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Wirecard-Prozess: Brief von Marsalek löst Streit im Gericht aus

Konzernchef Markus Braun steht ganz sch
Da war die Welt noch in Ordnung: Der frühere Wirecard-Vorstandschef, Markus Braun, sitzt mittlerweile auf der Anklagebank. Bild: sda

Wirecard-Prozess: Brief von Marsalek löst Streit im Gericht aus

Ein Brief von Jan Marsalek soll Markus Braun im Wirecard-Prozess entlasten. Doch der zuständige Richter will ihn nicht in die Verhandlungen einführen.
19.07.2023, 12:3619.07.2023, 12:36
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t-online

Im Strafprozess um die milliardenschwere Pleite des Zahlungsabwicklers Wirecard sorgt ein Brief des untergetauchten Ex-Vorstands Jan Marsalek für Streit.

Während die Verteidiger des angeklagten früheren Chefs Markus Braun in der Verhandlung des Landgerichts München am Mittwoch eine Verlesung des bisher nicht veröffentlichten Schreibens an die Strafkammer forderten, lehnte der Vorsitzende Richter Markus Födisch dies vorläufig ab. Er sehe kaum Möglichkeiten, den Brief in die Gerichtsverhandlung einzuführen, sagte Födisch ohne nähere Begründung. Darüber entscheiden werde er zu einem späteren Zeitpunkt.

Zwei mutmassliche Komplizen des Ex-Wirecard-Managers Jan Marsalek wurden festgenommen. (Symbolbild)
Fahndungsplakat.Bild: sda

Brauns Anwälte Alfred Dierlamm und Nico Werning protestierten, da Marsaleks Brief wesentliche Angaben zu Brauns Entlastung enthalte. «Wollen Sie das Schreiben in der Schublade verschwinden lassen?», rief Dierlamm. Dies mündete in minutenlange heftige Wortgefechte zwischen den Anwälten, dem Richter und Staatsanwältin Inga Lemmers, worauf Födisch die Sitzung unterbrach und mit den übrigen Richtern den Saal verliess.

Wenige Minuten später setzte Födisch die Verhandlung fort und erklärte, er werde Brauns Anwälten im späteren Tagesverlauf das Wort für einen Beweisantrag erteilen. Zunächst solle wie geplant die frühere Produktvorständin Susanne Steidl als Zeugin vernommen werden.

Marsalek war beim Zusammenbruch von Wirecard vor drei Jahren untergetaucht und wird international gesucht. Er galt als führender Kopf bei Wirecard und war dort für das Asien-Geschäft verantwortlich. Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, als aufflog, dass auf Treuhandkonten in Asien 1.9 Milliarden Euro fehlten.

Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und zwei weiteren Angeklagten Bilanzfälschung und grossangelegten Betrug vor. Demnach sollen die Manager Milliardenerlöse von sogenannten Drittpartnern erfunden haben, um den Konzern schönzurechnen. Die Staatsanwaltschaft stützt sich auf Angaben des angeklagten Ex-Managers Oliver Bellenhaus, der als Kronzeuge gilt. Braun und seine Anwälte hingegen haben erklärt, dass das Geld existiert habe und hinter Brauns Rücken beiseitegeschafft worden sei.

Mit dem Brief habe sich Marsaleks Anwalt bereits vor einigen Wochen im Namen seines Mandanten an das Gericht gewandt, sagten mehrere mit dem Schreiben vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Marsalek lasse darin erklären, das Drittpartnergeschäft habe existiert, und Bellenhaus habe in mehreren Punkten nicht die Wahrheit gesagt. Die «Wirtschaftswoche» hatte zuerst über das Schreiben berichtet. Von Marsaleks Verteidiger war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Gericht und Staatsanwaltschaft bestätigten lediglich die Existenz des Schreibens.

Unterdessen sagte am Mittwoch die frühere Produktionsvorständin Susanne Steidl als Zeugin aus. Sie sagt, die mutmasslichen Betrüger um den Hauptverdächtigen Jan Marsalek sollen ihre Geschäfte sogar vor dem übrigen Vorstand abgeschottet haben. «Ich habe keine Passwörter gehabt», sagte die 52 Jahre alte österreichische Managerin.

(t-online/reuters/dpa)

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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H.P. Liebling
19.07.2023 12:56registriert September 2018
Diese Story rund um Marsalek ist echt filmreif! Super spannend, verworren, Geheimdienst, die noch mitmischen... Ein Wirtschafts-Thriller erster Güte!
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