Ihr Blick ist konzentriert. Ihre Stimme selbstbewusst. Und wenn sie spricht, kommt sie ohne Umschweife zum Punkt. Keine Frage. Stella Moris-Assange hat ein klares Ziel vor Augen: die Freilassung ihres Mannes, dessen Auslieferung von Grossbritannien an die USA näher rückt. In den Vereinigten Staaten droht Julian Assange wegen Spionagevorwürfen eine Gefängnisstrafe von 175 Jahren. Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks hatte im Jahr 2010 Hunderttausende brisante US-Dokumente publik gemacht, die auch Menschenrechtsverletzungen durch amerikanische Streitkräfte im Irak und in Afghanistan zutage förderten.
«Mein Mann ist eine sehr starke Person», betonte Stella Moris-Assange am Montag bei einem Auftritt beim Schweizer Presse-Club in Pregny-Chambésy (GE). Sein Gesundheitszustand verschlechtere sich indes zusehends, sei der 52-Jährige doch schon seit 2010 «kein freier Mann» mehr. «Julian kann jederzeit einen katastrophalen, gesundheitlichen Zwischenfall erleiden», warnte seine Frau, die ihn mit den beiden gemeinsamen Kindern ein- bis zweimal pro Woche im englischen Gefängnis Belmarsh besuchen darf.
Dort ist Julian Assange seit April 2019 inhaftiert. Zuvor hatte er rund sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London Zuflucht erhalten.
Die Justiz-Saga um die Überführung Assanges in die USA neigt sich nun ihrem Ende zu. Im Juni hat der Londoner High Court die Berufung gegen den Auslieferungsbefehl des britischen Justizministeriums abgewiesen. Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist hängig.
Das bald erwartete Urteil sei «die letzte Chance», um die Auslieferung innerhalb des britischen Justizsystems zu stoppen, stellte Stella Moris-Assange klar. Andernfalls bleibe nur die Hoffnung, dass eine Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufschiebende Wirkung habe. Weltweite politische Unterstützung sei deshalb wichtiger denn je.
Stella Moris-Assange sieht auch die Schweiz in der Pflicht: Der Bundesrat könne mit Gesprächen hinter den Kulissen etwas bewegen und «das richtige Klima für Lösungen schaffen».
Politikerinnen und Politiker aus Genf - drei Nationalräte und über 30 Kantonsparlamentarierinnen aller Parteien - fordern Aussenminister Ignazio Cassis in einem Brief ebenfalls zum Handeln auf. Er wird am Dienstag abgeschickt.
Der Gesamtbundesrat hatte sich bereits 2017 zum Fall Assange positioniert. Im Zuge eines Vorstosses von SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor verneinte er, dass der Wikileaks-Gründer als Menschenrechtsverteidiger mit besonderem Schutz anzuerkennen ist. Julian Assange sei «Informatikexperte, Investigationsjournalist und politischer Aktivist», der nicht die Absicht gehabt hätte, durch die von ihm aufgedeckten Verstösse die Menschenrechte zu fördern.
An dieser Position hat sich gemäss Angaben des Aussendepartements (EDA) nichts geändert. Auf die Frage, ob Schritte geplant seien, um sich für Julian Assange einzusetzen, hält das EDA fest: «Die Schweiz verfolgt den Fall von Herrn Assange seit Jahren aufmerksam und thematisiert die Bedeutung menschenrechtskonformer Haftbedingungen gegenüber den britischen Behörden.»
Diese wenig verheissungsvollen Signale werden Stella Moris-Assange nicht daran hindern, ihren Kampf fortzusetzen. Laut ihr steht viel mehr auf dem Spiel als das Schicksal ihres Mannes. Dessen Strafverfolgung sei eine Botschaft an die ganze Medienlandschaft, meint sie. «Wird die Öffentlichkeit als Feind des nationalen Interesses betrachtet, dann ist jeder Journalist ein Spion.»
Das ganze Gelaber vom Einsatz für Menschenrechte, hehren Werten und politischer Selbstständigkeit: Eine Lüge
Ein Trauerspiel.