Leben
Interview

Pamela Anderson sprach mit uns über ihren Film «The Last Showgirl»

The Last Showgirl THE LAST SHOWGIRL - FILM STILLS. 2024 . USA. Pamela Anderson in The Last Showgirl - CRoadside Attractions- is a 2024 American drama film directed by Gia Coppola and written by Kate G ...
Abendstimmung über Las Vegas, eine Tänzerin (Pamela Anderson) macht sich für ihre Nachtarbeit bereit.Bild: www.imago-images.de
Interview

Wir haben die wunderbare Pamela Anderson getroffen – danke, Leben!

Es gibt Filme, nach denen man sich beschenkt fühlt. «The Last Showgirl», die bittersüsse Liebeserklärung an Las Vegas mit PamAn, ist so einer.
15.03.2025, 17:1301.04.2025, 09:25
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Wiederbelebung war früher Pamela Andersons Kernkompetenz. Als Rettungsschwimmerin in der TV-Serie «Baywatch». Jetzt ist ihr eine ganz andere Wiederbelebung gelungen: Sie hat sich selbst gerettet. Und nur weniges machte in den letzten Monaten so sehr Freude, wie über die neue PamAn und ihren schönen, zugleich traumtänzerisch leichten und tieftraurigen Film «The Last Showgirl» zu schreiben. Der nicht zuletzt ein Film über ein beschädigtes Amerika ist.

Doch beginnen wir noch einmal anders: Die Obsession der Frauen aus dem Coppola-Clan heisst ganz eindeutig Glitzer. Und alle Möglichkeiten seiner Rückseite. Betörung und Ernüchterung. Regisseurin Sofia Coppola hat dies im Versailles-Drama «Marie Antoinette» und in jedem anderen ihrer Filme mit totaler Hingabe durchdekliniert.

Nun folgt ihre Nichte Gia Coppola mit «The Last Showgirl» und eigentlich ist mit dem Titel schon alles gesagt. Es geht um die Letzte ihrer Art. Um Shelly Gardner, 57, die als junge Beauty in Paris das Metier des Showgirls erlernte. Sie brauchte dazu nicht besonders viel, einen makellosen Körper, ein strahlendes Gesicht, Grazie und minimale tänzerische Begabung – ihre Hauptaufgabe bestand darin, bis zu dreissig Kilo schwere Glitzerkostüme so zu tragen, als wären sie Schmetterlingsflügel, und viel Brust zu zeigen. Es ist eine brave, ultrakitschige Form von Burlesque. Für Shelly ist es der Gipfel von Eleganz und gutem Geschmack.

Trailer zu «The Last Showgirl»

Seit vielen Jahren performt sie nun in Las Vegas, «Razzle Dazzle» heisst ihre Show – und die wird eingestellt. Zu altmodisch halt. Jetzt sind «Künstlerinnen» gefragt, die aussehen wie 18 und mit ihrer Vagina Teller jonglieren können. Und Shelly, die ihre immer schon prekäre Existenz mit ihrem glamourösen Job übertünchte, sieht sich Ruinen gegenüber: Was von ihrem Leben ausserhalb der Bühne übrig ist, ist genauso armselig, wie Las Vegas bei Tageslicht.

Schöner Trash

Pamela Anderson ist Shelly, natürlich, wer sonst. Einst musste sie in der TV-Serie «Baywatch» nicht viel mehr tun, als ihr Hobby, das Strandleben, vor der Kamera zu zelebrieren. Sie fühlte sich damals nicht als ernstzunehmende Schauspielerin und wurde auch nicht als eine betrachtet. Sie war schöner Trash. Wie Shelly.

«Shelly ist verletzlich, romantisch, nostalgisch, sie hängt sehr ernsthaft an ihrer Kunstform und deren Geschichte. Sie hat Probleme mit ihrer Mutterrolle und sehr komplizierte Beziehungen zu Männern. All das hat mich angezogen», sagt Pamela Anderson über ihre erste ernsthafte Rolle.

This image released by Roadside Attractions shows Pamela Anderson in a scene from "The Last Showgirl." (Zoey Grossman/Roadside Attractions via AP)
Bild: keystone

Wie geht es ihr jetzt, da sie von der Kritik gelobt wird? Zeigt sie denen, die sie so lange nicht ernst genommen haben, den Mittelfinger? «Ich liebte es, Teil der Popkultur zu sein, aber das war auch einschränkend. Mich davon zu befreien, war eine Challenge und brauchte Zeit. Aber da bin ich nun – im Land der Vergebung. Es fühlt sich nicht an, als wäre das meine zweite Chance. Es fühlt sich an, als wäre dies der Beginn meiner Karriere.»

Sie erzählt all dies einer Handvoll Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt im Hotel Dolder Grand, hinter ihr hängt ein Vorhang aus Strasssteinen, ein perfekter Zufall, es ist irgendein trüber Tag im Oktober 2024 und Pamela Andersons Lachen klingt nach Glöckchen aus lauter Sonnenstrahlen. Das Zurich Film Festival läuft und sie ist sein einnehmender Superstar, eine Frau wie eine lebensfreudige Lichtquelle, glücklich und hell, stets in Weiss gekleidet, die Haare so skandinavisch blond, wie es sich für die Enkelin eines finnischen Auswanderers gebührt, und beinahe ungeschminkt, wie sie dies jetzt fast immer ist. Ausser als Shelly in ihrem Bühnen-Make-up natürlich.

