Israel
Naher Osten

«Sie beschiessen uns sogar, während wir hier miteinander sprechen»

Israel setzt die Angriffe gegen den Gazastreifen trotz der von den Hamas ausgerufenen Feuerpause fort.
Israel setzt die Angriffe gegen den Gazastreifen trotz der von den Hamas ausgerufenen Feuerpause fort.Bild: ATEF SAFADI/EPA/KEYSTONE
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu

«Sie beschiessen uns sogar, während wir hier miteinander sprechen»

27.07.2014, 09:2627.07.2014, 18:47
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Nach der Verkündung einer 24-stündigen Waffenruhe durch die radikal-islamische Hamas sind die Kämpfe im Gazastreifen am Sonntagnachmittag abgeflaut. Allerdings flogen auch nach dem angekündigten Beginn der Feuerpause noch Raketen in Richtung Israel.

«Die Hamas hält sich noch nicht einmal an ihre eigene Feuerpause. Sie beschiessen uns sogar, während wir hier miteinander sprechen.»
Benjamin Netanjahu
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.Bild: Dan Balilty/AP/KEYSTONE

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu stellte die Erklärung der Hamas daher infrage und liess es offen, ob sich Israel der Waffenruhe anschliesst. Dem Sender CNN sagte er: «Die Hamas hält sich noch nicht einmal an ihre eigene Feuerpause. Sie beschiessen uns sogar, während wir hier miteinander sprechen.»

Am Samstag hatten nach fast drei Wochen ununterbrochener Kämpfe erstmals die Waffen für längere Zeit geschwiegen. Die Bewohner des abgeriegelten Gazastreifens nutzten die Atempause, um Tote zu bergen und sich mit Lebensmitteln einzudecken.

Jüdische Extremisten sollen Palästinenser brutal verletzt haben
Zwei junge Palästinenser sind in Ost-Jerusalem offenbar von jüdischen Extremisten brutal angegriffen worden, eines der Opfer lag am Sonntag auf der Intensivstation. Der 20-Jährige sei bei Bewusstsein und auf dem Weg der Besserung, sagte eine Sprecherin des Hadassah-Ein-Kerem-Krankenhauses. Der zweite Mann, ebenfalls 20 Jahre alt, werde auf einer chirurgischen Station behandelt.

Die jungen Männer geben an, am Freitagabend nahe einer jüdischen Siedlung in Ostjerusalem von einer etwa zwölfköpfigen Gruppe jüdischer Extremisten angegriffen worden zu sein. Unter anderem sollen diese mit Knüppeln und Eisenstangen auf ihre Köpfe eingeschlagen haben.

Polizeisprecher Micky Rosenfeld sagte am Sonntag, die Behörden nähmen die Vorwürfe sehr ernst und ermittelten. Verdächtige seien aber noch nicht gefasst worden. Bei den Tätern handelt es sich nach Angaben von Polizeisprecherin Luba Samri «offenbar um junge Juden». (sza/sda)
Nach palästinensischen Angaben sind im Gazastreifen seit dem 8. Juli 1060 Menschen getötet worden, mehr als zwei Drittel der Opfer sind demnach Zivilisten. 
Nach palästinensischen Angaben sind im Gazastreifen seit dem 8. Juli 1060 Menschen getötet worden, mehr als zwei Drittel der Opfer sind demnach Zivilisten. Bild: OLIVER WEIKEN/EPA/KEYSTONE

1060 Menschen getötet 

Israel hatte am Samstag die unter internationaler Vermittlung zustande gekommene und von beiden Seiten eingehaltene zwölfstündige Feuerpause einseitig bis Sonntag Mitternacht Ortszeit verlängert. Am Morgen wurde Israel aber wieder mit Raketen beschossen. Im Süden und in der Mitte des Landes wurde Luftalarm ausgelöst.

Nach Militärangaben gingen mindestens fünf Raketen in Israel nieder, zwei weitere wurden vom Abwehrsystem Iron Dome abgefangen. Daraufhin nahm Israel seine Offensive im Gazastreifen wieder auf.

