Ich habe nun schon 14-mal den ersten Satz geschrieben und wieder gelöscht.
(Wie ich weiss, dass es genau 14-mal waren? Weiss ich nicht. Bin doch kein Verrückter, der mitzählt, wenn er auf delete drückt. Habe geschätzt.)
Warum das so ist? In meinem Kopf hatte ich den perfekten Text vorbereitet. Ich wollte über die Vorteile und das perfekte Set-up einer Friends-With-Benefits-Situation schreiben. Ein paar Tipps geben. Bisschen Mansplaining betreiben. Wo kann ich das schon machen, ohne dass ich zurechtgewiesen werde? Ich werde zu Recht zurechtgewiesen, schon klar. Aber ist trotzdem geil, bisschen Weisheit zu verbreiten. Schaut, das würde ich nie und nimmer wirklich sagen. Ihr kriegt hier eine sehr reale Seite von mir zu sehen, die sich niemals in der Realität zeigen würde. Ich habe dänk Manieren! Die härteste Schule der Welt hinter mir, sprich: Ich habe vier Schwestern. Okay, vielleicht waren es drei. Oder fünf. Ich traue mich nicht, hier zu schreiben, wie viele Schwestern es sind. Sonst geht's dann schnell und die Leute wissen, wer ich bin.
Alle wussten im Dorf, wer ich bin: «Der Junge mit den vielen Schwestern.» Irgendwann war ich «der Grosse mit den vielen Schwestern».
Ja, ich bin gross. Wäre das ein Tinder-Profil, hätte ich das längst erwähnt. Aber ist es ja nicht. Bin ja inkognito. Deshalb bringt es auch nichts, das zu schreiben. Kann ja keine von euch treffen. Sonst ist ja der ganze Witz der Anonymität dahin.
Item.
(Nervt ihr euch schon? Dass ich ein Mann bin? Dass ich hier bin?)
War nicht meine Idee. Emma hat mich gefragt. Emma! EMMA! Echt!! Dass sie sich für diesen Namen entschieden hat … ich werde nie darüber hinwegkommen. Sie ist so ganz und gar keine Emma. Emmas haben violette Rüschenkleidchen an und klatschen aufgeregt in die Hände, wenn sie einen Hund sehen. Emma tut das nicht. Emma klatscht nie in die Hände. Ausser vielleicht sie applaudiert. Aber wir waren nirgends zusammen, wo sie hätte applaudieren sollen. Folglich weiss ich nicht, ob sie tatsächlich klatscht, wenn sie applaudiert. Aber ich wusste ja auch nicht, dass Emma Emma ist.
Sie hat gesagt, ich sei frei darin, worüber ich schreibe, aber was ich vielleicht unterlassen sollte, sei zu erwähnen, dass ich grundsätzlich finde, Beziehungen seien überbewertet und viele Frauen miserable Blowjob-Geberinnen. Dass ich keine Kinder wolle, das sei vielleicht auch eher eine Info, die nicht gleich raus soll. «Am Änd vom Tag wollen die Leute Liebesgeschichten lesen», hat sie gesagt.
Nun, das kann ich nicht bieten. Sorry. Aber, ABER, es ist mir auch egal, wenn ihr mich nicht mögt. Falsch, ihr dürft mich nicht mögen. Hallo? ICH BIN DER NEUE! Die Neuen müssen immer «unä durä». War schon in der Schule so. Wer neu dazu kommt, muss sich erst beweisen, sich das Wohlwollen der Anderen verdienen. Ausser vielleicht man geht in die Steinerschule, dann tanzt man die Namen der Neuankömmlinge. Aber ich ging nicht in die Steinerschule. Und das hier ist auch nicht die Steinerschule.
(Ich sage nicht, dass es gut ist, die Neuen zu hassen. Ich sage nur, es ist okay, wenn ihr es tut. In diesem Fall. In anderen Fällen… da reden wir sonst mal drüber.)
Warum Emma gerade mich gefragt hat? Ich könne schreiben, hat sie gesagt. Nohja… wenn ich diesen Text so lese, glaube ich, sie lag falsch. Aber jetzt ist es zu spät.
Ich will wohl ablenken, nicht zur Sache kommen, die da ist, dass meine gelobt-geliebte Friends-With-Benefits Situation zu einem anstrengenden Wir-müssen-reden-Fall geworden ist.
Es lief gut. Es lief schon lange. Lange ist in diesem Fall drei Monate und «gut» bedeutet, dass sie Butter war, wenn wir Sex hatten. Frauen, die zu Butter werden, sind das wahre Glück. Der Stolz eines jeden Hetero-Mannes. Wenn ihr älter als 17 seid und eure sexuellen Erfahrungen nicht auf Pornos basieren, wisst ihr, dass es nicht immer so ist.
Wenn ihr nach langem Trial-And-Error oder im besseren Fall dank klaren Anweisungen, wenn ihr irgendwann raus habt, was ihr gefällt, und ihr macht das, logisch, seid ja keine Idioten, und sie liegt da wie zerlassene Butter, alles ist weich und schwer und sie bewegt sich kaum noch, wenn ihr ganzer Körper zu Gummi wird und ihr genau steuern könnt, wann sie kommt, Leute, das ist verdammt noch mal SEHR GUT!
Das gibt man nicht so schnell her, wenn man sich das mal erarbeitet hat. Vor allem nicht, wenn man in dieser Zeit auch ganz klar erklären konnte, was der perfekte Blowjob ist und die Frau die Instruktionen wirklich absolut vorbildlich umzusetzen weiss.
Wir sahen uns immer Mittwochs. Mittwochs musste sie in der Stadt übernachten. Weiterbildung-irgendwas. Manchmal kam sie betrunken zu mir, fand ich okay. Manchmal schon etwas früh, fand ich etwas anstrengend, aber auch okay. Ich mochte sie. Nennen wir sie Sina. Ich mochte Sina. Sie war unkompliziert, kam mitsamt ausklappbarem Zahnbürsteli und winzigem Reiseföhn und verliess am nächsten Morgen die Wohnung, noch bevor ich wach war. Wir hatten nicht die tiefgründigsten Gespräche und sie verstand nicht alle – wirklich guten! – Sprüche meinerseits, aber egal: Es war eine gute, nein, sehr gute und überdurchschnittlich angenehme Situation.
Und dann eröffnete sie mir vorgestern, dass sie nicht mehr vorbeikommen könne. (KÖNNE! Nicht wolle. Könne, sagte sie.)
Ich war nicht überrascht. Nicht wirklich. Dieser Moment kommt ja immer irgendwann. Spätestens, wenn sich eine Frau verliebt. In mich oder einen anderen. Verlieben ist das sichere Ende. Sina aber war nicht verliebt. Sie wollte sich verlieben. «Ich will den Real Deal», hat sie gesagt. Ich fand, wir hatten den Real Deal. Aber sie wollte was anderes. Sie sei zu alt für eine Affäre, sie müsse was Richtigeres suchen.
Ich sagte ihr nicht, dass es nur richtig oder falsch und nicht «richtiger» gibt. Sicher nicht. Ich war verständnisvoll. Aber ich versuchte ihr natürlich zu erklären, dass sie problemlos und ungeniert mit der Suche beginnen könne, und wir trotzdem weiter Sex haben können. Hatten wir, aber es sei das letzte Mal, hat sie gesagt.
War es das? Bis Mittwoch dauert es noch ein paar Tage. Vielleicht ändert sie ihre Meinung ja wieder.
So long,
Big Ben
Leider gar nicht mein Niveau...