«The Last Showgirl» mit Pamela Anderson und Jamie Lee Curtis, Regie Gia Coppola
Einer der Männer, mit denen Shelly Mühe hat, wird von Dave Bautista gespielt.Bild: Filmcoopi

«Ich habe mein ganzes Make-up für die private Shelly selbst und ohne Spiegel gemacht», erzählt sie, «ich wollte, dass es so roh und leicht wie möglich ist. Für Shellys Bühnenauftritte muss es natürlich schwer und mächtig und bis in die hintersten Zuschauerreihen gut sichtbar sein. Beides hat Spass gemacht. Um das mal festzuhalten: Ich habe nichts gegen Make-up, ich finde bloss, dass ich ohne Make-up mehr wie ich selbst aussehe. Gerade in einem bestimmten Alter ist es für uns Frauen wichtig, von diesem Irrsinns-Zug abzuspringen. Wer ewiger Jugend nachjagt, verliert nur.»

«Jetzt bin ich frei!»

Das klingt entspannt und versöhnt – mit dem Altern, mit dem Lauf der Zeit, mit der Welt, die ihr jüngeres Ich begehrte und jagte und verkaufte. Bereut sie, dass sie nicht schon früher einen seriöseren Weg eingeschlagen hat?

«Nein, dies zu bedauern, wäre Zeitverschwendung. Als meine Kinder noch klein waren oder als ich mich in einer meiner tumultuösen Beziehungen befunden habe, hätte ich zum Beispiel niemals die gleiche Konzentration aufbringen können wie jetzt. Jetzt bin ich frei! Und kann alles geben. Ich liebte mein altes Leben, es war bunt und unkonventionell. Doch die Gegenwart liebe ich viel, viel mehr. Ich bin Gia so dankbar, dass sie an mich geglaubt hat, ich kann ja nicht einfach behaupten, hey, ich bin eine Schauspielerin, es braucht auch Leute, die an mich glauben, es braucht das Drehbuch, den Schnitt, das Ensemble, so vieles, damit ich fähig bin, eine gute Performance zu liefern.»

epa11642538 Canadian-American actress Pamela Anderson (C) poses on the Green Carpet with ZFF Artistic Director Christian Jungen (L) and US film director Gia Coppola (R) before the screening of her mov ...
Pamela Anderson und Gia Coppola 2024 am Zurich Film Festival.Bild: keystone

Neben Pamela Anderson sitzt Gia Coppola und himmelt sie an, sie ist exakt zwanzig Jahre jünger als ihr Star, sie könnte noch jünger sein und sie ist scheu und zurückhaltend. «Pamela ist eine moderne Marilyn Monroe», sagt sie, nur dass Marilyn bereits mit 36 tot war, aber es stimmt schon, das Leuchten, das Monroe und Anderson verbreiten und die einander so ähnlichen, hellen Stimmen, tragen eine verblüffende Verwandtschaft in sich.

Ein Gefühl für Las Vegas

Wenige Stunden vor dem Gespräch mit Anderson sagte Jude Law in einem Zürcher Kino, Filme seien eine «Manifestation von Träumen». Wovon also träumte Gia Coppola, als sie «The Last Showgirl» verfilmte? Von Las Vegas, sagt sie: «Ich wollte immer schon eine Geschichte aus Las Vegas erzählen. Es ist eine sehr schöne und traurige Stadt. Sie wirkt, als hätte sie selbst viele Gefühle.» «Ja», pflichtet Anderson ihr bei, «Las Vegas ist eine Manifestation von vielerlei Träumen.»

Gedreht wurde in Las Vegas. Knappe 18 Tage lang. Alle Kostüme und Requisiten stammen aus der «Jubilee!»-Revue, die 2016, nach 35 Jahren, zum letzten Mal auf der Bühne des Horseshoe-Casino-Hotels aufgeführt wurde. Das ganze dekorative Material brauchte derart viel Platz, dass es noch immer im stillgelegten Horseshoe-Theater lagert und erst verschwinden wird, wenn das Gebäude einmal einem neuen Casino weichen muss und abgebrochen wird. Jetzt ist das Horseshoe ein Mausoleum seines alten Glanzes.

