Es sind drastische Worte, die Wladimir Putin im Gespräch mit Grossbritanniens Ex-Premier gewählt haben soll: Putin soll Boris Johnson direkt verbal angegangen sein. «Er hat mir irgendwann quasi gedroht», machte Johnson Anfang der Woche publik.
Es wäre nicht das erste Mal. Putins Psychotricks erregen immer wieder Aufsehen: Der Kremlchef und frühere Geheimdienstmitarbeiter kennt etliche Methoden, sein Gegenüber einzuschüchtern und vorzuführen – und macht davon in Treffen und Gesprächen mit den Mächtigen der Welt Gebrauch, wann immer es ihm nützlich erscheint. Eine Auswahl.
Zuletzt wurde in dieser Woche bekannt, dass Wladimir Putin dem britischen Ex-Premier Boris Johnson direkt gedroht haben soll – mit einem Raketenangriff. Johnson sagte der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge, Putin sei kurz vor Beginn der Grossinvasion in der Ukraine vor gut einem Jahr bei einem Telefongespräch sehr deutlich geworden: «Er hat mir irgendwann quasi gedroht und gesagt, 'Boris, ich will dir nicht wehtun, aber mit einer Rakete würde es nur eine Minute dauern' oder so ähnlich».
Johnsons habe als damaliger Premierminister kurz vor der russischen Invasion im Februar 2022 versucht, Putin von seinem Kurs abzubringen. Der Kremlchef reagierte seinerseits offenbar mit der Provokation. Der Kreml hingegen wies die Äusserungen am Montag zurück. Das sei «eine Lüge», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax.
Doch seit Bekanntwerden des Zwischenfalls wird nun spekuliert, ob Putin auch Kanzler Olaf Scholz in Telefonaten ähnlich bedroht oder zumindest unter Druck gesetzt haben könnte. Die Telefonate zwischen den Regierungschefs sind ein Mittel – auch der Bundesregierung –, den Gesprächsfaden zu Russland im Krieg und angesichts scharfer Sanktionen nicht abreissen zu lassen. Scholz aber hält sich in der Frage bedeckt, nur ausgewählte Informationen aus den Gesprächen gelangen an die Öffentlichkeit.
2008 allerdings gab es bereits einen Vorfall. Da war Putin gerade Ministerpräsident, weil er nach zwei Amtszeiten nicht mehr als Präsident antreten durfte und den Posten kurzerhand mit Dmitri Medwedew getauscht hatte. Damals sprach er mit dem damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy.
Die Unterhaltung soll laut «Times Online» Mitte August 2008 im Kreml stattgefunden haben. Russische Panzer standen zu diesem Zeitpunkt knapp 50 Kilometer vor Tiflis, der Hauptstadt Georgiens. Seit Jahren schwelte der Konflikt um die abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien zwischen Georgien und Russland. Am 8. August 2008 griff Russland dann Georgien aus der Luft, über Land und über See an. Im Gespräch erklärte der Franzose Sarkozy dem Russen Putin, die Welt würde einen Sturz von Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili nicht akzeptieren. Darauf soll Putin gesagt haben, er werde «Micheil Saakaschwili an den Eiern aufhängen».
Auf die verblüffte Nachfrage von Sarkozy soll Putin geantwortet haben: «Die Amerikaner haben Saddam Hussein doch auch aufgehängt.» Aber ob er denn enden wolle wie US-Präsident Bush, habe Sarkozy gekontert. Bush war für den im Nachhinein als völkerrechtswidrig eingestuften Irakkrieg massiv kritisiert worden. Putin sei kurz sprachlos gewesen – und habe dann erwidert: «Treffer für Sie.» Putin hatte Saakaschwili mehrfach als Kriegsverbrecher beschimpft und mit Saddam Hussein gleichgesetzt. Der russische Krieg in Georgien beeinträchtigte die Beziehung zur EU danach massiv.
2007 erlebte Angela Merkel Putins eigenwillige Art. Die damalige Bundeskanzlerin besuchte Putin in Sotschi. Der liess eine Labradorhündin durch den Besprechungssaal streifen – und das, obwohl Putin weiss, dass Merkel Angst vor Hunden hat. Trotzdem liess er zu, dass die schwarze Hündin die Schnauze sogar auf Merkels Oberschenkel legte.
Merkel war das sichtlich unangenehm, sagte aber nichts. Putin blickte süffisant, die Einschüchterung war gelungen und daran, dass er um die Wirkung der Bilder wusste, die danach international kursieren würden, besteht kein Zweifel. Nach ihrem Rückzug aus der Politik sagte Angela Merkel in einem Interview: «Er wusste, dass ich Angst habe.» Merkel war in ihrer Kindheit von einem Hund gebissen worden.
Putin hatte sich schon zuvor einen Spass aus ihrer Hundeangst gemacht. Kurz nachdem Merkel 2005 Kanzlerin geworden war, überraschte er sie mit der Bemerkung: «Ich habe gehört, du hast ein Problem mit Hunden.» Danach überreichte er ihr als Gastgeschenk einen grossen Stoffhund.
Manchmal bedient sich Putin auch Einschüchterungsversuchen, die in ihrer Überdimensioniertheit Spott auslösen. So 2022, als mehrere Regierungschefs nacheinander nach Moskau reisten, um auf Putin einzuwirken und eine Invasion in der Ukraine abzuwenden.
Putin platzierte seinen jeweiligen Gast an einem riesigen weissen Tisch, eher in Ruf- als Gesprächsweite entfernt, was auch symbolisch das Gegenteil von politischer Nähe und Vertrautheit verdeutlichte. Dort nahm der französische Präsident Emmanuel Macron Platz oder auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz. Putin machte so der Weltöffentlichkeit klar, wie es um die Beziehungen der Länder stand: Grösser konnte die Distanz zueinander kaum sein. In sozialen Medien löste die Szenerie Häme aus, Putin habe den Realitätssinn verloren, hiess es.
Und auch im Nationalen Sicherheitsrat, also einem innerrussischen Gremium mit mächtigen Putin-Vertrauten, lässt der Kremlchef seine eigenen Leute auflaufen. Im Februar 2022 traf es den Chef der russischen Auslandsspionage, Sergej Naryschkin, als der sich in einer Frage um die ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk verhaspelte. Damals verkündete Russland, die Regionen als unabhängige Gebiete «anzuerkennen» – ein entscheidender Schritt vor der kurz darauf eingeleiteten Invasion in der Ukraine.
«Ich werde den Vorschlag auf Anerkennung unterstützen ...», setzte Naryschkin damals an. Putin unterbrach ihn: «'Ich werde unterstützen' oder 'ich unterstütze'? Sagen Sie es doch direkt, Sergej!» Naryschkin musste in der Folge das Gesagte präzisieren und wiederholen, Putin unterbrach ihn erneut. Naryschkin stand hilflos da, zitterte, während Putin, der über Naryschkins Zukunft schalten und walten kann, seine Macht im Wechsel zwischen Grinsen und ernster Miene zu geniessen schien.
Verwendete Quellen:
(t-online)
Bei einigen Russen punktet er auch mit derben, herabwürdigen Worten.