Wisst ihr noch, wie ich euch im Jahr 2023 davon erzählt habe, dass Sandro und ich zusammen in der Paar-Therapie gelandet sind? Nach einer Sitzung jedenfalls war es so, dass mir der Therapeut riet, einige Male alleine zu kommen.
Ich war also da.
Nach ein paar Terminen war mir noch klarer, was für mich sowieso schon zu 98 Prozent klar war: Ich bleibe Kartoffeln-frei. Nicht, dass ich das noch nie gesagt habe, aber da war immer ein Quäntchen Zweifel. Schliesslich habe ich mit Sandro einen potenziellen Super-Dad an meiner Seite.
Immer wieder ploppten Bilder von meinem inneren Auge auf. Wir, zu viert, unfassbar glücklich und braungebrannt und fröhlich kuschelnd und spielend an den Stränden dieser Welt. Sandro, ein Junge, ein Mädchen und ich. Und Strandwelpen, die logischerweise alle von uns adoptiert werden wollen.
Kein Schlafmangel. Kein Alltag. Keine Schulzeit, die wir begleiten müssen, kein Pubertäts-Terror, nichts. Nur Perfektion.
Dann ist da aber noch die Realität: nur Sandro und ich an Stränden. Sonnenuntergänge, Schirmchendrinks, in den Tag leben, in die Nacht leben. Keine Rücksicht, keine Verpflichtungen, Sex everywhere und anytime. Da bin ich daheim. Da will ich daheim bleiben.
Also musste ich final das tun, was mein Herz in Billionen Teile zerlegte. Meines, Sandros und das von unseren Eltern: Ich musste klar und deutlich kommunizieren (danke, Herr Therapeut!), dass ich kinderfrei leben will. Und dass diese Entscheidung nicht verhandelbar ist.
Sandro wusste es bereits. Lebte aber in der Hoffnung, dass ich mich schon noch umentscheiden werde. Bin ja ein flatterhaftes Gemüt. Nicht unwahr.* Heisst aber nicht, dass man, nur weil man flatterhaft ist, keine Entscheidung treffen und hinter dieser stehen kann.
*Shoutout an alle flatterhaften Gemüter da draussen.
Nun ist Sandro also im Bilde. Und damit am Boden zerstört. Was auch mich ins Tal der Tränen rückt. Ist ja nicht so, dass mich mein eigenes Empfinden nicht traurig oder nachdenklich stimmt.
Es betrübt mich, dass ich nie die Liebe zu einem eigenen Kind fühlen werde. Dass ich nie schwanger sein werde. Nie eine eigene Kartoffel zur Welt bringe. Und diese mit viel Liebe und viel Sandro und Passion zu einem möglichst tollen Erwachsenen grossziehe.
Kurz nach Weihnachten, ich bin ja schon kein unsensibles Arschloch, habe ich meinen Eltern gesagt, dass sie nie Grosseltern werden. Meine Mutter hat leer geschluckt und den Raum verlassen. Bruno, mein Vater, hat mich in den Arm genommen, mir einen Kuss auf die Stirn gedrückt und ist meiner Mutter nach, die 100 Prozent im Schlafzimmer sass und weinte.
Sandros Eltern, Herr und Frau Fischer, haben anders reagiert. Sie haben im ersten Moment abgenickt und gefragt, ob er noch ein Stück Kuchen will. Ich war nicht dabei. Habe also nicht mitbekommen, wie Frau Fischer meinte, dass ja «noch nicht aller Tage Abend ist und Sandro irgendwann doch noch auf eine Frau treffe, die seinen Wunsch nach Familie erfüllen will».
Sandro antwortete, dass ich seine Familie bin. Dass niemand wisse, was in ein paar Jahren ist. Dass er aber, Stand jetzt, sich sein Leben mit niemand anderem vorstellen kann und will. Frau Fischer hat abgenickt. Ich geweint, als ich davon erfuhr.
Warum ich euch das alles auch noch mal erzähle, fragt ihr euch.
Dafür gibt's zwei Gründe:
1. Der Therapeut riet dazu.
2. Ihr fragt immer wieder mal nach einem Kartoffeln-Update. Et voilà!
Nächsten Montag besiegle ich meine Entscheidung mit einer Spirale. Sandro kommt mit und hält Händchen. Ich habe mich selten so frei gefühlt wie just in diesem Moment.
Natürlich ist mir Sandros Wunsch nach Kartoffeln bewusst. Natürlich ist mir auch klar, dass irgendwann eine sehr viel Jüngere mit einer gebärfreudigen Gebärmutter um die Ecke kommen kann und Sandro dann möglicherweise weg ist.
Was aber ist die Alternative? Aus Panik vor genau dieser Situation Kartoffeln zu gebären, um ihn zu halten? Will ich so was? Nein!
Und nun können wir feierlich alle zusammen das Kartoffeln-Thema begraben. Ich öffne schon mal den Schämpis.
PS: High five, lieber Herr Therapeut. Was gehen wir als Nächstes an? Mein Vorschlag: Wie können Frau Fischer und ich koexistieren, ohne dass ich ihr mal Gift in den Kafi kippe?
Meine Enttäuschun war, dass sie die schönen Momente, die ich mit meiner Tochter hatte, nie erleben wird. Aber ich freu mich, dass sie die schwierigen Situationen die ich als Mutter hatte, nicht durch machen muss. Somit: Ihr Leben, ihr Entscheid.
Wenn Emma keine Kinder will, soll sie auch keine haben.