Im November 2013 hat die 19-jährige Aqsa Mahmood ihren Vater lange umarmt. Es war eine Abschiedsumarmung. Denn danach verliess sie ihre Familie, verliess Glasgow, verliess Schottland.
Vier Tage später klingelte das Telefon im elterlichen Haus. Es war ihre Tochter Aqsa, die auf dem Weg nach Syrien gerade die türkische Grenze überquert hatte. Sie rief an, um ihnen zu sagen, dass sie sich dem IS angeschlossen hatte.
Aqsa kommuniziert seither über die sozialen Medien mit der Welt. Dort verherrlicht sie die Ideologie der dschihadistischen Terror-Miliz, ruft zu Angriffen auf den Westen auf und postet Fotos von Exekutionen. Aqsa sucht über die verschiedenen Kanäle aber auch nach neuen Mitgliedern. Und das mit Erfolg.
Die drei muslimischen Mädchen, die 16-jährige Kadiza Sultana und die beiden 15-jährigen Shamima Begum und Amira Abase sind Freundinnen und allesamt Einser-Schülerinnen an einem Gymnasium in Ost-London. Unbemerkt flogen sie vergangenen Dienstag vom Gatwick Airport nach Istanbul. Sie wollen nach Syrien, um dort die Bräute von mordenden Dschihadisten zu werden. Ihre Anführerin: Aqsa Mahmood.
Angeblich deutete nichts darauf hin, dass die drei Mädchen der islamistischen Ideologie anhingen. Scotland Yard jedenfalls konnte nichts Verdächtiges feststellen, als sie mit den Dreien im vorigen Dezember über ein viertes Mädchen redeten, das aus demselben Freundeskreis stammte und dann plötzlich in Richtung Syrien verschwand.
Doch die Londoner Polizei machte einen entscheidenden Fehler: Die Twitter- und Facebook-Accounts der Teenager wurden nicht überprüft. Dabei hatte Aqsa Mahmood am Sonntag vor dem Verschwinden der drei Mädchen an Shamima getwittert:
Shamima war also im Begriff, England in Richtung Nahost zu verlassen, um dem Ruf ihrer «Anführerin» zu folgen. Obwohl Aqsas Accounts ständig von Anti-Terror-Spezialisten überwacht werden, ist dieser Hinweis auch von dieser Seite unentdeckt geblieben.
Das ist umso erstaunlicher, wenn man sieht, was Aqsa in der Vergangenheit schon verlauten liess. Aqsa trat schon vor längerer Zeit als Verführerin westlicher Mädchen auf Social Media auf. In ihrem Tumblr-Blog appellierte sie laut CNN an die Kraft muslimischer Mädchen, von ihren Familien wegzulaufen und sich der neuen Dschihadisten-Familie in Syrien anzuschliessen. Dafür sei man geboren oder nicht, schreibt sie. Es sind dies Worte einer indoktrinierten Fanatikerin. Mit Bildern von islamistischen Kämpfern. Und verletzten Kindern.
In ihrem Online-Tagebuch schreibt sie am 11. September 2014: «Die Medien schreiben immer, dass diejenigen, die sich dem IS anschliessen, erfolglose Menschen seien, ohne Zukunft und aus zerrütteten Familien. Das ist aber weit entfernt von der Wahrheit. Die meisten meiner Schwestern waren an der Universität, stammen aus grossen, glücklichen Familien und haben viele Freunde.» Und weiter heisst es:
Family of Aqsa Mahmood, who's travelled to #Syria to join ISIS describe her as a "sweet, peaceful & intelligent girl" pic.twitter.com/UOpY90JWFg
— Radio Clyde News (@RadioClydeNews) 3. September 2014
Auf ihrem Blog erklärt Aqsa, dass der IS «ghanimah» wolle, das, was im 7. Jahrhundert Kriegsbeute war, Gefangene, Waffen und andere Güter. Wer loyal sei gegenüber dem IS, bekomme dafür Geschenke von Allah; ein Haus mit Elektrizität und Wasser. Alles kostenlos. «Hört sich das nicht grossartig an?», fragt sie ihre Leser.
Auf dem Weg in den Dschihad gebe es allerdings auch Schwierigkeiten, klärt Aqsa auf. Das Schwierigste sei der erste Telefonanruf an die Eltern, wenn man bereits die syrische Grenze hinter sich gelassen habe: «Sie wollen, dass du zurückkommst, und du hörst sie am anderen Ende schluchzen und betteln. Ich kann hier unmöglich beschreiben, wie kaltherzig du dich in diesem Moment fühlen wirst.» Weiter schreibt sie:
Die Eltern würden glauben, sie hätten den Fehler bei sich zu suchen, sie hätten etwas falsch gemacht. Oder aber sie würden denken, ihre Tochter mache gerade eine Phase durch. «Und so leben sie weiter, in der Hoffnung, dass du irgendwann zurückkommst.»
Die Familie von Aqsa, die früher zu Hause noch Harry Potter las und Coldplay hörte, reagierte mit einem Verdammungsurteil auf die Entscheidung ihrer Tochter:
Auch die Familien der drei verschwundenen Mädchen aus England versuchten ihre Töchter zur Umkehr zu bewegen. «Syrien ist ein gefährlicher Schauplatz.» Und weiter: «Du gehörst zu uns. Kontaktiere die Polizei, die wird dir helfen, heimzukehren. Nichts droht dir zu Hause», liessen sie Shamima wissen. Bislang vergeblich.
(rof)