Die Veranstalter der Oscars sehen sich aktuell einem Shitstorm gegenüber, weil sie einen Netflix-Film von der Verleihung 2020 ausgeschlossen haben. Dabei geht es weniger darum, dass ein Netflix-Film ausgeschlossen wurde, sondern vielmehr um den Grund dafür.
Denn wie die Academy mitteilte, werde der Film nun nachträglich disqualifiziert, weil er zu viel Englisch enthalte. Im ersten Moment klingt das durchaus plausibel, denn immerhin ist eine der strengen Auflagen für fremdsprachige Filme, dass der Dialog grösstenteils in der Landessprache des Landes sein muss, in welchem der Film produziert wurde.
Der in Nigeria gedrehte Netflix-Film «Lionheart» enthalte aber nur rund zwölf Minuten Dialog in der im Südosten Nigerias verbreiteten Sprache Igbo. Der restliche Film sei auf Englisch.
Der Witz dabei: Englisch ist wegen der Kolonialisierung von Nigeria durch die Briten im 19. Jahrhundert eine der offiziellen Landessprachen. Lange war sie sogar die einzige offizielle Amtssprache und noch vor einem Jahrzehnt existierte die nigerianische Verfassung nur auf Englisch. Erst 1960 wurde Nigeria unabhängig und hat seither weitere Sprachen als offizielle Amtssprachen eingeführt.
Auf Twitter hat die Nachricht hohe Wellen geschlagen. Aus Nigeria melden sich immer mehr Personen über die sozialen Medien, die die Entscheidung nicht nachvollziehen können. Vor allem auch, weil die Academy die Kategorie «Bester fremdsprachiger Film» neu in «Bester internationaler Film» umbenannt hat, um das Dogma der zwingenden Fremdsprache etwas zu lockern.
Dieser Grund war es dann auch, warum Nigeria erstmals einen Film für die Oscars eingereicht hat. Dass der Film nun abgelehnt wurde, hört sich für viele nach einem schlechten Witz an. Die nigerianische Journalistin Ivie Ani fasst die Situation wie folgt zusammen:
Viele Leute sehen es genauso und solidarisieren sich mit den Machern von «Lionheart» und äussern ihren Unmut bei Social Media. Alleine der Tweet von Ani wurde innerhalb von 24 Stunden über 25'000 Mal gelikt, ein anderer sogar fast 100'000 Mal innert zwei Tagen. In die Diskussion rund um das Thema sind auf Twitter Zehntausende involviert.
Auch Genevieve Nnaji, die Regisseurin von «Lionheart», zeigte sich über die Entscheidung enttäuscht. In einem Tweet versuchte sie noch einmal aufzuzeigen, wie wichtig Englisch für ihr Land sei:
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Oscar-Verleihung Kritik gegenübersieht. Viele der Traditionen und Regeln der Preisverleihung gelten als veraltet. Erst vor wenigen Jahren wurde kritisiert, dass viele der Academy-Mitglieder weisse, alte Männer seien, deren Meinung bezüglich dessen, was ein guter Film sei, angestaubt sei.
Zwar versucht die Academy seit geraumer Zeit, moderner zu werden, hatte damit aber bisher nur mässig Erfolg. So wollte man beispielsweise 2018 erstmals einen Oscar für den populärsten Film vergeben, damit auch beim Publikum beliebte Mainstream-Filme eine Chance haben. Dieses Vorhaben wurde aber im letzten Moment wieder gestoppt.
Mit der Umbenennung der Kategorie «Bester fremdsprachiger Film» in «Bester internationaler Film» sollte eigentlich genau so ein Schritt in eine moderne Zukunft gemacht werden. Doch eine Kategorie umzubenennen reicht nicht – es müssen auch die dazugehörenden Regeln angepasst werden.
Wer «Lionheart» gucken möchte, findet den Film auf Netflix.
(pls)