Israels Bomben und Raketen sind im Anflug nicht zu hören und nicht zu sehen. Erst die Einschläge lassen urplötzlich die Erde beben. Das Grollen der Explosionen im Gazastreifen dröhnt bis weit nach Israel hinein. Rund 1100 Ziele wurden seit Dienstag beschossen. Das entspricht einem Einschlag etwa alle vier Minuten.
Unerbittlich bombardiert Israel das kleine Fleckchen Erde, das nicht einmal halb so gross wie Hamburg ist, aber fast zwei Millionen Einwohner hat. Die israelische Luftwaffe sagt, sie bemühe sich, nur militärische Ziele zu treffen und warnt die Bevölkerung vor – im Gegensatz zur islamistischen Hamas. Doch in dem dicht besiedelten Gebiet steigt die Zahl der zivilen Opfer täglich.
Familie al-Hadsch aus Chan Junis im Süden des Gazastreifens hat es am Donnerstagmorgen kurz vor zwei Uhr getroffen, die Eltern Mahmud und Basima al-Hadsch mit ihren sechs Kindern Nadschla, 28, Omar, 19, Tarek, 16, Saad, 13, Asma, 12, und Fatima, 10. Der einzige Überlebende: Sohn Jassir, 25. Er war bei einem Freund zu Besuch. Als er zurückkam, waren sein Haus, seine Eltern und Geschwister ausgelöscht.
Die israelische Armee hat sich bisher nicht geäussert, warum die al-Hadschs zum Ziel wurde. In der Regel werden die Häuser von Familien zerstört, die ein Hamas-Mitglied in ihren Reihen zählen. Doch soll die Terror-Truppe nach Angaben des israelischen Militärs dazu übergegangen sein, Raketenabschussrampen so dicht wie möglich an Häusern zu errichten. Die Bewohner erhalten eine Risiko-Entschädigung.
Bevor die israelische Armee solch ein Gebäude zerstört, wird dort angerufen. Eine Stimme vom Tonband kündigt die Attacke an. Dann bleiben nur noch wenige Minuten zur Flucht. Manchmal wird das Haus auch mit einer kleineren Rakete ohne Sprengkopf beschossen, als letzte Warnung, bevor kurz darauf das zerstörerische Geschoss einschlägt.
«Wenn ein Luftangriff kommt, kann es die ganze Stadt fühlen. Die Häuser stehen dicht an dicht» , sagt Ahmed Hashem, 27, aus Gaza-Stadt am Telefon. «Meinen Kindern sage ich: Macht euch keine Sorgen, die Israelis bombardieren nur die Kämpfer. Aber sie sehen selbst, dass es auch Zivilisten trifft.»
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums von Gaza sind seit Beginn der israelischen Militäroffensive «Fels in der Brandung» am Dienstag 98 Menschen im Gaza-Streifen getötet worden, davon mindestens 22 Kinder. Knapp 600 Menschen sollen verletzt worden sein. In Israel sind seitdem über 500 Raketen aus dem Gaza-Streifen eingeschlagen. Getötet wurde bisher niemand.
Anders als in Israel haben die Menschen in Gaza keine Luftschutzbunker. Sie können auch nicht die Koffer packen und einfach Urlaub machen, oder bis das Schiessen aufhört bei Freunden in anderen Städten unterschlüpfen, wie das viele Israelis tun. Die Grenzen des Gaza-Streifens sind seit sieben Jahren abgeriegelt.
«Jede Familie hier ist betroffen», sagt Hani Mahmud, 31, aus Gaza-Stadt. «Alle kennen jemanden, der verletzt wurde.» Er kam noch glimpflich davon. An seinem Haus zersprangen alle Fensterscheiben, als Israels Luftwaffe ein Gebäude in einigen hundert Meter Entfernung dem Erdboden gleichgemachte.
Seine Familie bricht abends nicht mehr gemeinsam das Ramadan-Fasten. «Wir setzen uns nicht mehr gleichzeitig alle zusammen an den Tisch. Falls eine Bombe das Haus trifft, wird wenigstens nicht die ganze Familie ausgelöscht», sagt Hani Mahmud.
Wenn wie an diesem Freitag plötzlich für eine Stunde Stille in Gaza-Stadt herrscht, fragen die Kinder schon: «Wo sind die Bomben?» So sehr haben sich sogar die Kleinsten an das Kriegsgetöse gewöhnt.
Eine Entschuldigung von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wird es wohl nicht geben: «Wenn unschuldige Zivilisten verletzt werden, liegt das daran, dass die Hamas sich absichtlich hinter palästinensischen Zivilisten versteckt», sagte er.