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Netflix-Film wird von Oscars 2020 ausgeschlossen – der Grund sehr schräg

Lionheart
In «Lionheart» muss Adaeze die Firma ihres Vaters übernehmen, nachdem dieser erkrankt ist, und sich in einer männerdominierten Welt behaupten.Bild: Netflix

Netflix-Film wird von Oscars 2020 ausgeschlossen – der Grund ist ziemlich paradox

06.11.2019, 19:17
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Die Veranstalter der Oscars sehen sich aktuell einem Shitstorm gegenüber, weil sie einen Netflix-Film von der Verleihung 2020 ausgeschlossen haben. Dabei geht es weniger darum, dass ein Netflix-Film ausgeschlossen wurde, sondern vielmehr um den Grund dafür.

Denn wie die Academy mitteilte, werde der Film nun nachträglich disqualifiziert, weil er zu viel Englisch enthalte. Im ersten Moment klingt das durchaus plausibel, denn immerhin ist eine der strengen Auflagen für fremdsprachige Filme, dass der Dialog grösstenteils in der Landessprache des Landes sein muss, in welchem der Film produziert wurde.

Der in Nigeria gedrehte Netflix-Film «Lionheart» enthalte aber nur rund zwölf Minuten Dialog in der im Südosten Nigerias verbreiteten Sprache Igbo. Der restliche Film sei auf Englisch.

Der Witz dabei: Englisch ist wegen der Kolonialisierung von Nigeria durch die Briten im 19. Jahrhundert eine der offiziellen Landessprachen. Lange war sie sogar die einzige offizielle Amtssprache und noch vor einem Jahrzehnt existierte die nigerianische Verfassung nur auf Englisch. Erst 1960 wurde Nigeria unabhängig und hat seither weitere Sprachen als offizielle Amtssprachen eingeführt.

Der Trailer:

Nigerianer sind sauer und enttäuscht

Auf Twitter hat die Nachricht hohe Wellen geschlagen. Aus Nigeria melden sich immer mehr Personen über die sozialen Medien, die die Entscheidung nicht nachvollziehen können. Vor allem auch, weil die Academy die Kategorie «Bester fremdsprachiger Film» neu in «Bester internationaler Film» umbenannt hat, um das Dogma der zwingenden Fremdsprache etwas zu lockern.

Dieser Grund war es dann auch, warum Nigeria erstmals einen Film für die Oscars eingereicht hat. Dass der Film nun abgelehnt wurde, hört sich für viele nach einem schlechten Witz an. Die nigerianische Journalistin Ivie Ani fasst die Situation wie folgt zusammen:

«Mehr als 500 einheimische Sprachen werden in Nigeria gesprochen. Trotzdem ist Englisch aktuell die offizielle Landessprache.

Ein nigerianischer Film kann in der Oscar-Kategorie für den besten internationalen Film nicht gewinnen, weil er nicht international genug ist.

Kolonisatoren lieben es, die Kolonisierten dafür zu bestrafen, dass sie kolonisiert wurden.»

Viele Leute sehen es genauso und solidarisieren sich mit den Machern von «Lionheart» und äussern ihren Unmut bei Social Media. Alleine der Tweet von Ani wurde innerhalb von 24 Stunden über 25'000 Mal gelikt, ein anderer sogar fast 100'000 Mal innert zwei Tagen. In die Diskussion rund um das Thema sind auf Twitter Zehntausende involviert.

Genevieve Nnaji
Regisseurin Genevieve Nnaji.Bild: Wikimedia Commons

Auch Genevieve Nnaji, die Regisseurin von «Lionheart», zeigte sich über die Entscheidung enttäuscht. In einem Tweet versuchte sie noch einmal aufzuzeigen, wie wichtig Englisch für ihr Land sei:

«Dieser Film repräsentiert die Art und Weise, wie wir als Nigerianer sprechen. Dies beinhaltet auch Englisch, welches als Brücke zwischen den über 500 Sprachen dient, die in unserem Land gesprochen werden. Dies macht uns zu einem Nigeria.»

Die Oscars haben ein Image-Problem

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Oscar-Verleihung Kritik gegenübersieht. Viele der Traditionen und Regeln der Preisverleihung gelten als veraltet. Erst vor wenigen Jahren wurde kritisiert, dass viele der Academy-Mitglieder weisse, alte Männer seien, deren Meinung bezüglich dessen, was ein guter Film sei, angestaubt sei.

Zwar versucht die Academy seit geraumer Zeit, moderner zu werden, hatte damit aber bisher nur mässig Erfolg. So wollte man beispielsweise 2018 erstmals einen Oscar für den populärsten Film vergeben, damit auch beim Publikum beliebte Mainstream-Filme eine Chance haben. Dieses Vorhaben wurde aber im letzten Moment wieder gestoppt.

Mit der Umbenennung der Kategorie «Bester fremdsprachiger Film» in «Bester internationaler Film» sollte eigentlich genau so ein Schritt in eine moderne Zukunft gemacht werden. Doch eine Kategorie umzubenennen reicht nicht – es müssen auch die dazugehörenden Regeln angepasst werden.

Wer «Lionheart» gucken möchte, findet den Film auf Netflix.

(pls)

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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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tolgito
06.11.2019 21:00registriert August 2018
Ich möchte zuerst wissen was Trump oder seine Pastorin denkt... vorher ist eh alles Fake News
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qolume
06.11.2019 22:47registriert Februar 2014
Ich hab mir den Film grad wegen diesem Artikel angeschaut. Wirklich gute Produktion, die Story etwas vorausschaubar, aber durchaus unterhaltend. Ich kanns empfehlen. Gebe 7/10. Nigeria produziert übrigens durchaus gute Filme, ist stark am kommen!
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exeswiss
06.11.2019 22:35registriert Januar 2015
why are you running?!
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KateGate: Heute mit dem «doppelten Löckchen» und dem «toten» Charles
Nach dem gefälschten Muttertagsfoto soll Kate jetzt wirklich physisch in Erscheinung getreten sein. Und die Welt befürchtet wie immer das Schlimmste.

Es gibt Ufo-Sichtungen und neu auch Kate-Sichtungen. Denn wenn sich die halbe Welt seit Wochen fragt: «Wo ist Kate?», muss es auch Leute geben, die Kate allmählich herbeihalluzinieren. Ich weiss das, weil ich zu jenen Teenies gehörte, die in ihrer 80er-Jahre-Kindheit Ufos herbeibeschworen, dabei so lange in eine brennende Taschenlampe starrten, bis sie unweigerliche ufoeske Erscheinungen hatten, und garantiert am nächsten Tag im Garten Fussabdrücke von Aliens fanden. Wir fanden damals jedenfalls in erstaunlich vielen Gartenbeeten Alien-Spuren.

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