geht mit Rubio.
Einer NBC-Erhebung zufolge sagen 56 Prozent der Republikaner-Wähler, sie könnten sich vorstellen, in den Vorwahlen für ihn zu stimmen. Selbst wenn es also nicht für die Kandidatur reicht, würde Rubio noch immer einen guten Kandidaten für die Vizepräsidentschaft abgeben.
Ausser, wenn die Nummer eins der Republikaner Jeb Bush heissen sollte.