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Katar lädt Journalisten für PR-Aktion ein – und lässt sie anschliessend einsperren

Katar lädt Journalisten für PR-Aktion ein – und lässt sie anschliessend einsperren

18.05.2015, 15:5518.05.2015, 17:44
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Ein Filmteam der BBC war Anfang Mai einer Einladung des katarischen Premierministers gefolgt, um die neuen Wohnungen für Gastarbeiter zu inspizieren: Zu sehen bekamen sie Schwimmbecken, Fitnessraum, saubere Dreierzimmer sowie dankbare Bewohner. Nach all der Kritik über den Umgang mit ihren Gastarbeitern, welche zu Hunderttausenden die Infrastruktur für die Fussball-WM 2022 aus dem Wüstenboden stampfen, lautete die Botschaft: Problem erkannt, Problem gelöst.

Am anderen Ende Dohas und «abseits von den PR-Aufpassern» stiessen die Journalisten hingegen auf wesentlich bescheidenere Unterkünfte. Und anderswo sei es noch schlimmer, versicherten die Gastarbeiter. Das wollten sich BBC-Reporter Mark Lobel und seine Kollegen mit eigenen Augen ansehen – aber dazu kam es nicht.

Mark Lobel über seine Verhaftung in Katar.YouTube/BBC News

«Unsere Verhaftung war dramatisch», sagt Lobel. «Acht Autos hielten uns an, Fahrer, Übersetzer, Kameramann und ich wurden wie Spione behandelt und getrennt voneinander verhört. Unsere Ausrüstung und Aufnahmen beschlagnahmt.» Anschliessend hätten sie zwei Nächte in einer schmutzigen Gefängniszelle verbracht. Beängstigendes Detail: Sie bekamen Fotos zu sehen, die klar zeigten, dass sie seit ihrer Ankunft beschattet wurden.

Ist Katar als Austragunsort der Fussball-WM 2022 noch tragbar?
An dieser Umfrage haben insgesamt 2829 Personen teilgenommen

In Handschellen seien sie dem Staatsanwalt vorgeführt worden, der ihnen mit weiteren vier Hafttagen drohte. «Das ist nicht Disneyland, Sie können nicht einfach überall Ihre Kamera draufhalten», habe er gesagt. Nach zwei Tagen seien freigelassen worden, so Lobel. Die katarische Regierung veröffentlichte später eine Erklärung, wonach das BBC-Team bei ihren Filmarbeiten privates Gelände betreten hätte, was in Katar «wie in den meisten Ländern» verboten sei.

Die BBC erklärte ihrerseits, dass Katar widersprüchliche Angaben zum Grund der Verhaftung gemacht habe. Auch sei die Ausrüstung bislang nicht zurückgegeben worden. Es ist nicht das erste Mal, dass ausländische Medien die Paranoia Katars zu spüren bekommen: Im Oktober 2014 waren zwei deutsche Journalisten verhaftet und für 27 Stunden festgehalten worden.

Auch die FIFA hat sich zu dem Vorfall geäussert: «Die FIFA erachtet jeden Fall, in dem offenbar die Medienfreiheit eingeschränkt wird, als besorgniserregend und wird ihn mit der nötigen Ernsthaftigkeit untersuchen.»

BBC-Reporter Mark Lobel hat sich heute auf Twitter zu Wort gemeldet:

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Topoisomerase
18.05.2015 17:30registriert Dezember 2014
Ich versuche, nicht objektiv und Blatterfeindlich zu sein.
Mit der WM in Südafrika und den immensen Ausgaben begann es, die WM in Brasilien, hunderttausende Menschen wurden umgesiedelt, brachte das Fass bereits zum Überlaufen. Russland fügt dem bereits übergelaufenen Fass noch einige Hektoliter hinzu mit ihren neuen Menschenrechten. Und Katar? Die werfen das Fass in den Ozean. Blatter muss weg. Die Korruption bei der FIFA muss weg.
2. Grund neben Menschenrechtsverletzungen in Katar: Glühwein und Fussball passt nicht.
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iceman999
18.05.2015 19:02registriert Mai 2015
Die Umfrage ist eigentlich falsch gestellt. Katar als Austragungsort war noch nie tragbar.
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So en Ueli
18.05.2015 17:01registriert Januar 2014
Was kann man denn aus diesem Land anderes erwarten? Ich bin nicht überrascht über diese Aktion. Ist ja offentlichtlich, dass man die Reporter eingeladen hatte um die schöne Fassade zu zeigen. Aber hinter dieser schönen Fassade stinkt es bis zum Himmel.
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«Man sieht allmählich ein, wie töricht es war, so viele Wähler zur AfD zu vertreiben»
Nur wenige kennen die politische Landschaft Ostdeutschlands so gut wie Werner Patzelt. Dass die AfD in den nächsten Jahren absolute Mehrheiten in Ländern wie Sachsen erringt, hält der Politologe für wahrscheinlich. Darauf müsse sich die CDU vorbereiten.
Herr Patzelt, im Januar 2019, als wir uns zuletzt trafen, kritisierten Sie die deutschen Christdemokraten, die Wähler «bis hin zum rechten Narrensaum» nicht mehr an sich binden wollten und so die AfD stark gemacht hätten. Damals war Angela Merkel Kanzlerin. Ist die CDU unter Friedrich Merz wieder auf dem richtigen Weg?
Werner Patzelt: Zumindest sieht man in der CDU und in der Öffentlichkeit allmählich ein, wie töricht es war, so viele Wähler zur AfD zu vertreiben, weil man Politik mit kenntlich üblen Nebenwirkungen einfach nicht korrigieren wollte. Jetzt bezahlt die Strafgebühr nicht bloss die Union, nämlich durch ihre Abhängigkeit von SPD und Grünen, sondern auch unser Land, das von einander gern blockierenden Koalitionären regiert wird. Doch solange die Union keine begehbaren Brücken hin zur Partei ihrer verlorenen Wählerschaft bauen will, muss sie eben weiterhin mit Grünen, Sozialdemokraten und Linken zusammenarbeiten. Dadurch riskiert sie aber weitere Machtverluste zugunsten der AfD. Braucht es wohl einen ersten Landtag mit absoluter AfD-Mehrheit, bevor die Unionsführung das begreift?
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