Als Wanda die Tür aufmacht, frage ich mich, ob wir an der Wisteria Lane sind und ob das die etwas jüngere Version von Bree Van de Kamp ist, die uns anstrahlt.
Young Bree hat eine perfekte Frisur. Und perfekte Augenbrauen. Die Lippen sind akkurat geschminkt. Sie trägt ein Blüsli, eine enge Stoffhose und, logisch, Ballerinas.
Ihre Stimme ist hoch. Also ihre Gastgeberstimme, nehme ich an. Ich kenn das von vielen Frauen. Wenn sie mit ihren Typen telefonieren, schwatzen sie einige Oktaven höher. Reden sie mit ihren Kartoffeln, ist's noch schlimmer.
Aber die Gastgeberin-Stimme, die ist mir ziemlich neu. Bree heisst nicht Bree. Sie streckt uns ihre perfekt manikürierte Hand entgegen und stellt sich als Wanda vor. Wanda gehört zu Thomas, einem Kollegen von Sandro, der uns schon lange mal einladen wollte.
Wir haben gesagt, dass wir das Dessert bringen. Haben wir auf dem Weg noch rasch gekauft. Den Wein, den wir dabeihaben, ist ein sehr guter Tropfen. Nehme ich an. Hab ich mal von einem Gast bekommen, der auf Luxus steht. Gehe also davon aus, dass das ein Gastgeschenk ist, das sich super zum Weiterverschenken eignet.
Wanda lächelt gekünstelt. Ob der Kuchen an die Kühle muss, fragt sie. Was weiss ich. Ja, ja, sage ich. Ob ich sicher bin? Ja, ja.
Mit Schoggikuchen kann man ja nicht viel falsch machen. Auch wenn man ihn selber macht, sagt Wanda und blinzelt.
Okay. Wanda. Hau ab. Wanda.
Ich lächle. Sie lächelt. Sandro lächelt.
Hihi. Hehe.
Scheissabend.
Dann kommt Thomas. Rote Jeans, weisses Ralph-Lauren-Poloshirt. Immer wieder lustig, wie sehr Sandro nicht in diese Welt passt und wie sehr sie ihn da trotzdem, oder genau deswegen, lieben.
Es gibt einen krassen Apéro. Alles selber gemacht. Krasser als alles, das ich bei «Swiss Dinner» gesehen habe. Irgendwelche Pasteten auf exklusiven Gebäcken. Dann noch mehr Gebäck und selber gemachte Brotaufstriche auf selber gezauberten Irgendwas.
Wanda strahlt. Sie wartet auf Komplimente. Fein, sage ich. Sandro nickt zustimmend. Wanda will ausholen und erzählen, wie sie alles zubereitet hat. Thomas will aber über anderes schwatzen. Findet Wanda doof.
Ob ich eine Hausführung will. Hab ich eine Wahl? Hab ich natürlich nicht.
Also schaue ich mir alle Bilder an, die Wanda selber gemalt hat. Und alle Kissenbezüge, die sie genäht hat. Und alles Deko-Gedöns, das sie selber gebastelt hat. Und die piekfein aufgeräumte und krass organisierte Küche, die sie eingerichtet hat.
Woow, sage ich. Sehr schön, Wanda. Wanda strahlt. Sie sei schon immer eine sehr Kreative gewesen. Töpfern tut sie natürlich auch. Alles, was ich sehe, ist von ihr.
Was denn meine Hobbys sind, fragt Wanda. Ich habe keine. Lesen, sage ich. Was ich lese, fragt Wanda. Promi-Heftli, sag ich und lache. Sie lächelt gequält.
Ob ich gerne koche. Nöö, null, sag ich. Was denn Sandro und mich so verbindet. Reisen? Sport? Wandern?
Netflix, gute Partys und Sex, denke ich. Und Nacktbaden. Wandern, sage ich. Schön, findet Wanda. Wir können ja mal zusammen gehen.
Ähä, sage ich.
Dann müssen wir zurück in den Esssaal. Sie muss fertig kochen. Wanda tischt uns einen enorm krassen Fünfgänger auf.
Thomas tätschelt ihr immer wieder stolz aufs Knie. Seine Wanda, eine bessere hätte er nicht heiraten können, sagt er. Logisch küssen sich Wanda und Thomas, wenn sie sich zuprosten.
Mir ist total bewusst, dass solche Abende total normal sind in den 40ern, in denen Sandro und ich stecken. Aber holy Fuck, ich hasse es. Hasse alles daran. Fühle mich komplett unwohl. Mag Wanda nicht, mag alle Wandas nicht und alle Wandas mögen mich nicht.
Abende wie dieser haben aber auch Gutes. Sie rufen in Erinnerung, warum unser Leben so lässig ist, wie es ist. Eine gemeinsame Wohnung haben wir immer noch nicht gefunden.
Genauso wenig wie ein gemeinsames Hobby.
Ausser Chillen und Wein trinken und Heavy Petting im Kino zählen.
Bist du glücklich, so wie es ist, frage ich Sandro. «Sehr», sagt er. Nur das mit der gemeinsamen Wohnung, da sehne er sich schon danach.
Kommt Zeit, kommt Palast. Da bin ich mir sicher. Und darauf freue ich mich.
Oh, das habe ich nun wirklich geschrieben. Und enorm gefühlt.
Ich, Emma Amour, freue mich auf eine Wohnung mit Suff-SMS-Sandro. Ich freue mich auf unsere Küche, die wir kaum benutzen werden. Ausser für Sex. Und die Kaffeemaschine.
Nimm das, Wanda.
Herzlichst,
Emma
Das bringt es auf den Punkt :) Gäste wie du sind sehr mühsam. Hatte ich auch schon. Aber ich frage dann einfach ungeniert: wieso kommt ihr, wenn ihr solche Dinge nicht mögt? Aus Höflichkeit? Es ist doch viel höflicher und besser, wenn man die Eier hat, abzusagen. Anstatt zu kommen und dann... sich an allem aufregen und so. Eine Absage hat noch niemanden umgebracht. Im Gegenteil, das zeigt doch Grösse, nicht?