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Corona oder Grippe? So unterscheidet sich der Husten

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Ist es nur eine Grippe oder doch Corona? So unterscheidet sich der Husten

Zurzeit trifft man ihn fast überall an – den Husten. Schweizer Forscher haben untersucht, ob sich der Husten je nach Ursache unterscheidet. Worauf du achten musst, erklärt der Lungenspezialist Martin Brutsche im Interview.
21.11.2023, 05:0922.11.2023, 13:33
Bruno Knellwolf / ch media
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Lunge, Husten: Sind die oberen und unteren Atemwege verschleimt, husten wir.
Sind die oberen und unteren Atemwege verschleimt, husten wir.Bild: shutterstock

Zurzeit husten viele Menschen in der Schweiz. Machen Corona-Viren einen anderen Husten als Grippe- oder RS-Viren?
MARTIN BRUTSCHE: Die künstliche Intelligenz brachte zutage, dass Husten individuell unterscheidbar ist. Der Husten zweier Menschen in einem Raum ist unterschiedlich, weil dieser über die Stimmbänder führt. Und die Stimme ist jedem eigen. Wir unterscheiden generell aber nur zwischen trockenem Husten und produktivem Husten, wenn Schleim ausgeworfen wird. Vom Husten lässt sich aber nicht auf die Ursache schliessen. So tönt Corona-bedingter Husten oder Husten durch Grippe- oder RS-Viren vergleichbar.

Welche Organe sind beim Husten beteiligt?
Beim akuten Husten geht das von der Nasenspitze bis zu den kleinsten Bronchien in der Lunge. Die Bronchien sind wichtig, aber auch Nasen-Rachenraum und Nasennebenhöhlen spielen eine Rolle. Deshalb spricht man im Zusammenhang mit akutem Husten von Infekten der oberen und unteren Atemwege.​

Martin Brutsche, Chefarzt und Leiter Lungenzentrum am Kantonsspital St.Gallen.
Martin Brutsche, Chefarzt und Leiter Lungenzentrum am Kantonsspital St.Gallen.Bild: zvg

In den Atemwegen sammelt sich nach einer Infektion viel Schleim, sodass wir diesen nicht mehr schlucken können. Wie löst das den Husten aus?
Der Husten ist ein lebenswichtiger Reflex, damit unsere Atemwege stets offen bleiben. Was die Atemwege stört, also Schleim, etwas Verschlucktes oder im schlimmsten Fall ein Tumor, löst den Hustenreflex aus. Bei einem akuten Infekt der Atemwege haben wir Schleim auf den Organen und eine Entzündung. Das reizt die «Husten-Sensoren», welche den Husten steuern und auslösen. Dank des Hustens wird der Schleim raustransportiert und die Atemwege funktionieren. Der Schleim trägt häufig Viren und Bakterien mit sich. Bleibt der Schleim sitzen, kann sich dieser weiter entzünden und die Bakterien vermehren sich weiter.​

Gesteuert wird der Husten mit dem Hustenzentrum im Gehirn. Bedeutet das, dass der Husten bei jedem Menschen anders ist?
Der Husten ist individuell in seiner Ausprägung. Aber der Reflex ist so lebenswichtig, dass er bei jedem Menschen angestossen wird. Nach Narkosen, Hirnschlägen oder der Einnahme von Medikamenten, kann es vorkommen, dass der Hustenreflex fehlt, was lebensbedrohlich ist. Dann müssen wir Maschinen einsetzen, die den Husten künstlich auslösen.​

Was löst den Reflex aus?
Die Hustenrezeptoren sind in der Nase, in den Nasennebenhöhlen, in den oberen und unteren Atemwegen und in der Speiseröhre angesiedelt. Dort finden sich überall Sensoren, welche Husten anregen können. Die Signale der Rezeptoren werden ins Hirn gesendet und dort moduliert. Diese Modulation kann dann zu unterschiedlicher Ausprägung des Hustens führen. Die Heftigkeit hängt davon ab, ob man beispielsweise wach ist oder schläft oder nervös ist. Nervosität kann den Husten vermehren.​

Kommen die Signale im Gehirn an, gibt dieses das Hustensignal aus, damit sich die Muskelgruppen aktivieren, Stimmbänder kurz verschliessen und dann explosionsartig öffnen. Damit kommt es zu einem sehr starken Luftstrom, welcher den Schleim auswirft. Da werden Geschwindigkeiten von über 100 km/h gemessen.

Gibt es eine wirksame Vorbeugung gegen Husten?
Wichtig ist es, das Immunsystem fit zu halten. Gesunde Ernährung, gesundes Mass an sportlicher Aktivität helfen. Wer sensibel ist, kann eine Vitaminbrause nehmen. Einige schwören auf Zink. Leute mit vorgeschwächter Lunge wie Asthmatiker oder mit COPD, die schon bei einem kleinen Schnupfen eine Verschlimmerung erleiden, setzen wir zur Vorbeugung zum Beispiel Broncho-Vaxom ein. Das sind Tabletten, die wie eine kleine Schluckimpfung wirken und das Immunsystem stärken.​

Dann arbeiten wir auch mit einem Naturprodukt aus schwarzem Geranium. Allerdings muss man sagen, dass die Schutzmaske die beste Vorbeugung ist, auch wenn das vielen nicht gefällt. Wir haben das zusammen mit der Klinik für Infektiologie untersucht. Während der Covid-Pandemie hatten wir wegen der Maskenpflicht nur halb so viele Lungenentzündungen und COPD-Fälle wie vor der Pandemie 2019. Jetzt ohne Masken hat sich das wieder geändert.