Bei diesen Angriffen starben nach Angaben palästinensischer Ärzte mindestens zehn Menschen. Damit sind nach palästinensischen Angaben im Gazastreifen seit dem 8. Juli 1060 Menschen getötet worden, mehr als zwei Drittel der Opfer sind demnach Zivilisten. Mehr als 6000 Menschen wurden verletzt. Auf der israelischen Seite kamen 43 Soldaten und drei Zivilisten ums Leben.

27. Juli: Bei den Angriffen auf Gaza Stadt starben nach Angaben palästinensischer Ärzte mindestens zehn Menschen. 
27. Juli: Bei den Angriffen auf Gaza Stadt starben nach Angaben palästinensischer Ärzte mindestens zehn Menschen. Bild: AFP

«Als Reaktion auf eine Intervention der Vereinten Nationen und in Anbetracht der Lage unserer Bevölkerung sowie aus Anlass des Endes des Fastenmonats sind alle Fraktionen des Widerstandes übereingekommen, eine 24-stündige Feuerpause zu unterstützen», sagte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri der Nachrichtenagentur Reuters einige Stunden nach Beginn der israelischen Offensive.

Zerstörung des Tunnelsystems 

Die Waffenruhe sollte um 13.00 Uhr MESZ einsetzen. Unmittelbar danach war aber noch israelischer Artilleriebeschuss zu hören, und in grenznahen israelischen Ortschaften heulten die Sirenen. Offen blieb nach Netanjahus Äusserungen bei CNN zunächst, ob auch Israel seine Angriffe einstellen würde. Israel werde alles tun, um seine Bevölkerung zu schützen, sagte der Ministerpräsident lediglich.

Tunnelsystems der Hamas.
Tunnelsystems der Hamas.Bild: EPA

Das erklärte Ziel der Streitkräfte ist die Zerstörung des Tunnelsystems der Hamas. Aus israelischer Sicht dienen die Stollen als Waffenlager und Bunker. Die Hamas fordert die Aufhebung der Blockade gegen den Gazastreifen.

Im Gazastreifen haben der Artilleriebeschuss und die Luftangriffe grossflächige Zerstörungen hinterlassen. Viele Einwohner brachen in Tränen aus, als sie am Samstag erstmals sichere Unterstände verlassen konnten und ihre häufig schwer beschädigten oder zerstörten Häuser aufsuchten.

167'000 Palästinenser vertrieben

In manchen Orten liegen ganze Häuserzeilen in Trümmern. Laut dem UNO-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) wurden über 167'000 Menschen aus ihren Wohnstätten durch die Kämpfe vertrieben. Im Gazastreifen leben insgesamt 1,8 Millionen Menschen.

Angesichts des Ausmasses des Krieges forderten die Aussenminister der USA, Frankreichs, Deutschlands, Grossbritanniens, Italiens, Katars und der Türkei auf einer Konferenz in Paris ein Ende des Blutvergiessens. Ein greifbares Ergebnis wurde nicht bekannt. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte an beide Seiten, eine einwöchige Feuerpause zu vereinbaren.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon.Bild: DANIEL BAR ON/EPA/KEYSTONE

Die israelische Militäroffensive im Gazastreifen löste auch Unruhen im Westjordanland aus. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben am Freitag acht Menschen getötet. Mehrere Tausend Menschen forderten am Samstagabend in Tel Aviv ein Ende der israelischen Militäroperation im Gazastreifen. Zuvor demonstrierten in London 10'000 Menschen gegen Israels Militärschläge in Gaza.

Auch in Paris gingen 5000 Menschen trotz Demonstrationsverbot auf die Strasse. In Genf forderten mehr als 1000 Menschen an einer Kundgebung ein sofortiges Ende des «Massakers an Palästinensern» im Gazastreifen. (sza/sda/reu/dpa/afp)

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