Nervt sich eigentlich noch wer über Halloween? Wieso denn? Halloween ist grossartig!
Ob es uns passt oder nicht: Halloween ist endgültig in der Schweiz angekommen. Schon, oder? Zumindest bestätigen mir dies diverse Eltern von Kindern im Schulalter. Dabei ist es doch gar nicht allzu lang her, als der Einzug von Halloween mit Argwohn, gar mit Widerstand begegnet wurde.
Als Third Culture Kid, der im Wechselbad verschiedener europäischer Kulturtraditionen aufwuchs, war ich stets erstaunt über die Ablehnung, die Halloween hierzulande hervorrufen konnte. Ausgerechnet Halloween, das ich zeitlebens ausschliesslich als freundlichen Spass erlebt hatte!
«Aber wir haben schon eigene Festtage. Wir müssen doch nicht noch einen importieren», hörte ich immer wieder. «Wir haben ja Fasnacht!»
Nun, offenbar soll es in Luzern ziemlich abgehen, sagt man mir. In Basel auch, ... WENN man Spass an Flötengepfeife hat, und auf eine mir schleierhafte Art einen Zugang findet zu jener doch sehr insidermässigen Schnitzelbank-Tradition. An einer Ostschweizer Fasnacht einen Body-Tequila von einer tschechischen Bardame offeriert zu bekommen, ist vielleicht auch ganz nice. Aber hier in Zürich haben wir bestenfalls eine halbbatzige Version von dem, was die Katholen bieten. Und ausserdem ist Guggemusig das Grauenhafteste überhaupt. Fight me.
Nö, im Vergleich dazu gewinnt Halloween klar. Rein schon aufgrund seiner niederschwelligen Inklusivität. Hier ist der Spass nicht an eine kantonale Religionszugehörigkeit gebunden oder an historisches Verständnis örtlicher Traditionen. Bei Halloween kann jede und jeder mitmachen. Aus jeder Altersgruppe.
Und die Deko ist eh geiler. Es macht Spass, wenn plötzlich ein Skelett neben der Haustüre steht. Und wenn Jack-O'-Lanterns – jene geschnitzten Kürbisse – rumstehen, als Signal für die Kinder, dass sie hier für Süsses oder Saures anklopfen dürfen.
«Aber wir müssen jetzt doch nicht auch Kürbisse schnitzen – wir haben ja den Räbeliechtli-Umzug!»
Hübsch, aber letztlich nur für eine eng definierte Altersgruppe Schulkinder. Und dann frag' mal die Kids, was sie lieber hätten! Aus Kindersicht ist no contest, was gewinnt. Für Halloween können sie sich als gruselige Monster verkleiden und beim Trick Or Treat eine urige, subversive Macht über Erwachsene erleben (was entwicklungspsychologisch durchaus wichtig ist): «Gib uns Süsses, sonst machen wir was Unartiges!» Hey – wo sonst dürfen Kids heute noch ein wenig auf den Putz hauen? Schulsilvester wurde ja abgeschafft. Zudem gibt's an Halloween haufenweise ungesundes Süsszeugs zu essen, und die Kürbisse stinken nicht so wie die Räben beim Schnitzen. Das Bessere ist nun mal der ärgste Feind des Guten.
Ach ja – Stichwort psychische Entwicklung: Ich konnte bei meinen beiden Kindern beobachten, als sie in einem bestimmten Alter waren, wie Halloween ihnen das perfekte Setting bietet, sich mit dem Unheimlichen, dem Gruseligen auseinanderzusetzen. Durch den spielerischen und humorvollen Kontext von Halloween können viele Kindheitsängste (Geister, Skelette, Hexen usw.) auf gesunde Weise begegnet werden. Hey, wenn du selbst als etwas Gfürchiges verkleidet bist, kannst du easy das Monster unter deinem Bett verscheuchen!
«Aber uns wird eh schon genug Ami-Kultur aufgezwungen, müssen wir das auch noch?»
Jaja ... bloss ist Halloween nicht wirklich amerikanisch: Eine ganze Reihe sehr europäischer Ursprungstraditionen verschmolzen zu dem, was wir heute als Halloween feiern: Da ist zum einen das frühe Christentum auf den britischen Inseln, denn der Name leitet sich von All Hallows' Eve ab – dem Abend vor Allerheiligen –, an dem zum letzten Mal alle Dämonen und Konsorten aufbegehren, bevor sie von dann von den christlichen Heiligen am Allerheiligentag vertrieben werden. Dann ist eine zünftige Portion irische und schottisch-gälisches Samhain dabei, dazu noch ein wenig kontinentaleuropäischer danse macabre ... und hey, guess what: Die ältesten historischen Quellen zu Jack-O-Laterns belegen, dass diese aus Räben geschnitzt wurden und nicht aus Kürbissen – also steckt gar noch ein bisschen Schweizer Kultur darin.
Und selbst wenn. Selbst wenn es amerikanisch wäre ... ausgerechnet hier wollt ihr einen Riegel schieben? Gewiss, wir stehen seit rund einem Jahrhundert unter amerikanischer Poplärkulturdominanz. Und dass es einem zuweilen zu viel des Guten sein kann, ist verständlich. Doch ausgerechnet bei Halloween wollt ihr nein sagen? Nicht aber bei McDonalds, Amazon oder Starbucks? Oder bei den verdammten Kardashians? Sch**ss-Tesla?? Black f*cking Friday??? Aber, nein, das eigentliche Problem ist Halloween.
«Es ist ja nur Kommerz. Eine verdammte Konsumschlacht. Geht nur darum, dass die Läden uns Zeugs verkaufen können.»
Anders als Ostern oder Weihnachten, gell?
Keine Kultur ist oder war je insular. Schon gar nicht in einem Land, das derart winzig ist wie die Schweiz (das zudem noch vier verschiedene Sprachregionen umfasst). Zeitlebens wurden und werden fremde Bräuche übernommen und einverleibt. Am liebsten doch solche, die ... gut sind, oder? Und Halloween ist super – nicht zuletzt, weil es das wohl inklusivste Volksfest überhaupt ist. Anders als Fasnacht, Ostern, Eid, Diwali, Chanukka oder Weihnachten ist Halloween nicht an eine Religion gebunden. Es ist kein Nationalfeiertag, kein Pride March, kein Arbeiterfeiertag, kein Kinderumzug. Es ist ... einfach ein bisschen Fun.
Ein bisschen Fun mit etwas Goth-Ästhetik.
Was sowieso nie schlecht ist.


