Ein Konsum-Konflikt dominiert in Israel derzeit die mediale Berichterstattung. Mittendrin: Nestlé. Der Schweizer Nahrungsmittelmulti hatte Ende Jahr für seine in Israel beliebte Marke Osem Preiserhöhungen per Februar angekündigt, was prompt zu Boykottaufrufen seitens der Kundschaft führte. Dazu muss man zwei Dinge wissen: Erstens wurde Tel Aviv erst kürzlich zur teuersten Stadt der Welt gekürt, vor Paris, Singapur, Paris, Zürich und Hongkong (siehe Bildergalerie).
Die Lebenskosten sind für viele Menschen mit tiefem Budget zur Bürde geworden, was in der Vergangenheit immer wieder Proteste in den Strassen generierte. Die Covid-Pandemie hat zudem die finanzielle Situation vieler Haushalte zusätzlich verschärft.
Und zweitens: Osem ist in den israelischen Detailhandelsregalen omnipräsent, sei es mit Teigwaren, Ketchup, Cerealien oder populären Erdnuss-Snacks. Was in der Schweiz Kambly, Knorr oder Zweifel ist – das ist in Israel Osem. Wenn die Marke ihre Preise erhöht, hat dies Konsequenzen für praktisch jeden Einkaufszettel. Seit 2016 gehört Osem dem Schweizer Nahrungsmittelriesen Nestlé aus Vevey VD.
Die Preiserhöhungen, die auch von Osem-Konkurrenten angekündigt wurden, betragen bis zu knapp 10 Prozent, wie die «Times of Israel» schreibt. Nun ist Regierung aktiv geworden – nicht zuletzt wegen des grossen Drucks. So hatte Gewerkschaftschef Arnon Bar-David Finanzminister Avigdor Libermann und Premierminister Naftali Bennet einen Brief geschrieben. Darin fordert er sie auf, deutliche Massnahmen zu lancieren, um zu verhindern, dass die israelische Bevölkerung ausgebeutet wird. Zudem drohte er mit gross angelegten Protesten, sofern die Preise nicht gesenkt würden.
«Die grossen Herstellerfirmen weisen grosse Gewinne aus», schreibt Bar-David im Brief an die Regierungsspitze. Dass sie die Preise wiederholt erhöhten, habe vor allem ein Grund –, «weil sie es können.»
Die Proteste und Drohungen zeigen Wirkung, wie die «Times of Israel» schreibt. So hat der Reinigungsmittelhersteller Sano am Montag gewisse Preiserhöhungen wieder rückgängig gemacht. Und die Strauss-Gruppe kündigte an, auf weitere Preissteigerungen vorerst zu verzichten.
Damit reagierten sie auf ein Schreiben von Finanzminister Libermann und Wirtschaftsministerin Orna Barbivai an die Grosskonzerne, in denen sie angehalten wurden, ihre Produkte nicht zu verteuern, während das Volk unter den finanziellen Schwierigkeiten aufgrund der Pandemie leide. Auch die hohen Gewinne und Manager-Boni der Firmen erwähnte die Regierung in ihrem Schreiben.
Und Osem? Die Nestlé-Marke wies die Aufforderung vorerst zurück. Doch am Dienstagabend traf sich Osem-Chef Avi Ben Assayag und Verwaltungsratspräsident Dan Propper mit Libermann und einigten sich darauf, die Preiserhöhungen während dreier Monate auf Eis zu legen.
Zuvor hatte Osem die Preis-Massnahmen damit begründet, dass Rohmaterialien wie Mehl und Öl, sowie Engpässe bei der Lieferkette zu einer Erhöhung der Produktions- und Importkosten geführt haben.
Auf Anfrage von CH Media sagt eine Nestlé-Sprecherin: «Wir beobachten über den ganzen Nahrungsmittelsektor hinweg signifikante Preissteigerungen für Rohmaterialien, Verpackungen, Energie, Logistik und Arbeit.» Man unternehme alles, um dank zusätzlicher Effizienz Kosteneinsparungen zu erreichen. Sollten Preiserhöhungen dennoch nötig sein, versuche man diese langfristig und graduell einzuführen. «Damit möchten wir allen Beteiligten in unserer Wertschöpfungskette gerecht werden – den Kunden, Bauern, Lieferanten und auch unseren Angestellten.» Wie hoch die Umsatzeinbussen aufgrund der Boykottaufrufe sind, sagt die Sprecherin nicht.
Nebst den Lebensmittelpreisen sind in Israel auch die Strompreise zuletzt um knapp 6 Prozent gestiegen. Und das Benzin dürfte ebenfalls bald teurer werden. Allein im vergangenen Jahr haben die Kosten für Konsumgüter in Israel um 2.8 Prozent zugelegt – so stark wie seit 13 Jahren nicht mehr. Im Dezember hatte Finanzminister Liberman die Senkung der Lebenskosten zur schwierigsten Aufgabe der Regierung erklärt.
Ein Report der israelischen Hilfsorganisation Latet kam kürzlich zum Schluss, dass über 2.5 Millionen Israelis in Armut leben, also mehr als ein Viertel der Bevölkerung. Knapp die Hälfte davon sind Kinder. (aargauerzeitung.ch)
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