Er ist nicht der archetypische amerikanische Gangster: 1,90 Meter gross, schlank, sportlich, aufgewachsen in der oberen Mittelschicht in einem Vorort von Austin, Texas, mit dem gewinnenden Lächeln eines Hollywood-Stars. Weder als Pfadfinder, Naturfreund, noch als erfolgreicher und beliebter Schüler zeichnete sich die kriminelle Karriere von Ross Ulbricht ab. Und doch wurde aus dem Traumschwiegersohn und Physikstudent der Eliteuniversität Penn-State einer der meistgesuchten Verbrecher der USA.
Seine kriminelle Energie entfaltete sich im Verlauf seiner Universitätskarriere in Pennsylvania. Der junge Student begann, sich immer mehr mit amerikanischer Politik zu beschäftigen. Nach dem Studium der Schriften des österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises wuchs in ihm die libertäre Überzeugung, der Staat sei primär ein Teufelswerk.
Er entschloss sich, etwas dagegen zu unternehmen, dabei aber auch steinreich zu werden: «Ross wollte jemand sein. Nicht auf eine böse Art und Weise, aber ja, er wollte jemand sein – und viel Geld verdienen», beschreibt ihn ein Studienkollege in einer der zahlreichen Dokus, die seither über den polarisierenden Mann gedreht wurden.
Bewaffnet mit nur einem Laptop, ein paar psilocybinhaltigen Pilzen und einer Webseite, die nur über das anonyme Tor-Netzwerk erreicht werden konnte, schuf er im Januar 2011 in einer unscheinbaren Wohnung in Austin einen virtuellen Umschlagplatz für illegale Güter und Dienstleistungen. Dieses ebay für Kriminelle nannte er Silk Road. Und der Erfolg von Silk Road war umwerfend.
Nachdem er in einem Magic-Mushroom-Forum auf sein Angebot hinwies, explodierten innerhalb weniger Monate sowohl Angebot als auch Nachfrage. Neben schwächeren Drogen wie Cannabis, LSD und Ecstasy boten Kriminelle aus aller Welt auch harte Drogen wie Kokain und Heroin feil. Geliefert wurde per Post.
Mit zunehmendem Erfolg diversifizierte sich auch das Angebot: Bald schon konnten auch gefälschte Dokumente auf Silk Road erworben werden, perfekte Imitationen von Führerausweisen aus verschiedenen Bundesstaaten und Ländern (Ulbricht besass selbst unzählige davon), gefälschte Reisepässe, Waffen, Kreditkarten-Auszüge und Sozialversicherungs-Karten. Auch Dienstleistungen konnten erworben werden: Hacks von Webseiten beispielsweise – oder von Social-Media-Profilen ... DDos-Attacken, Identitätsdiebstähle, Erpressung usw. Silk Road war der unangefochtene und sichere Online-Tummelplatz für Schelme, Schurken und Übeltäter.
Und das Angebot traf auf Nachfrage. Bevor Silk Road von den Behörden 2013 geschlossen werden konnte, zählte die Plattform über 100’000 aktive Kunden. Es wird geschätzt, dass der Umschlagplatz während seiner knapp dreijährigen Existenz ca. 200 Millionen Dollar umsetzte. Ulbricht selbst soll dabei bis zu 13 Millionen Dollar verdient haben. In der Zeit können mindestens sechs Todesfälle direkt mit dem Konsum von Silk-Road-Drogen in Verbindung gebracht werden. So starb beispielsweise der 27-jährige Jordan M. an einer Heroin-Überdosis. Der Mann starb vor seinem Computer, eingeloggt in Silk Road.
Obwohl die Behörden schnell auf den illegalen Umschlagplatz aufmerksam wurden, gelang es ihnen lange Zeit nicht, den Drahtzieher dahinter mit dem Pseudonym «Dread Pirate Roberts», DPR, zu identifizieren. Zu geschickt ging DPR vor.
