Auch die Literatur kennt Listicles: Roland Topors 24 Gründe, warum er sich auf der Stelle hätte umbringen sollen
Ein vielseitiger Mensch war das, dieser Roland Topor. Für Fellinis «Casanova» (1976) hat er Zeichnungen gemacht, seinen Roman «Der Mieter» hat Polański 1976 verfilmt, für die bayrische Staatsoper entwarf er Bühnenbilder, und vor allem verdanken wir ihm den Film «Marquis» (1989).
Eine sehr schmuddelige Satire über das Leben des ebenso schmuddeligen Schriftstellers Marquis de Sade: Hier führt dieser in Ungnade gefallene Adlige mit seinem überdimensionalen Penis einen Haufen tiefgründiger Dialoge, alle Schauspieler tragen Tiermasken. Und der schwule Bastille-Wärter Ambert will so gerne mit dem Marquis schlafen, doch stattdessen kriegt er nur eine Prostata-Massage mit einem Hummer.

An diesem Film sieht man schon ein bisschen, was für eine Art Humor Topor hatte. Und das trotz seiner nicht ganz einfachen Geschichte als polnisch-jüdischer Einwanderer in Paris. Sein Vater wurde während der nationalsozialistischen Besatzung Frankreichs in Pithiviers interniert, einem Durchgangslager für jüdische Franzosen, 6000 von ihnen wurden weiter nach Auschwitz deportiert. Abraham Topor gehörte nicht dazu. Er konnte fliehen.
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Wolfram Siebenbeck fragte seinen Freund Roland Topor einmal, ob er wohl eines Tages mit grossem Pomp auf dem Friedhof Père-Lachaise beerdigt werden würde. Neben Cocteau und Sartre vielleicht. Topors Antwort:
Das tat er nicht. Er liegt auch auf dem Friedhof von Montparnasse. Aber nicht ganz neben Sartre.
Und umgebracht hat er sich auch nicht. Aber er hätte 100 Gründe dafür gehabt. Hier sind 24 davon:
1. Um meinen Psychoanalytiker zu ruinieren.
2. Ich bringe so rasch wie möglich in Erfahrung, ob ich unsterblich bin.

3. Die letzte Volkszählung wird dann nicht mehr stimmen.
4. Ein unfehlbares Mittel gegen meine Glatze.

5. Um mein Horoskop Lügen zu strafen.
6. Ich werde dazu beitragen, dass der Rasen grün wird.

7. Um die erhabenen Wonnen der Seelenwanderung auszukosten.

8. Weil ich von den Wetterberichten enttäuscht bin.

9. Ich werde das letzte Wort haben.

10. Ich habe nichts mehr anzuziehen.

11. Ich kann nicht mehr mit der Angst leben, von meinem Körperspray im Stich gelassen zu werden.

12. Ich will unbedingt dazu beitragen, dass die Strassen bei Ferienbeginn nicht mehr so verstopft sind.

13. Um mich an den Wahlen vorbeizudrücken.

14. Ein Maul weniger zu stopfen.

15. Um die zu zählen, die an meinem Begräbnis weinen.
16. Um nachts nicht mehr zu schnarchen.

17. Um als Gespenst zu erscheinen und meine Feinde an den Beinen zu ziehen.

18. Mit dem Revolver werde ich nach zehn die Ruhe stören.

19. Weil ich eine im Aussterben befindliche Gattung bin, die niemand schützt.
20. Damit man mich schön macht, wenn ich kalt bin.
21. Um zu sehen, ob die Lahmen auf meinem Grabe geheilt werden.
22. Weil ich alle Abenteuer von Sherlock Holmes gelesen habe.

23. Um meine Revolution zu machen.
24. Um meinen Freundeskreis zu erneuern.

