Die Betreuung im Gefängnis St.Gallen stand zuletzt wiederholt in der Kritik: Nach dem Suizid eines 19-jährigen Häftlings anfangs Oktober und zuletzt in einem Plädoyer vor Kantonsgericht. Zudem läuft zum Suizid des Lehrermörders Ded Gecaj nach einem Bundesgerichtsurteil noch ein Strafverfahren.
Der Zürcher Anwalt Valentin Landmann verteidigte letzte Woche vor dem St.Galler Kantonsgericht einen Mandanten, bei dem Gutachter eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit einem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom diagnostiziert hatten. Der Mann sass vor seiner Verurteilung in Sicherheitshaft: Unter anderem während eineinhalb Jahren in Uznach und danach während rund drei Monaten in St.Gallen.
In Uznach habe man den richtigen Ton gefunden, verglich Landmann an der Verhandlung die beiden Gefängnisse. In St.Gallen sei dies nicht gelungen, das zeige schon der Tonfall im Führungszeugnis. Der Umgang dort habe seinen Mandanten zutiefst verstört. Er sehe dieses Gefängnis «als Hochburg der Willkür» und habe Angst vor physischer Gewalt. Sein Klient befinde sich in schlechterer Verfassung denn je, kritisierte Landmann.
Im Oktober hatte im gleichen Gefängnis ein 19-jähriger Mann Suizid begangen. Er sollte dort eine Haftstrafe von 45 Tagen absitzen. In verschiedenen Medien kritisierte der Bruder des Verstorbenen die Behörden, sein Bruder sei psychisch zu labil für eine Haft gewesen. Man hätte seine Gefährdung erkennen müssen. In der Stadt St.Gallen fand deswegen eine Kundgebung statt.
Länger zurück – im November 2010 – liegt der Suizid von Ded Gecaj im Gefängnis St.Gallen. Ihm wurden die Tötung des Lehrers Paul Spirig sowie Sexualdelikte angelastet. Auch dort gab es danach Vorwürfe von Angehörigen – und schliesslich Klagen. Die Anklagekammer lehnte es ab, ein Strafverfahren gegen Betreuer und Verantwortliche einzuleiten. Im Mai 2014 hob dann allerdings das Bundesgericht diesen Entscheid auf und ebnete den Weg für ein Strafverfahren.
Das Bundesgericht stellte in seinem Urteil unter anderem fest, dass die Schwere einer Kopfverletzung vier Tage vor dem Suizid nicht korrekt diagnostiziert worden sei und dass im Bett eine Schlinge gefunden wurde. Die Berichte der Staatsanwaltschaft hätten keine Argumente enthalten, weshalb aufgrund dieser Indizien die Gefahr einer Selbsttötung nicht erkennbar gewesen wäre, erklärten die Richter.
Damit stehen Vorwürfe aus einem Gerichtsprozess im Raum, dazu laufen Untersuchungen über zwei Suizide, die alle das Gefängnis St.Gallen betreffen. Weisen die Fälle auf grundsätzliche Probleme bei der Betreuung hin – oder handelte es sich dabei um eine zufällige Verkettung von Ereignissen? Die Frage richtet sich an das Amt für Justizvollzug sowie an die Staatsanwaltschaft, die für die Untersuchungen zuständig ist.
Er sehe keinen Zusammenhang zwischen den einzelnen Fällen, erklärte Joe Keel, Leiter des Amtes für Justizvollzug. Die im Prozess geäusserten Vorwürfe seien ihm bekannt. Er habe Beschwerdebriefe erhalten und man sei der Sache nachgegangen. Objektiv sei nichts falsch gemacht worden, stellte Keel fest. Es könne allenfalls sein, dass Unterschiede im atmosphärischen oder im zwischenmenschlichen Bereich eine Rolle spielten.
In Uznach sei ein ziviler Betreuer die ganze Woche über verantwortlich, in St.Gallen gebe es einen Schichtbetrieb – auch wenn es sich ebenfalls um kein grosses Gefängnis handle, sagte Keel. St.Gallen sei zudem von der Infrastruktur her «kein einfaches Gefängnis».
Noch kein Ergebnis gibt es von der Untersuchung des Suizids des 19-Jährigen von anfangs Oktober. Der Fall werde von der Staatsanwaltschaft weiter untersucht, erklärte Natalie Häusler, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Das gleiche gilt für das Verfahren im Fall Gecaj. Es sei noch pendent, sagte Rolf Jäger, der dafür eingesetzte ausserordentliche Staatsanwalt aus Winterthur. Es würden noch Einvernahmen durchgeführt. Man könne keine Prognose abgeben, wie lange es noch dauere. (whr/sda)