Ich weiss nicht, wie's euch geht, aber ich liebe die neue Bachelorette. Weil? Die Frau hat eine schöne, hervorstechende körperliche Eigenschaft. Beziehungsweise eben nicht hervorstechend. Sie hat kurze Fingernägel! Obwohl sie Make-up-Artistin ist! Oder gerade deshalb?
Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich diese spachtellangen Krallen jeweils anwidern. Erstens optisch, zweitens hygienisch, drittens phobisch. Darunter sammelt sich doch im Lauf eines Tages so viel Dreck an! Halbe Kompostkübel! Wie fühlt es sich an, von derartigen Säbelhänden liebkost zu werden? Und klackern diese Dinger nicht ständig wie die Chitin-Panzerplatten eines Rieseninsekts gegeneinander? Jedenfalls hoffe ich, dass Bachelorette Yuliya mit ihren Nägeln im hoffnungslos verkommenen Segment des Schweizer Trash-TVs einen neuen Trend zu setzen vermag.
Yuliya also. Yuliya ist 160 Zentimeter grossklein, mag keine Intimbereichs-Piercings oder Dreier, schläft gerne nackt, ist im Bett auch schon mal dominant und hat «Megaluscht» auf die grosse Liebe. Das Wichtigste in ihrem Leben sind «Äggschn und Gschwindigkeit», denn die symbolisieren irgendwas, das eine ist Mut, das andere habe ich vergessen, wahrscheinlich ist es «Lideschaft».
Am süssesten fände ich es, wenn sich Yuliya mit Yuri paaren würde. Dann wären sie Yuyu, was nach einem asiatischen Süssgetränk oder einem Bubble Tea klänge und auf jeden Fall niedliche Manga-Figürchen – wie Yuri sie in seiner Freizeit malt! – auf dem Etikett hätte. Yuri, 27, halb Italiener, halb Bündner, schenkt ihr beim Erstkontakt, also nach dem Ausstieg aus der Kandidaten-Limousine, ein Holztörchen, das einen Kompass freigibt, der wiederum zu seinem Herzen führt. Megaherzig, oder?
Aber Yuri ist nur einer von 16 Rosenrittern, auch andere lassen sich nicht lumpen, sie verkleiden sich als Geschenk (Luca) oder als Frosch (Gökhan), machen den Handstand (Andrei), spielen «Skyfall» auf dem Saxophon (Matthias) oder überreichen einen Teddybär aus Rosen. Sehr gerührt ist Yuliya von Thiemo, 26, der ihr ein zartes Hirschlein gezeichnet hat, das «Muet, Schtärchi, Lideschaft» symbolisiert.
Yuliya möchte Dino, 27, am liebsten anknabbern. Man weiss nicht so wirklich wieso. Dino war noch mit 19 eine übergewichtige Jungfrau, doch dann hat er seinen kleinen Rambo aus dem Speckmantel befreit und ist jetzt ein bleicher Basler Dating-Coach, der gleich in «Baywatch»-Badehose auftritt.
Ebenfalls aus Basel ist Kampagnenmanager und Hobby-Barkeeper Gian, ein Arbeiter auf zu vielen Baustellen, der seine Schwächen zu Stärken machte, weil ihm keine andere Wahl blieb (Näheres erfahren wir garantiert bald, ob uns das interessiert oder nicht). Er hat ein Gedicht für Yuliya geschrieben. Und das geht so:
Es isch ändlich so wit.
Ändlich begägne mer ois, es isch Ziit.
Ich und du – e jungi, sympatischi Dame.
Deswäge han ich dich wölle frage: Öb du die Rose wötsch anäa.
Äh! Das muesch du mich ja frage!
S'einzig, wonich cha mache, isch hoffnigsvoll warte.
Ich freu mich extrem uf die Schtaffle,
wenn sie verbi isch, lad ich dich ii uf e Waffle.
Ist das jöh oder jöh? Staffel reimt sich auf Waffel! Darauf kommt nur, wer die Basler Herbstmesse kennt. Und: Voller Erfolg, Gian kriegt die «First Impression»-Rose.
Neben Thiemos zartem Bleistift-Hirschlein gibt es natürlich noch die Platzhirschen, die beiden Deutschen Marcel und Salvatore, beide sind in Deutschland bekanntere TV-Persönlichkeiten, weshalb sie auch Mühe haben, überhaupt noch unbefangen die grosse Liebe kennenzulernen. Gut, bei Marcel mag dies auch an der Charakterfrage scheitern.
Aber hey, was wissen wir, das ist erst die erste von unzähligen packenden Folgen, vielleicht verbirgt sich bei Salvatore ein kleiner Prinz William im Tattoomantel und bei Marcel ein kleiner Keanu Reeves im Ekelpäckli. Man muss allen eine Chance geben. Nur Patrick, der ehrgeizige Elektriker aus St.Gallen, und Gökhan, der unlustige Comedian im Froschkostüm aus dem Aargau, kriegen keine weitere Chance von Yuliya. Eine verständliche Abwahl.
Und sonst? Es wird sich zwischen Yuri und Yuliya ein tiefes Gespräch zu den Themen Väter, Stiefväter und Tod ergeben. Erscheinungs-Fachfrau Yuliya wird versuchen, Salvatore seine herbeigesehnte Haartransplantation auszureden. «Bünzlischweizer» Heinz wird weiterhin versuchen, ihr das Golfspiel körpernah beizubringen, Andrei ebenso den Handstand. Yuliya, die sich selbst wirklich beneidenswert schön schminken kann, wird einer Rose ähnlich bleiben, während sich auf den Gesichtern der Männer noch mehr Hitzepickel und Rasierbrand breit machen werden.
Doch irgendwann wird das süsse, sündige Treiben der liebestollen Gesellschaft auf Phuket wohl eingeholt werden von der ganzen Schwere der Realität. Yuliyas Heimat war nämlich bis zu ihrem elften Jahr die Ukraine. Sie liebt und vermisst die Ukraine auch heute noch. Die meisten «Bachelorette»-Folgen sollen vor Kriegsbeginn bereits abgedreht gewesen sein. Aber irgendwann kommt die Konfrontation. Vielleicht erst bei der Wiedervereingungs-Folge. Vielleicht früher.
Vielleicht werden unter dem Druck der Ereignisse ein paar Gefühle wahrer. Ein paar Fakes drastischer entlarvt. Ein paar Marcels schneller nachhause spediert. Alles ist jetzt ein bisschen anders. Die Kulissen diverser Gewissheiten werden so radikal verschoben, bis wir nichts mehr sehen als das Wahrhaftige. Oder das grosse Nichts. Oder Yuyu. Bald werden wir's wissen.
Sind lange Fingernägel wirklich ein wichtiger Körperteil?
Wenn ja, wichtig wozu?