Das längste TV-Medizindrama kommt nicht ohne ein bisschen Drama hinter den Kulissen aus. Hauptperson in dieser Story ist eine eher unscheinbare Person: die Drehbuchautorin Elisabeth Finch.
Ihre Karriere begann 2006 als Drehbuchassistentin bei «True Blood». Danach arbeitete sie bei «The Vampire Diaries», einer weiteren Vampirserie, bevor sie 2014 als Autorin und Produzentin bei «Grey’s Anatomy» anfing. Bei «Grey's» war sie nicht nur als Drehbuchautorin, sondern auch als Produzentin für über 170 Episoden angestellt.
Diesen Job bekam sie, nachdem sie in grossen US-Magazinen wie Elle, The Hollywood Reporter und Shondaland Essays geschrieben hatte. Sie hatte darüber berichtet, wie sie es schafft, Krebs (spezifisch: Chondrosarkom, ein meist tödlicher Knochentumor) und ihre Karriere in Hollywood unter einen Hut zu bringen.
Und das war, na ja, alles komplett erfunden.
Fangen wir von vorn an.
Begonnen hat alles im Jahr 2007. Während einer Wanderung verletzte Finch sich am Knie und musste operiert werden. Nach der OP erzählte sie ihrer Mutter, dass die Ärzte ihr gesagt hatten, dass ein Tumor entfernt worden war. Doch dieser Tumor existierte nie.
Nach und nach informierte sie die Personen in ihrem Umfeld über ihre «Krankheit» und holte sich dabei von allen Seiten Aufmerksamkeit und Sympathien ein. Im Jahr 2012 nahm sie sich eine sechswöchige Auszeit von der Arbeit, um sich in Minnesota einer intensiven Behandlung zu unterziehen. Während dieser Zeit lebte sie bei einem Freund, der sie zu jedem angeblichen Termin fuhr und wieder abholte.
Aus dieser Zeit stammt folgendes Zitat:
Zurück in Los Angeles fing sie an, ein Kopftuch zu tragen, mit Pflaster ihre angeblichen Wunden von der Behandlung abzudecken und mit dem Vorwand auf die Toilette zu gehen, sich zu übergeben.
Ein wichtiges Detail: Während Finch das College besuchte, wurde ihre Mutter mit Brustkrebs diagnostiziert. Dadurch wusste Finch genau, wie eine krebskranke Person aussieht, handelt und was für Unterstützung sie braucht.
Finch lehnte nicht nur die Hilfe von ihren Eltern ab, auch ihr Bruder, ein Arzt, durfte ihr nicht helfen. Als er anbot, mit ihren Ärzten über ihre Behandlung zu sprechen, liess Finch das nicht zu.
Leute, die Finch in dieser Zeit kannten, sagten aus, dass sie vor allem «Elisabeths Unabhängigkeit» und ihre Fähigkeit, trotz schicksalhafter Krankheit ihre Karriere zu behalten (und sogar weiter anzukurbeln), am meisten bewunderten.
In einer Kolumne für «The Hollywood Reporter» schrieb Finch 2019, wie ihre Krankheit zu einer Storyline in der 16. Staffel von «Grey's Anatomy» wurde. Sie selbst nannte ihre Krankheit im Artikel eine «Behinderung». Ursprünglich wollte sie zur Idee, ihre Geschichte in die Story zu schreiben, nein sagen, «bis ich mich im Autorenzimmer umsah und feststellte, dass ich die einzige Person war, die sich als Mensch mit einer Behinderung identifizierte».
In der besagten Folge bereitet sich Dr. Catherine Fox auf eine OP vor, die sie entweder heilt oder tötet. Den Ärzten ist es allerdings nur möglich, 95 Prozent des Tumors zu entfernen – sie wird ihr Leben lang Krebs haben. Doch, anstatt dass Catherine enttäuscht ist, entscheidet sie sich, das Leben zu feiern.
Finch schreibt:
Doch bei der Tumor-Lüge blieb es nicht. Zu einem Zeitpunkt erzählte sie, dass sie schwanger wurde, während sie aktiv in Behandlung war, und vor einer schwierigen Entscheidung stand: Ihre Behandlung zu pausieren, um das Kind auszutragen, und dabei zu riskieren, zu sterben, oder die Schwangerschaft zu beenden.
2017 schrieb Finch auf Facebook, dass sie eine doppelte Nierentransplantation benötige und auf der Suche nach einem Spender sei. Einer Kollegin erzählte sie, dass sie schlussendlich eine Niere von der Schauspielerin Anna Paquin («Das Piano», «X-Men») bekommen habe.
Ein Jahr später sagte sie, dass bei einem schrecklichen Massaker in Pittsburgh ein Freund von ihr erschossen worden sei und sie dem FBI geholfen habe, seine Überreste wegzuräumen.
Eine weitere fast unglaubliche Story ist, dass Finch für «Grey's» eine Episode schrieb, die, laut ihr, einer Freundin von ihr so passiert sei. Die Folge handelt von einem Vergewaltigungsopfer namens Joe. Kurze Zeit später lässt sich Finch unter dem Namen Joe in eine Psychiatrie einweisen. Dort scheint sie sich plötzlich wieder daran zu erinnern, dass ihr Bruder (der Arzt) sie missbraucht haben soll, als sie Kinder waren.
Damit nicht genug.
Finch war eine Weile nicht bei der Arbeit erschienen und schrieb folgenden Brief an ihre Vorgesetzten und Mitarbeiter:
Es muss wohl kaum ausgesprochen werden, aber keine der obigen Geschichten ist nur ansatzweise wahr. Ihr Bruder hat zu keinem Zeitpunkt versucht, sich selbst das Leben zu nehmen, oder sie misshandelt.
Die Vergewaltigungs-Story hat sie einer Frau gestohlen, die in der gleichen Anstalt war, weil sie von ihrem Mann misshandelt worden war. Später verliebten sich die Frauen und heirateten sogar.
Dann, im Februar 2022, brach Finchs Lügenschloss zusammen. Ihre damalige Partnerin kontaktierte das Filmstudio und deckte alles auf, nachdem sie die Wahrheit schrittweise herausgefunden hatte.
Finchs Leben gleicht nun einem Scherbenhaufen: Sie kriegt keine Aufträge in der Filmbranche mehr, ihre Frau hat sie verlassen, ihre Familie den Kontakt abgebrochen und sie darf die Kinder, die sie geholfen hat, grosszuziehen, nicht mehr sehen.
Schlussendlich hat Finch ihre Fehler eingesehen:
Sie hat zugegeben, sich den Kopf rasiert zu haben, sich so geschminkt zu haben, dass sie krank aussieht, und gab ebenfalls zu, öfter Übelkeit (als Folge von der Chemotherapie) vorgetäuscht zu haben.
Rechtliche Konsequenzen haben ihre Handlungen nicht. Eine Untersuchung des Studios wurde eingestellt, nachdem Finch gekündigt hatte, als die Wahrheit ans Licht gekommen war.
ist offensichtlich psychisch krank.
Kein Grund abzulästern.