Die Filme des österreichischen Arthouse-Regisseurs Ulrich Seidl wurden an allen grossen Filmfestivals in Europa gezeigt, er gewann etliche Preise und wird vor allem dafür gefeiert, dass er Tabus bricht.
Sein neuster Film handelt von zwei Brüdern, die beide auf ihre eigene Art ihr Glück im Ausland zu finden versuchen. Dabei entstand genügen Filmmaterial, um daraus zwei Filme zu machen. Der Erste heisst «Rimini» und feierte Weltpremiere an der Berlinale 2022. Er handelt von einem ehemaligen Schlagerstar, der sich nur über Wasser halten kann, indem er mit seinen weiblichen Fans gegen Geld ins Bett steigt.
Die Weltpremiere des zweiten Films, «Sparta», war für das Filmfestival in Toronto geplant. Die Veranstalter haben das Screening aber abgesagt, nachdem ein Spiegel-Artikel Vorwürfe wegen der Drehbedingungen für die Kinderdarsteller publik gemacht hatte. Der Film läuft seit dem 7. September bei uns im Kino.
«Sparta» handelt vom zweiten Bruder Ewald, der sich mit seiner pädophilen Neigung auseinandersetzen muss. Ewald gründet in einem Dorf in Rumänien in einer verlassenen Schule eine Judoakademie für Jungs. Es dauert aber nicht lange, bis die Anwohner beginnen, seine Motive zu hinterfragen, und ihn seine Vergangenheit mit dem Umgang von Knaben einholt.
Für den Film hat der 70-jährige Regisseur mehrere Jungs im Alter zwischen neun und 16 Jahren angestellt. Ganz ohne Schauspielerfahrung. Einige dieser Jungen werfen Seidl nun vor, nicht über den Inhalt des Filmes informiert gewesen zu sein. Der Spiegel schreibt: «Bei den Dreharbeiten seien sie deshalb ohne Vorbereitung Gewalt und Nacktheit ausgesetzt gewesen».
Der Spiegel hat nach eigenen Angaben ein halbes Jahr recherchiert und «mit Dutzenden Mitgliedern von Seidls Filmcrew gesprochen, darunter neun Personen, die im Winter 2018/2019 und im Sommer 2019 in Rumänien vor Ort waren».
Der Film wurde in Rumänien gedreht. Hauptdrehort war Baba Novac, ein kleines Dorf im Norden Rumäniens. Praktisch alle Laiendarsteller wurden in dieser Umgebung gecastet. Der Spiegel schreibt, dass Flyer an den umliegenden Schulen verteilt wurden. Darauf stand, dass «athletische Jungen im Alter zwischen 8 und 17 Jahren» gesucht seien. In einem dazugehörigen Infoschreiben stand, dass das Ziel des Filmes sei, «Rumänien realistisch wiederzugeben und dabei jegliche Vorurteile oder Stereotypen zu vermeiden». Mit keinem Wort wurde erwähnt, dass in «Sparta» Pädophilie thematisiert wird.
Im Spiegel-Artikel wird ein 13-jähriger Junge namens Marian zitiert, der in «Sparta» mitspielt: «Es fühlte sich echt an». Was im Film passiert, passierte ihm auch im echten Leben: «Der alkoholisierte Mann, ebenfalls Laiendarsteller, habe ihn an seinen eigenen Vater erinnert, einen gewalttätigen Alkoholiker, vor dem die Mutter mit ihm und seinem Bruder erst wenige Monate vor dem Dreh geflohen waren».
Marian weinte und wollte nicht mehr weiterdrehen, sei jedoch von einer Assistentin von Seidl unter Druck gesetzt worden. Laut Seidels Anwalt waren Marian und seine Mutter schlussendlich damit einverstanden, die Dreharbeiten fortzusetzen. Marians Mutter sagte gegenüber dem Spiegel, dass sie an diesem Tag gar nicht am Set anwesend gewesen sei.
Auf seiner Webseite veröffentlichte Seidl eine Stellungnahme und sagt, dass die Anschuldigungen des Spiegels «weiter weg von der Wirklichkeit gar nicht sein könnten». Seine Filme entstehen nicht so, wie der Spiegel schreibt, indem die Mitarbeitenden nicht genügend informiert werden, sondern durch das Aufbauen eines Vertrauensverhältnisses. Seidl schreibt, er hat «grossen Respekt vor seinen Mitarbeitenden» und würde nie «Entscheidungen treffen, die ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden in irgendeiner Art und Weise gefährden».
Am Set hätte es Ruhe- und Spielräume sowie pädagogisch geschultes Personal, das die Minderjährigen betreute. Bei ihm hätte sich auch nie jemand – weder Kinder noch Eltern – gemeldet und sich über die Arbeitsbedingungen beschwert.
In einem Interview mit «Profil» sagt Seidl ausserdem, dass es kein Film über Pädophilie sei, da «keinerlei sexualisierte Szenen» vorkommen. Es gehe vielmehr um «Machismo, Machtmissbrauch und Machtstrukturen». Pädophilie werde zwar auch thematisiert, sei aber nicht der Hauptaspekt. Seidl erzählt ausserdem, dass er den Familien genau erzählte, worum es im Film gehen werde: «Wir haben gesagt: Es geht um einen Mann, der sich mit Kindern umgeben will und sich zu ihnen hingezogen fühlt, der auch mit ihnen zärtlich ist».
Im Sommer 2019 ermittelte die Polizei in Rumänien wegen der Arbeitsbedingungen am Set. Der Grund: Den Kindern seien während eines Filmdrehs «verschiedene Gewalttaten» angetan worden. Die Ermittlungen wurden inzwischen eingestellt.
(cmu)
Das sind lynchjustizähnliche Zustände. Hat er eine Straftat begangen? Ja? Dann berichtet darüber. Hat er keine begangen oder sind noch Untersuchungen im Gange? Dann hört bitte auf mit Vorverurteilungen!
Unsere Vorfahren haben einen Rechtsstaat aufgebaut, und in einer halben Generation wird das alles einer gehypten Entrüstungskultur geopfert!