Zwischen Israel und den palästinensischen Islamisten im Gazastreifen droht ein langer und verlustreicher Konflikt. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bereitete seine Landsleute in der Nacht zum Mittwoch vor den Fernsehkameras darauf vor, dass «diese Operation dauern kann».
Die Hamas-Bewegung, die in dieser Eskalationsrunde bisher den Takt vorgibt, hat sich in eine ausweglose Lage manövriert. Eine Vermittlung hat deshalb nach Expertenansicht vorläufig wenig Aussicht auf Erfolg.
Die Verzweiflung der Hamas ist die eigentliche Ursache der verfahrenen Lage. «Politisch und wirtschaftlich am Boden, geht es ihr ums Überleben», erläutert der Nahostexperte Daniel Nisman vom globalen Risikobewerter Max Security Solutions.
Nisman verweist auf die Entmachtung der ägyptischen Muslimbrüder, des früheren Schutzpatrons der Hamas, und auf die «Erniedrigung», die sie im Aussöhnungsabkommen mit der PLO-Führung in Ramallah hinnehmen musste. «Deshalb braucht die Hamas nun schnell einen Erfolg, der ihr die Unterstützung auf den palästinensischen Strassen bringt, sei es die Aufhebung der Gaza-Blockade durch Kairo, sei es ein gelungenes Angriffsmanöver.»
Deshalb habe die Hamas auch schon zu Beginn des Schlagabtauschs alle Register gezogen. Anders als bei der letzten Eskalation im November 2012 schoss die Hamas sofort Raketen grösserer Reichweite bis nach Jerusalem und sogar nach Hadera, eine Küstenstadt in 116 Kilometern Entfernung - und damit soweit wie nie zuvor.
Zugleich versuchten militante Palästinenser am Dienstagabend über das Meer bei Chof Sikim und durch Tunnel bei Kerem Schalom nach Israel einzudringen. Beide Kommandoaktionen wurden vereitelt.
Im Besitz von rund 10'000 Raketen, darunter hunderte mit grösserer Reichweite, kann die Hamas trotz der ersten Fehlschläge ihr Drohpotenzial noch einige Zeit aufrechterhalten. Israel hatte sich zum Ärger der betroffenen Städte und Landgemeinden im Süden zuletzt mit gelegentlichen Scharmützeln abgefunden, die fast durchgängig von noch extremistischeren Hamas-Rivalen ausgingen.
Die einer besonders radikalen Hamaszelle in Hebron zugeschriebene Tötung von drei jungen Israelis im Westjordanland änderte die Lage: Israel nutzte die breitangelegte Suchoperation, um Hamas im Westjordanland zu zerschlagen. Auch wenn deren Führung wahrscheinlich nicht in den tödlichen Entführungsversuch involviert war, liess sie nun zunehmende Geschoss-Salven aus Gaza zu und bekannte sich zum Wochenbeginn auch selbst zu Raketenangriffen.
Im Streit um eine angemessene Antwort auf die Tötungen und den Beschuss steht das israelische Kabinett seit Ende Juni vor einer Zerreissprobe. Eine grössere Operation wurde deshalb nun selbst aus Sicht des militärisch immer zögerlich agierenden Netanjahu unvermeidlich.
Anders als im November 2012 will sich die israelische Regierung diesmal nicht der Wiederherstellung der vorherigen Verhältnisse zufrieden geben. Minister Gilad Erdan, Angehöriger des Sicherheitskabinetts, sagte: «Die Hamas darf am Ende keine Mittel mehr besitzen, um Raketen zu fabrizieren.» Dafür müsse falls notwendig auch eine Bodenoffensive angeordnet werden.
Alex Fishman, Militärexperte der Tageszeitung «Jediot Aharonot», konstatiert: «Von nun an kann das keine Seite mehr irgendwie kontrollieren».
Zwar habe Israel an einer Bodenoperation im dichtbesiedelten Gazastreifen wegen der unvermeidlichen zivilen Opfer kein Interesse. Aber spätestens wenn eine Rakete einen Zivilisten in Israel töte, «wird die Regierung dem öffentlichen Druck nachgeben und in Gaza einmarschieren», so Fishman.
Ähnlich sieht es Anschel Pfeffer von der Zeitung «Haaretz»: Die Hamas sei so isoliert, dass es «keinen vertrauenswürdigen Mittelsmann gibt, der ihr die Leiter liefert, um aus ihrem Bunker wieder herauszuklettern und einer bedingungslosen Waffenruhe zuzustimmen.» (sda/afp)