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Schiesswütiger US-Polizist: Der Handyfilmer stand Todesängste aus

Ein Sheriff hält eine Kerze bei einem Protestmarsch nach der Tötung des Schwarzen Walter Scott.
Ein Sheriff hält eine Kerze bei einem Protestmarsch nach der Tötung des Schwarzen Walter Scott.Bild: Chuck Burton/AP/KEYSTONE

Schiesswütiger US-Polizist: Der Handyfilmer stand Todesängste aus

09.04.2015, 04:4809.04.2015, 13:42
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Ein Handyvideo zeigt die Tat: Der Polizist Michael Slager schiesst den unbewaffneten Schwarzen Walter Scott acht mal in den Rücken, als dieser von ihm flüchtet. Erstmals meldet sich nun der Urheber der Aufnahme zu Wort.

Warnhinweis: Gewaltszene mit Todesfolge

Feiden Santana, ein 23-Jähriger Coiffeur, Amerikaner mit Wurzeln aus der Dominikanischen Republik, war auf dem Weg zur Arbeit, als er auf die Situation aufmerksam wurde.

Bevor er die Aufnahme startete, hätten der Polizist und der 50 Jahre alte Afroamerikaner eine körperliche Auseinandersetzung gehabt, sagte Santana dem TV-Sender NBC.

«Sie waren auf dem Boden. Ich erinnere mich, dass der Polizist die Kontrolle über die Situation hatte.» Das Opfer habe nur noch weglaufen wollen und sei keine Bedrohung gewesen. «Ich konnte den Taser hören, bevor ich aufgenommen habe. Ich glaube, er wollte nur vor dem Taser flüchten», so Santana.

Der 23-Jährige glaubt, dass die Beamten gar nicht realisierten, dass er die Aufnahmen tätigte. «Niemand bemerkte, dass ich das Video drehte», sagte Santana gegenüber dem NBC-Journalisten Lester Holt. 

«Später wiesen mich die Polizisten an, mich vom Tatort zu entfernen. Ich ging dann zur Arbeit», erinnert sich Santana.

Santana war sich bewusst, dass die Aufnahmen auf seiner Kamera äussert brisante Informationen darstellten. Er überlegte sich sogar, die Aufnahmen zu löschen. Aber als er hörte, wie die Polizei den Fall den Medien präsentierte, entschied er sich, das Video zu veröffentlichen.

«Ich hatte Angst um mein Leben, an einem Punkt dachte ich sogar daran, die Stadt zu verlassen. Dann las ich den Polizeirapport, hörte, wie die Medien den Fall präsentierten, und wusste, dass ich mit dem Video an die Öffentlichkeit gehen muss.»

Er habe immer noch Angst, so Santana, aber er wisse nun, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Was wäre passiert, wenn das Video nie das Licht der Öffentlichkeit erblick hätte? «Dann», zeigt sich Santana überzeugt, «wäre nichts passiert.» 

Der Park, in dem der 50-Jährige Afroamerikaner Walter Scott erschossen wurde, liegt an Santanas Arbeitsweg. Er werde ich Zukunft aber einen anderen Weg zu seiner Arbeit in einem Coiffeur-Studio gehen, so Santana. 

Und weiter: «Der Beamte hat eine falsche Entscheidung getroffen, und man bezahlt für seine Entscheidungen ein Leben lang.» 

Auch das FBI ermittelt

Nach den tödlichen Schüssen hat auch die Bundespolizei FBI mit Ermittlungen begonnen. Die Behörde prüft unter anderem, ob der 33 Jahre alte Beamte eine Bürgerrechtsverletzung begangen hat.

Der auf Video festgehaltene neue Fall tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze löste in den USA grosse Empörung aus. Der Beamte wurde wegen Mordes angeklagt. Zudem sei der Schütze aus der Polizeiabteilung entlassen worden, gab der Bürgermeister von North Charleston im Bundesstaat South Carolina, Keith Summey, bekannt.

Zwei tödliche Treffer

Laut «New York Times» schoss der Polizist achtmal. Der Flüchtende wurde fünfmal getroffen, davon viermal im Rücken, wie die Lokalzeitung «Post and Courier» unter Berufung auf die Obduktionsergebnisse berichtete. Zwei Treffer seien tödlich gewesen.

Bürgermeister Summey hatte zusammen mit dem städtischen Polizeichef Eddie Driggers die Angehörigen des getöteten Schwarzen besucht. «Bitte betet für die Familie», bat Summey die Bevölkerung.

Bürgermeister Keith Summey gibt Auskunft zu den Ereignissen rund um die Tötung von Walter Scott.
Bürgermeister Keith Summey gibt Auskunft zu den Ereignissen rund um die Tötung von Walter Scott.Bild: Getty Images North America

Summey sagte, der Polizist habe eine falsche Entscheidung getroffen. «Wenn man falsch liegt, liegt man falsch», erklärte der Bürgermeister. Er äusserte aber auch Mitgefühl für die Familie des Schützen: Dessen Frau ist im achten Monat schwanger. (trs/rey/sda/dpa)

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