Zwei Tage nach Beginn der Sturzfluten im Süden der USA werden die schrecklichen Ausmasse deutlicher: Immer mehr Kinder haben die Überschwemmungen, die für viele überraschend kamen, nicht überlebt. Ein christliches Sommercamp («Camp Mystic») in Texas wurde durch die Fluten verwüstet, nach elf Campern und einem Betreuer wird immer noch gesucht. In dem US-Bundesstaat werden immer mehr Todesfälle bekannt. Und es regnet wieder.
Am Sonntagnachmittag hatten die Behörden diesen Stand: In dem Gebiet Kerr County, in dem auch das Sommercamp liegt, gab es weiterhin 59 Tote – 21 Kinder und 38 Erwachsene. Im Gebiet von Zentraltexas wurden 10 Tote bestätigt. Damit steigt die Zahl der Todesfälle auf rund 70. Nicht alle Leichen waren schon identifiziert.
Im gesamten Bundesstaat werden den Behörden zufolge noch rund 40 Menschen vermisst. Vor allem nach den Vermissten aus «Camp Mystic», einem christlichen Sommercamp für Mädchen, wird gesucht. In in der Gegend um Kerrville zelteten viele Erwachsene in der Nähe des Wassers und waren mit Wohnmobilen angereist.
Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, besuchte nach eigenen Angaben am Samstag das Camp Mystic. Er sei schockiert gewesen, schrieb er auf der Plattform X. Die Anlage sei auf eine Weise verwüstet worden, «wie ich es bei keiner Naturkatastrophe erlebt habe». Wasser habe bis zum Dach der Hütten gestanden. «Wir werden nicht aufhören, bis wir alle Mädchen gefunden haben, die in diesen Hütten waren.» Für den heutigen Sonntag rief er einen Tag des Gebetes in dem Bundesstaat aus. Es gab zum Beispiel einen Gottesdienst, in dem für die Opfer gebetet wurde.
US-Präsident Donald Trump schob mit einer Katastrophenfallerklärung weitere Bundeshilfen für das Gebiet an. Am Sonntag waren im Hauptgebiet Kerr County mehr als 400 Rettungshelfer unterwegs. Auch ein Dutzend Hunde wurden bei der Suche eingesetzt. Es wurde in der Luft, auf dem Wasser und am Boden nach den Vermissten gesucht. Zugleich warnten die Behörden davor, eigene private Drohnen fliegen zu lassen, um nach Vermissten zu suchen. Das behindere die Arbeit der Helfer.
Das lokale Fernsehen zeigte Schwarz-Weiss-Fotos von Opfern, immer mehr Schicksale wurden bekannt. Es waren kleine Kinder, Jugendliche, Eltern, die die Fluten, die am Freitagmorgen das Gebiet erfassten, nicht überlebten. Das verlängerte Wochenende mit dem nationalen Feiertag am 4. Juli nutzten viele, um in ein Sommercamp zu gehen oder am Flussufer zu zelten.
Wie die «New York Times» berichtete, hatten Eltern der Camp-Mystic-Teilnehmerinnen am Freitag nur eine kurze E-Mail erhalten: «Wir haben katastrophale Überschwemmungen erlitten», habe es darin geheissen. «Wenn ihre Tochter nicht gefunden wurde, haben wie Sie benachrichtigt. Wenn Sie nicht persönlich kontaktiert wurden, ist ihre Tochter in Sicherheit.»
Ein zehnjähriges Mädchen hatte Glück, wie ihre Mutter der «New York Times» berichtete: Ihre Hütte habe hoch genug gelegen, dass sie dort auf ihre Rettung warten konnte. Eine andere Teilnehmerin habe mitten in der Nacht durch reissende Wassermassen bis zu einer Empore laufen müssen. Dort habe sie eine schlaflose Nacht verbracht, während unter ihr das Wasser anstieg. Am nächsten Tag sei sie mit dem Hubschrauber gerettet worden. Den Flug habe sie nur als «laut» beschrieben.
Zahlreiche Eltern der Vermissten hoffen noch auf solche Happy Ends. Insgesamt wurden nach Angaben der Behörden mehr als 850 Menschen unverletzt gerettet. Acht Menschen wurden demnach verletzt. Die Menschen hätten sich zum Teil auf Bäume gerettet, um nicht von den Fluten mitgerissen zu werden.
Die Lage in dem Gebiet war unübersichtlich. Am Samstag gab es zum Teil keinen Strom und kein Internet. Fernsehbilder zeigten, wie Autos mitgerissen wurden, Bäume entwurzelt waren, Häuser unter Wasser standen. Zum Teil wurden Leichen in Autos gefunden, die weggespült worden waren. Das gesamte Ausmass der Katastrophe ist unklar. Das ländliche Gebiet im Süden der USA hatten viele Amerikaner genutzt, um am verlängerten Wochenende an Flüssen zu campen.
Die heftigen Überschwemmungen seit Freitagmorgen hatten viele Menschen überrascht. In der für Sommercamps beliebten Gegend ist es nach Behördenangaben nicht unüblich, dass Flüsse über die Ufer treten. Allerdings war die Dimension ungewöhnlich.
Der Guadalupe River sei ein Zusammenfluss zweier Quellarme, erklärte der Stadtverwalter von Kerrville, Dalton Rice, auf einer Pressekonferenz am Samstagabend. Auf beide habe es stark geregnet. Vor Kerrville seien die Wassermassen dann im Guadalupe River zusammengeflossen, was zu dem schnellen Anstieg des Pegelstandes geführt habe.
Extreme Regenfälle hätten in Texas in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund des Klimawandels zugenommen, sagte Kristina Dahl, Vizepräsidentin für Wissenschaft bei der gemeinnützigen US-Organisation Climate Central dem Sender CNN. «Da sich unser Klima erwärmt, kann die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen - das macht es wahrscheinlicher, dass wir extreme Regenfälle wie diese erleben», sagte Dahl. Die vielen Todesfälle verdeutlichten nun, «wie unvorbereitet wir als Nation auf Katastrophen dieses Ausmasses sind, ganz zu schweigen von dem, was mit der weiteren Erwärmung unseres Planeten noch kommen wird».
US-Präsident Donald Trump postete am Samstag auf der Plattform Truth Social: «Melania und ich beten für alle Familien, die von dieser furchtbaren Tragödie betroffen sind.» Und: «GOTT SEGNE DIE FAMILIEN, UND GOTT SEGNE TEXAS!» Heimatschutzministerin Kristi Noem kam nach Texas und versprach mehr Hilfe. (rst/cmu/sda/dpa)
Was anderes fällt denen nicht ein?
Wenn Überschwemmungen in der Gegend häufiger sind, warum wurden diese Camps überhaupt genehmigt? Von der Anwesenheit der Camper im gefährdeten Gebiet ganz zu schweigen. Kann es sein, dass eventuelle Parkranger weggesperrt wurden?