Derzeit gibt es für Nichtmuslime wohl keinen gefährlicheren Ort als Raqqa. Die Stadt in Syrien ist so etwas wie die inoffizielle Hauptstadt des Islamischen Staats (IS). Die Fanatiker haben hier ein religiöses Schreckensregime errichtet. Sie steinigen angebliche Ehebrecherinnen, hacken Dieben die Hand ab, lynchen mutmassliche Spione des Assad-Regimes. Frauen sollen nur in Ausnahmefällen das Haus verlassen und dürfen sich, wenn überhaupt, nur vollverschleiert auf den Strassen bewegen.
Eine Frau aus Holland hat sich trotzdem in das Herz des IS-«Kalifats» gewagt, um ihre Tochter aus den Fängen der Dschihadisten zu befreien. Ihre Tochter Aicha war im Februar dieses Jahres wie zahlreiche andere Teenagerinnen aus Europa nach Syrien gegangen. Sie war erst kurz zuvor zum Islam konvertiert und hatte sich binnen weniger Monate radikalisiert.
In Syrien heiratete die inzwischen 19-Jährige Omar Yilmaz, einen bekannten holländisch-türkischen Islamisten, der einst in der holländischen Armee gedient hatte. «Sie sah in ihm so etwas wie Robin Hood», sagte Aichas Mutter Monique im September in einem Fernsehinterview. Holländische Medien haben nur die Vornamen der beiden Frauen veröffentlicht.
Die Mutter hatte noch die Polizei über die Reisepläne ihrer Tochter informiert. Die Behörden zogen Aichas Reisepass ein, sie setzte sich aber mit ihrem Personalausweis in die Türkei ab und gelangte schliesslich nach Syrien.
Omar Yilmaz sagte der BBC, er habe die junge Frau aus Maastricht geheiratet, nachdem der IS-Kämpfer, der eigentlich für sie bestimmt war, getötet wurde. Doch offenbar lief das Eheleben in Syrien nicht so, wie sich die beiden Niederländer das vorgestellt hatten. «Es hat nicht funktioniert, wir haben uns getrennt. Sie ist ihren Weg gegangen und ich meinen», sagte Yilmaz der BBC.
Im Oktober reiste Mutter Monique zum ersten Mal in die Türkei. Sie scheiterte jedoch bei dem Versuch, über die syrische Grenze zu gelangen. Dann erreichte sie in diesem Monat ein Hilferuf ihrer Tochter. Monique wagte einen zweiten Versuch. Gegen den Rat der Polizei reiste sie komplett verhüllt nach Raqqa. Dort machte Monique ihre Tochter ausfindig und brachte sie über die Grenze in die Türkei. «Manchmal muss man tun, was man tun muss», sagte sie dem Allgemeen Dagblatt.
Nun warten beide auf die Erlaubnis, in ihr Heimatland zurückzukehren. Der Anwalt der Familie hofft darauf, dass Monique und Aicha innerhalb der nächsten Woche nach
Holland reisen können. Das Problem: Aicha besitzt keinen gültigen Reisepass, zudem werden die Sicherheitsbehörden die junge Frau bei ihrer Rückkehr ausführlich befragen. Unter anderem muss geklärt werden, ob sie an Verbrechen der IS-Terroristen beteiligt war. (syd)
Mein Respekt für diese Mutter.