Derzeit grassiert die grösste je dokumentierte Vogelgrippewelle. In den USA infizierte sich nun erstmals ein Kind. In Kanada kämpft ein Teenager mit einem mutierten Virus.
Zwei Vogelgrippe-Fälle bei einem Kind und einem Teenager in Nordamerika geben Wissenschaftlern Anlass zur Sorge. Zum einen wurde in den USA die erste Infektion eines Kindes mit dem Vogelgrippe-Virus H5N1 festgestellt. Zum anderen entdeckten Fachleute die Vogelgrippe in einem kanadischen Teenager. Das Virus in dem Heranwachsenden sei mutiert und habe sich an den menschlichen Wirt angepasst, erklärten Virologen.
Der kanadische Teenager wurde vor etwa zwei Wochen in einem kritischen Zustand in ein Krankenhaus eingeliefert, wie die kanadische Regierung erklärte. Medienberichten zufolge befand sich der Jugendliche zuletzt weiter in Behandlung. Trotz der Anpassung des Virus gebe es keine Hinweise darauf, dass sich andere Menschen bei dem Teenager angesteckt hätten, berichteten mehrere Medien übereinstimmend.
Das US-amerikanische Kind, das in eine Kindertageseinrichtung in Kalifornien ging, zeigte nur leichte Symptome. Alle Tests bei Familienmitgliedern fielen negativ aus, wie die US-Gesundheitsbehörde CDC berichtete. Mensch-zu-Mensch-Übertragungen wurden bislang weder in den USA noch in Kanada nachgewiesen. Die Behörden in beiden Ländern schätzen das Risiko für die Bevölkerung weiterhin als gering ein.
In beiden Fällen wird offiziellen Angaben zufolge noch untersucht, wo die Ansteckung passiert sein könnte. Die Vogelgrippe H5N1 ist derzeit bei Wildvögeln auf der ganzen Welt weit verbreitet, auch zahlreiche wildlebende Säugetiere infizierten sich. Ausserdem führte das Virus jüngst zu Ausbrüchen in Geflügelbetrieben in Kanada sowie in Milchbetrieben in den USA.
In den USA gab es bislang 55 nachgewiesene Fälle einer H5N1-Infektion. Wie gross das Ausmass wirklich ist, ist wegen fehlender Daten aber weitgehend unklar. Die meisten Menschen infizierten sich dabei auf Milchviehbetrieben, da das Virus in den USA unter Kühen grassiert. Die Verläufe waren mild; meist äusserte sich die Krankheit durch eine Bindehautentzündung, weil das Virus wohl über die Augen in den Körper eintrat.
In Kanada hingegen weist das spezifische Virus nach offiziellen Angaben darauf hin, dass sich der Jugendliche bei einem Vogel angesteckt hat. Auf Geflügelfarmen und bei Wildvögeln in der Region seien ähnliche Viren gefunden worden. Wie das Fachjournal «Nature» berichtete, lassen die spezifischen Mutationen des Virus darauf schliessen, dass diese H5N1-Variante auch die menschlichen Atemwege leichter infizieren kann. Das Virus habe sich möglicherweise in dem Teenager weiterentwickelt.
Der Virologe Jesse Bloom vom Fred Hutchinson Cancer Cente sagte dem US-Sender CNN, es sei eine der ersten Male, dass die Wissenschaft wirklich Beweise für diese Art von Anpassungsmutationen an den Menschen in H5N1 sehe. Die drei entdeckten Mutationen befinden sich an Stellen, die es dem Virus wahrscheinlich leichter machen, sich an menschliche Zellen anzuheften.
Die Entwicklung sei zwar beunruhigend, bedeute aber nicht, dass eine neue Pandemie unmittelbar bevorstehe, zitierte «Nature» den Immunologen Scott Hensley von der University of Pennsylvania in Philadelphia. «Es gibt Grund zur Besorgnis», sagte er. «Aber keinen Grund, völlig auszuflippen.»
Weltweit sind seit dem Beginn des derzeitigen H5N1-Ausbruchs dem «Nature»-Bericht zufolge etwa 900 Infektionen in Menschen nachgewiesen worden. In den allermeisten Fällen hatten diese direkten Kontakt zu kranken Tieren. (rbu/sda/dpa)