International
Wikileaks

Julian Assange: Seine Frau appelliert – Schweizer Reaktion zurückhaltend

Eine Montage mit Wikileaks-Gründer Julien Assange.
Bild: watson/keystone

«Dann ist jeder Journalist ein Spion»: Frau von Julian Assange appelliert an die Schweiz

Dem Wikileaks-Gründer drohen wegen Spionagevorwürfen die Auslieferung von London an die USA – und 175 Jahre Haft. Seine Ehefrau lanciert einen letzten Appell an die Weltgemeinschaft. Die Schweiz reagiert zurückhaltend.
11.07.2023, 09:18
Julian Spörri, Genf / ch media
Mehr «International»

Ihr Blick ist konzentriert. Ihre Stimme selbstbewusst. Und wenn sie spricht, kommt sie ohne Umschweife zum Punkt. Keine Frage. Stella Moris-Assange hat ein klares Ziel vor Augen: die Freilassung ihres Mannes, dessen Auslieferung von Grossbritannien an die USA näher rückt. In den Vereinigten Staaten droht Julian Assange wegen Spionagevorwürfen eine Gefängnisstrafe von 175 Jahren. Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks hatte im Jahr 2010 Hunderttausende brisante US-Dokumente publik gemacht, die auch Menschenrechtsverletzungen durch amerikanische Streitkräfte im Irak und in Afghanistan zutage förderten.

«Mein Mann ist eine sehr starke Person», betonte Stella Moris-Assange am Montag bei einem Auftritt beim Schweizer Presse-Club in Pregny-Chambésy (GE). Sein Gesundheitszustand verschlechtere sich indes zusehends, sei der 52-Jährige doch schon seit 2010 «kein freier Mann» mehr. «Julian kann jederzeit einen katastrophalen, gesundheitlichen Zwischenfall erleiden», warnte seine Frau, die ihn mit den beiden gemeinsamen Kindern ein- bis zweimal pro Woche im englischen Gefängnis Belmarsh besuchen darf.

Stella Moris, wife of WikiLeaks founder Julian Assange, smiles as she arrives for a news conference, at the Geneva Press Club in Geneva, Switzerland, Monday, July 10, 2023. (Salvatore Di Nolfi/Keyston ...
Stella Moris-Assange am 10. Juli 2023.Bild: keystone

Dort ist Julian Assange seit April 2019 inhaftiert. Zuvor hatte er rund sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London Zuflucht erhalten.

Entscheidendes Urteil bald erwartet

Die Justiz-Saga um die Überführung Assanges in die USA neigt sich nun ihrem Ende zu. Im Juni hat der Londoner High Court die Berufung gegen den Auslieferungsbefehl des britischen Justizministeriums abgewiesen. Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist hängig.

Das bald erwartete Urteil sei «die letzte Chance», um die Auslieferung innerhalb des britischen Justizsystems zu stoppen, stellte Stella Moris-Assange klar. Andernfalls bleibe nur die Hoffnung, dass eine Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufschiebende Wirkung habe. Weltweite politische Unterstützung sei deshalb wichtiger denn je.

FILE - WikiLeaks founder Julian Assange greets supporters on May 19, 2017, outside the Ecuadorian Embassy in London, where he has been in self imposed exile since 2012. Australian Prime Minister Antho ...
Julian AssangeBild: keystone

Stella Moris-Assange sieht auch die Schweiz in der Pflicht: Der Bundesrat könne mit Gesprächen hinter den Kulissen etwas bewegen und «das richtige Klima für Lösungen schaffen».

Politikerinnen und Politiker aus Genf - drei Nationalräte und über 30 Kantonsparlamentarierinnen aller Parteien - fordern Aussenminister Ignazio Cassis in einem Brief ebenfalls zum Handeln auf. Er wird am Dienstag abgeschickt.

EDA thematisiert Haftbedingungen

Der Gesamtbundesrat hatte sich bereits 2017 zum Fall Assange positioniert. Im Zuge eines Vorstosses von SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor verneinte er, dass der Wikileaks-Gründer als Menschenrechtsverteidiger mit besonderem Schutz anzuerkennen ist. Julian Assange sei «Informatikexperte, Investigationsjournalist und politischer Aktivist», der nicht die Absicht gehabt hätte, durch die von ihm aufgedeckten Verstösse die Menschenrechte zu fördern.

An dieser Position hat sich gemäss Angaben des Aussendepartements (EDA) nichts geändert. Auf die Frage, ob Schritte geplant seien, um sich für Julian Assange einzusetzen, hält das EDA fest: «Die Schweiz verfolgt den Fall von Herrn Assange seit Jahren aufmerksam und thematisiert die Bedeutung menschenrechtskonformer Haftbedingungen gegenüber den britischen Behörden.»

Diese wenig verheissungsvollen Signale werden Stella Moris-Assange nicht daran hindern, ihren Kampf fortzusetzen. Laut ihr steht viel mehr auf dem Spiel als das Schicksal ihres Mannes. Dessen Strafverfolgung sei eine Botschaft an die ganze Medienlandschaft, meint sie. «Wird die Öffentlichkeit als Feind des nationalen Interesses betrachtet, dann ist jeder Journalist ein Spion.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Fanfj
11.07.2023 09:32registriert Dezember 2020
Assange ist wie Snowden oder Manning ein Held bzw. Heldin. Aber in der CH werden Whistleblower nicht verehrt sondern geächtet. Stattdessen finden sie Schutz bei Ecuador oder so wie Snowden beim bösen Russland. Wir sollten dringend unsere Prioritäten überdenken.
4411
Melden
Zum Kommentar
avatar
El_Chorche
11.07.2023 09:17registriert März 2021
Die offizielle Schweiz wie man sie kennt: Ducken, wenn der Ami poltert, folgen, wenn er fordert.

Das ganze Gelaber vom Einsatz für Menschenrechte, hehren Werten und politischer Selbstständigkeit: Eine Lüge

Ein Trauerspiel.
4113
Melden
Zum Kommentar
24
Robert Habeck fordert Milliardärsteuer
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck will Schulen sanieren und Auszubildende bei den Kosten für einen Führerschein unterstützen. Eine Idee für eine Geldquelle hat er bereits.

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck spricht sich für eine Milliardärsteuer aus. Es gebe einige Milliardäre in Deutschland, sagte der Bundeswirtschaftsminister der «Bild am Sonntag». «Wenn man da einen kleinen Anteil ihres Vermögens besteuern würde, dann hätte man ungefähr fünf bis sechs Milliarden Euro.» Habeck sprach sich dafür aus, mit den Einnahmen Schulen zu sanieren sowie in die Ausstattung und das Personal der Schulen zu investieren.

Zur Story