Es war die Burlesque-Künstlerin Dita Von Teese, die für Gia Coppola die Schatzkammer voller BHs aus Glitzersteinen, Seidenflügeln und Kopfschmuck aus Federn aufschloss. Und die mehrere ihrer Tänzerinnen für den Dreh zur Verfügung stellte.

epa11436744 US burlesque dancer Dita von Teese performs during the presentation of the Fall/Winter 2024/2025 Haute Couture collection by French designer Alexis Mabille during the Paris Fashion Week in ...
Dita van Teese räkelt sich an der Paris Fashion Week in ihrem liebsten Champagnerkelch.Bild: keystone

«Um mich in die Rolle hineinzuversetzen, habe ich mich den Tageslicht-Aktivitäten von Las Vegas gewidmet: Ich habe in meinem Haus andere Showgirls bewirtet, sie haben mir ihre Geschichten erzählt, wir sind zusammen ins Nagelstudio gegangen, ich habe mir meine Haare geschnitten wie sie, sowas halt», erzählt Anderson. Und sie kochte Gemüsesuppe mit Gemüse aus dem eigenen Garten auf Vancouver Island und verteilte selbstgestrickte Socken, weil es so kalt war in Las Vegas. Auf der langen PR-Tour für den Film vermisst sie ihr Zuhause. «Meine Mutter schickt mir immer Fotos vom Garten und von meinen Hunden.»

Wer Coppola heisst, liebt Hollywood

Gia Coppola ist nicht nur die Nichte von Sofia, sondern auch die Grossnichte von Francis Ford Coppola. Dem Clan-Vater, dem Godfather, dem Mann, der sieben Jahrzehnte Hollywood-Geschichte verkörpert. Ist «The Last Showgirl» etwa auch ein Film über das Filmemachen selbst? Ist Shellys Welt mit ihren Glamour-Kulissen und ihrer künstlichen Las-Vegas-Welt sowas wie das alte Hollywood? «Ja, klar», sagt Gia, bleibt dann aber diplomatisch, «ich bin eine grosse Anhängerin alter Traditionen, begrüsse aber auch alle Innovationen und die neuen Wege, die sie uns zeigen.»

Shelly hat eine beste Freundin. Sie heisst Annette (Jamie Lee Curtis), ist von Alkohol und Bräunungsspray abhängig und auch noch spielsüchtig. Fatal für eine, die als «Bever-tainer» im Casino arbeitet, also als Getränke verkaufende Animateurin, ein Job, der in Las Vegas erfunden worden sein muss. Shelly selbst hat schon fast kein Geld, ihr Gehalt hängt direkt von der kontinuierlich schwindenden Anzahl Zuschauer ab, es ist so in Las Vegas, und allein der Kauf einer Zitrone bringt sie zur Verzweiflung, Annette hat überhaupt kein Geld und wohnt in ihrem Auto.

«The Last Showgirl» mit Pamela Anderson und Jamie Lee Curtis, Regie Gia Coppola
Jamie Lee Curtis als exzentrische, aber tragische Annette.Bild: Filmcoopi

«Ich hatte solche Angst vor Jamie Lee Curtis, sie ist so eine Kraft und hatte eben erst ihren Oscar für ‹Everything Everywhere All at Once› gewonnen, sie ist eine Legende» erzählt Anderson, «doch dann hatte ich das Gefühl, als würde ich sie schon mein ganzes Leben lang kennen. Sie hat mich angeschaut, ihre Arme ausgebreitet und gesagt: ‹Okay, packen wir's an!› Alles mit ihr war Schwesternschaft, Unterstützung, aufrichtig und echt.»

Wilde, wunderbare Frauen

Annette ertränkt ihre Restwürde in Margaritas. Ihr Tanz zu «Total Eclipse of the Heart» in ihrer roten Casino-Uniform ist tragisch in seiner grotesken Peinlichkeit. Einen Moment lang schämt man sich für die orange Clownin. Dabei ist es doch genau dies: Pamela Anderson ist 57, Jamie Lee Curtis ist 66, ihre neuen Rollen liegen – genau wie das Comeback von Demi Moore – jenseits jeder Anständigkeit. Sind wild und wunderbar. Eine Wiederbelebung reifer Frauenfiguren im Kino.

«Ja», sagt Pamela Anderson, «Frauen wie wir sind voller Farben. Ich hatte eine Tante, Auntie Vie, sie trug immer falsche Wimpern, Perücken und Perlen, sie verbrachte ihren Alltag damit, Gemüse zu pickeln und schrieb das Buch ‹A Life of Pickles and Pearls›. Eine ungeheuer bunte Figur. Sie war mein Vorbild für mein Leben jenseits von 50.» Sagt es und sitzt da, und ein betörend bunter Schimmer scheint aus all ihrem Weiss und Blond zu steigen, genau so wie aus Shellys funkelnden Kostümen.

«The Last Showgirl» läuft ab dem 20. März im Kino.

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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derStachelinDeinemFleisch
15.03.2025 17:47registriert Dezember 2023
Danke für diesen wunderbaren, empathischen Artikel üebr eine Frau, die wohl oft missverstanden und belächelt wurde. Danke.
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Lordkanzler-von-Kensington
15.03.2025 19:14registriert September 2020
Macht positiv neugierig auf den Film!
Und ich bin Fan von besonders der neuen Anderson, es ist einfach so schön zu sehen, welchen Weg sie geht und wie aufrichtig sie sich wohl gefunden hat. Und Frau Curtis war schon immer schlicht cool.
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Grillmeatsbeer
15.03.2025 19:17registriert Februar 2020
Jetzt muss ich wohl wieder mal ins Kino. Für Pam und Vegas.
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