Ich hatte schon öfters schlechten Sex. Gehört wohl zum Leben. Nicht alle sind mit allen kompatibel. Voll easy. Wirklich.
Der Sex, den ich neulich mit Fabio habe, ist nicht klassisch schlecht. Er ist viel mehr schräg. Da ist so keine Leidenschaft. Also seinerseits. Ich find Fabio heiss. Dementsprechend bin ich scharf auf ausgiebiges Vögeln.
Fabio ist eine Verkupplungsaktion. Habe in meinem Umfeld breit gestreut, dass ich offen für arrangierte Spazier-Dates bin. Geht ja in Zeiten von Corona kaum anders. Und ist, ich hätte es selber kaum geglaubt, noch spannend.
Bevor Fabio in meinem Bett landet, waren wir drei Mal aus. Einmal am See, einmal am Fluss, einmal im Wald. Das muss an Romantik reichen. Unsere Gespräche waren stets super.
Und unsere Interessen? Identisch! Musik-technisch könnte meine Playlist auch seine sein! Er hat wie ich auch «Bridgerton» angefangen zu gucken und noch wichtiger: Er lässt mich «Gossip Girl»-Fangirl sein, ohne mir zu erklären, wie unfassbar dämlich diese Serie eigentlich ist.
Soweit, so wunderbar. Spulen wir nach vorn. Wir sitzen in meiner Küche. Wein (wir), Zigaretten (er), viel Chips (ich) und meine 80er-Jahre-Playlist. Alles super. Alles easy. Zum ersten Kuss kommts zwischen Kühlschrank und Spüle.
Fühlt sich gut an.
Ich ziehe Fabio aufs Sofa. Wir knutschen wie wild. Dann ziehe ich ihn aus. Lange ist nur er nackt. Und lange bin vor allem ich der aktive Part.
Also ziehe ich mich irgendwann selber aus. Dass Fabio nicht so sehr an meinem Körper interessiert ist, schnalle ich eine Weile nicht. Bin ja in Fahrt. Und grad im gebenden Part. Und dann fällts mir dann aber doch noch wie Schuppen von den Augen: Fabio berührt mich so gut wie gar nicht.
Meine Brüste interessieren ihn null. Zero. Nix. Nada. Das ist nicht per se schlimm. Nicht alle können/sollen/müssen auf meine Brüste stehen. Aber wir haben hier ja grad quasi Sex. Da ists, nun, schräg.
Auch das Höschen, das ich abstreife, erregt Fabios Aufmerksamkeit nicht. Er liegt einfach da und nimmt. Und nimmt. Und nimmt. Ich nehme seine Hand und führe sie zwischen meine Beine. Er macht da biz was und nimmt sie dann schnell weg.
Öhhhhhm.
Irgendwann gehts dann Richtung Penetration. Das ist, ja, wie soll ich sagen, okay … kein Knaller, aber auch kein Drama. In Sachen verschiedene Stellungen will ich etwas mehr als er. Er will aber eigentlich so gut wie gar nicht wechseln.
Spulen wir vor.
Nach dem Sex raucht er eine Zigi. Ich öffne eine weitere Packung Chips. Irgendwie ist die Stimmung leicht gedrückt. Alles gut, frage ich. «Na ja» sagt er. Sei jetzt nicht so der Hit gewesen, meint er. Ich lache. Sei kein Problem, manchmal müsse man sich etwas eingrooven. Bla Bla.
«Das ist es nicht, Emma.» Ich horche auf! «Schau, ich will und kann es mir einfach nicht eingestehen und drum schlafe ich immer wieder mit Frauen, um mir etwas zu beweisen. In Tat und Wahrheit aber bin ich wohl schwul.»
Bääääm.
Eine Nanosekunde lang weiss ich nicht, ob ich mich jetzt etwas missbraucht fühlen sollte. Ich tus nicht. Meine Emotionen sind vor allem damit beschäftigt, Mitleid mit Fabio zu haben.
Jetzt brechen die Dämme. Er heult. Von Sex auf Tränen in weniger als fünf Minuten. Ich versuche den Guten zu trösten, ihm Mut zu machen. Wegen des vielen Weines werde aber auch ich etwas schwermütig.
Während er mit seiner Sexualität zu kämpfen hat, schiessen auch mir die Tränen in die Augen. Ich bin müde. Corona-müde. Mir fehlen alle und alles. Das Leben. Das Feiern. Das unbeschwerte Daten. Das Tanzen.
Und so sitzen wir also da. Bei mir auf dem Küchenboden. Halbnackt. Verheult. Gemeinsam einsam.
Dann durchbricht Fabio das Szenario. Er müsse noch ein Geständnis machen. «Emma, tausend Sorry. Ich bin nicht nur fünf Jahre jünger als du. Ich bin elf Jahre jünger als du.»
Jetzt muss ich sehr fest lachen.
Fabio auch.
Der schräge Sex. Die Lügen. Die Tränen.
«Fabio», sage ich. «Schnallst dus? Dieser Abend hier, er ist das Fundament einer sehr geilen Freundschaft.»
«Emma», sagt er. «Du und ich, das wird vielleicht die beste Freundschaft, die ich je hatte.»
Und so, liebe Freunde, so haben wir uns in sehr kurzer Zeit mit dem Sex und dem Leben nicht nur versöhnt, nein, wir haben es gefeiert.
Ende gut, alles sehr sehr gut.
Adieu,
Wo bleibt hier die Kommunikation?
Ich (Hetero) könnte nie im Leben Sex mit einem Mann haben, nur um mir oder anderen zu Beweisen, dass ich Homo und nicht Hetero bin.
Das die solche Sachen auf sich nehmen bedeutet doch nur, dass sie eigentlich am Druck (von wo der auch immer kommt) zerbrechen.
Dabei wäre es so einfach: Leben und leben lassen!
Es lohnt sich also sehr, den armen Kerl zu einem guten Freund zu machen. Nicht dass unsere liebe Emma ihren Blog noch aus dem Knast heraus schreiben muss. Wobei dies natürlich auch lustige und interessante Geschichten sein könnten.
Ich frage mich, wie Emma immer an so schräge Typen gerät.