Doch auch die Cybersecurity-Abteilung des FBI agierte nicht dumm – und wie sich später herausstellte, genauso kriminell. Verschiedene Undercover-Agenten legten sich Silk-Road-Profile an. Besonders eifrig war dabei Agent Carl Mark Force. Er nutzte die Anonymität des Tor-Netzwerks, um mit verschiedenen Profilen mit Ulbricht in Kontakt zu treten. Einmal, um diesen auszuhorchen, ein andermal, um diesem unter einem anderen Pseudonym Informationen zu den laufenden Ermittlungen zukommen zu lassen. Für diese Dienste liess sich FBI-Agent Force fürstlich entlöhnen. Während der zweijährigen Ermittlungen zahlte er dreimal mehr Geld auf seine Bankkonten ein, als er mit seinem Job regulär verdiente.
Force investierte in Immobilien, bezahlte Hypotheken ab, kaufte Aktien und überwies 235’000 Dollar auf ein Konto in Panama.
Als ein Kunde DPR drohte, verschiedene Silk-Road-Mitarbeiter zu enttarnen, bot Force Ulbricht unter einem weiteren Pseudonym an, den Erpresser zu beseitigen. Beim mutmasslichen Opfer handelte es sich um Forces FBI-Kollegen Shaun Bridges. Dieser hatte während der Ermittlungen ebenfalls 800'000 Dollar in die eigene Tasche abgezweigt. Als Ulbricht Force über 600’000 Dollar in Bitcoin überwies, stellten die Agenten Bridges Tod.
Am Ende verriet ein Gmail-Account Ross Ulbricht. Festgenommen wurde er im Oktober 2013 in einer Bibliothek in San Francisco. Er sass dabei gerade vor seinem Computer. Mit Ulbricht verschwand auch Silk Road. Sein Kreuzzug gegen das System hatte keine drei Jahre gedauert.
2015 hielt ihn ein Gericht in New York in sieben Anklagepunkten für schuldig. Anstiftung zum Mord gehörte allerdings nicht dazu. Das Verdikt von zwei lebenslänglichen Haftstrafen plus 40 Jahre Zuchthaus ohne Möglichkeit auf vorzeitige Haftentlassung wurde deshalb in verschiedenen Kreisen als extrem unverhältnismässig taxiert. Das sowieso schon staatskritische libertäre Lager protestierte: An Ulbricht werde ein Exempel statuiert – seine Vergehen, so das Hauptargument, seien allesamt gewaltlos gewesen.
Doch die Härte des Verdikts half, den Mythos Ulbricht zu nähren. Längst haftete ihm der Ruf eines Neo-Wilhelm-Tell an, eines Che Guevara 2.0. Die weltweite «Free Ross»-Bewegung entstand – auch in der Schweiz sieht man gelegentlich die entsprechenden Solidarisierungsaufforderungen in Form von Sprayereien.
Diese dürfen nun getrost abgewaschen werden: Donald Trump begnadigte gestern den einst meistgesuchten Verbrecher der USA. Ulbricht ist bereits auf freiem Fuss.
Interessant in diesem Zusammenhang ist Trumps Argumentarium. Er begründet seinen Gnadenakt auf Truth Social damit, dass er damit die libertäre Bewegung ehren wolle, weil diese ihn beim Wahlkampf so prominent unterstützt habe. Ausserdem handle es sich bei der verurteilenden Instanz um Leute, die auch ihn verfolgt hätten.
Gefälligkeitsjustiz als ausgleichende Gerechtigkeit?
Die Gründe, weshalb er frei kam, werden Ross Ulbricht nicht kümmern. Auch wenn es sich dabei um erste kräftige Indizien dafür handelt, wie die juristische Willkür in den nächsten vier Jahren grassieren wird.
Die Anklage gegen Ross Ulbricht wegen Anstiftung zu Mord wurde 2018 fallengelassen.
Agent Carl Mark Force wurde 2015 zu 6,5 Jahren Gefängnis verurteilt. Agent Shaun Bridges erhielt 5 Jahre und 11 Monate.
Ich glaube, so mancher, der Trump gewählt hat, weil er keine Frau als Präsidentin haben wollte, bereut seine Wahl schon. Vor allem, weil niemand weiss,was noch kommt. Trump muss weg!