Wenn der Husten dazu dient, den Schleim aus dem Körper zu bringen. Machen stillende Hustenmittel überhaupt Sinn?
Stillende Hustenmittel bekämpfen das Problem nicht ursächlich, sondern nur das Symptom. Das kann Sinn machen, wenn jemand stark gestört ist im Schlaf. Oder wenn jemand grad eine wichtige Sitzung leiten muss und temporär nicht husten sollte.​

Wann spricht man von chronischem Husten?
Von chronischem Husten spricht man, wenn jemand länger als acht Wochen hustet. Im Gegensatz zum akuten Husten ist eine medizinische Abklärung dann wichtig. Die Ursache für chronischen Husten kann in drei Organbereichen liegen: Zum ersten im Hals-Nasen-Ohrenbereich, zum zweiten im Lungenbereich und drittens in der Speiseröhre. Bei dieser ist der Reflux von Magensäure typisch, bei der Lunge die chronische Bronchitis und bei Hals-Nasen-Ohrenbereich ist es die chronische Sinusitis, eine Entzündung der Nasennebenhöhlen. Es gibt aber eine ganze Reihe von Erkrankungen, die zum chronischen Husten führen können.​

Es gibt zudem neuere Erkenntnisse beim chronischen Husten, die zeigen, dass der Reflex selber zum Krankheitsmodell wird. Dabei entsteht ein chronischer Husten, der eigentlich gar keine Ursache hat. Also keine vermehrte Schleimbildung. Der Patient hustet, weil der Hustenmechanismus zu sensibel eingestellt ist. Man spricht da von chronischem, nicht erklärbarem Husten. Da gibt es im Moment Medikamente in der Testphase. Husten kann aber sogar für gewisse Menschen einen Nutzen haben.

Inwiefern?
In einer Untersuchung zusammen mit der Universität St.Gallen haben wir gesehen, dass Husten mit der Stärke von Asthma korreliert. Vermehrt sich der Husten von Asthmatikern, kann man voraussagen, dass sich ihr Asthmazustand verschlechtern wird – und umgekehrt. Der Husten ist sozusagen ein Frühwarnsystem für Asthmatiker.​

Deswegen haben wir mit der Universität und einem daraus entstandenen Spin-off die App «myCough» entwickelt. Das ist ein Tool, damit der Asthmatiker den Husten selber messen kann, um dann mit der App eine Voraussage zu seinem Asthma machen zu können. Die App wurde inzwischen als Medizinalprodukt zertifiziert. Husten kann für Asthmatiker also ein nützliches Symptom sein - ob dies auch für weitere chronische Lungenerkrankungen funktioniert, ist derzeit in klinischer Erprobung.

Gefürchtet ist der Raucherhusten COPD. Wie schnell genesen hustende Raucher, wenn sie mit dem Rauchen aufhören?
Den Husten kann man mit einem Rauchstopp positiv beeinflussen. Häufig ist es so, dass der Husten zuerst zunimmt, weil die Bronchien wieder erwachen. Diese sind mit dem Rauchen «eingeschlafen», weil die Flimmerhärchen, die für den Transport des Schleims zuständig sind, gelähmt werden.​

Fällt die Lähmung weg, muss der ehemalige Raucher zuerst einmal mehr husten. Nach zwei, drei Wochen baut sich das ab, nach einem Monat noch mehr. Ob der Husten ganz aufhört, hängt davon ab, wie viel Schaden die Lunge vom Rauchen bereits genommen hat.

Welchen Einfluss hat Long Covid auf den Husten?
Long Covid ist komplex und nicht präzise definiert. Dabei muss man zwei Erkrankungen unterscheiden: Zum einen die Post-Covid-Situation. Dabei hat die Lunge wegen der Covid-Infektion einen Schaden genommen, bei der im Heilungsprozess eine Vernarbung der Lunge stattgefunden hat. Die Vernarbung bleibt ein Leben lang, das kann zu Leistungseinbussen und Husten führen, obwohl dieser Mensch nicht mehr krank ist. Solche Vernarbungen sieht man auch bei Patienten, die wegen einer anderen Art von Lungenentzündung auf der Intensivstation waren.​

Zum zweiten sieht man die Long-Covid-Symptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Chronique Fatigue. Da spielt der Husten keine Rolle. Bei diesen Patienten sieht man eine normale Lungenfunktion. Die Erkrankung richtig zu erfassen, ist schwierig. Da muss noch viel geforscht werden. Generell hat man im Zusammenhang mit Covid für den Husten eine neue Sensibilität entwickelt. Es wird auch mehr geforscht. (aargauerzeitung.ch)

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49 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Charlino
21.11.2023 08:14registriert März 2021
Also wie sich jetzt der Husten unterscheidet hab ich im Artikel nicht gelesen… oder überlesen?
Kann mir das noch jemand erklären?
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Harri Hirsch
21.11.2023 06:41registriert September 2015
Bitte, bitte hört auf von ‚nur Grippe‘ zu schreiben. Eine richtige Grippe ist auch sehr unschön. Was ihr mit ‚nur‘ meint ist der grippale Infekt oder auch eine fiebrige Erkältung.
(Und alles würde sich viel weniger stark ausbreiten wenn nicht hemmungslos in der Gegend rumgerotzt und rumgehustet würde und die, die krank sind mal zu Hause bleiben würden)
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Franzl
21.11.2023 07:52registriert Juni 2017
Zitat: "Oder wenn jemand grad eine wichtige Sitzung leiten muss und temporär nicht husten sollte.​"
Wie wärs in diesem Falle, diese wichtige Sitzung zu verschieben oder an jemanden anderes zu delegieren?
Meine Antwort: es wäre Anständig!
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