Ein Gramm Kokain kostet 100 Franken. Mal etwas mehr, mal etwas weniger, doch im Schnitt 100 Franken. 100 Gramm Kokain kosten 10'000 Franken. 100 Gramm Kokain fand die Wiener Polizei am 4. August 2021 in der Matratze des Schauspielers Florian Teichtmeister.
Lina Paulitsch und Florian Klenk aus der Redaktion des Wiener Stadtmagazins «Der Falter» hatten Akteneinsicht im Fall Teichtmeister und berichten heute, Mittwoch, den 18. Januar, detailliert über die Strafverfolgung.
Begonnen hatte alles mit einem Notruf wegen häuslicher Gewalt von Teichtmeisters damaliger Lebensgefährtin (und noch nicht Ex-Freundin, wie einige Medien, auch wir, berichteten) bei der Polizei. Sie soll die Beamten auch über Teichtmeisters Besitz von kinderpornografischem Material informiert haben.
Als die Polizei an der Thurngasse im Alsergrund klingelt, stellt sie fest, dass der Schauspieler offenbar unter dem Einfluss von Kokain steht, was dieser auch gar nicht leugnet. Er führt die Beamten im Gegenteil zu seinem Matratzen-Vorrat, gesteht, neben Kokain auch süchtig nach Kinderpornografie zu sein, und händigt den Beamten einen Datenstick mit Aufnahmen eines «unbekannten Mädchens» aus.
«Vier iPhones, neun DVDs, ein MacBook, zehn USB-Sticks, 16 Speicherkarten, einen iMac und 13 Festplatten» inklusive Passwort übergibt er den Beamten des Landeskriminalamts, die zwei Tage später bei ihm anklopfen. Er kooperiert sofort in den Ermittlungen gegen ihn, begibt sich in Therapie, nimmt sich zwei Anwälte, einer davon ist der Verfassungsrichter und Promi-Anwalt Michael Rami, macht regelmässige Harnkontrollen, in denen kein Kokain nachgewiesen wird. Eigentlich ist das ein Vollzeitjob. Er verbirgt ihn vor seinem privaten und professionellen Umfeld.
Seine Verteidigung gibt an, dass ihn seine Kokainsucht und die beruflich unstrukturierte Zeit während der Pandemie in eine zunehmend unkontrollierte Gier nach Kinderpornografie haben schlittern lassen. Auch in seiner Vita stellt die Verteidigung die Kokainsucht als Grund für die Kinderpornografiesucht dar. Sie hofft auf eine «Diversion», eine «Erledigung des Verfahrens gegen Auflagen»: «Es brauche keine Bestrafung und keinen öffentlichen Prozess, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Denn: Seine Taten seien ‹mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch›», schreibt der «Falter». Psychologen prognostizieren jahrelangen Therapiebedarf.
Doch zu einer Diversion wird es nicht kommen. Erstens ist die Menge der bei Teichtmeister gefundenen Dateien erschlagend, zweitens muss die österreichische Staatsanwaltschaft im Falle einer Sexualstraftat eine öffentliche Verhandlung führen.
Folgende Punkte spielen für die Staatsanwaltschaft im Prozess gegen Teichtmeister ab dem 8. Februar erstaunlicherweise keine Rolle: sein Kokainbesitz, da Eigenbedarf; die mutmassliche Gewalt gegen seine Freundin, es fehlten die Beweise, heisst es; die Collagen, die er während Dreharbeiten von Minderjährigen gemacht und mit Sprechblasen versehen hat, in denen schwere sexuelle Gewaltfantasien geäussert werden, weil die Fotos selbst nicht pornografischer Natur und daher strafrechtlich nicht relevant seien, wie der Standard am 17. Januar berichtete.
Die 58'000 Dateien werden nicht von mehreren Beamten untersucht, sondern einzig vom Datenforensiker Karsten Theiner. Er klickt sich ein halbes Jahr lang unterstützt von einer KI durch das Material und findet «wirklichkeitsnahe, reisserisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäusserungen losgelöste Abbildungen der Genitalien oder Schamgegend Minderjähriger sowie geschlechtliche Handlungen durch und an mündigen und unmündigen Personen», wie es im Strafantrag laut «Falter» heisst.
Bereits im Herbst 2021, als die österreichischen Medien anonymisiert und sehr hypothetisch über den Fall berichteten (sie hatten keine Einsicht in die Polizeiakte), war der ganzen Kulturszene klar, um wen es sich handelte. Die Eltern einer minderjährigen Schauspielerin wandten sich an den Produzenten des Films «Serviam – ich will dienen» über ein elitäres katholisches Mädcheninternat, in dem Teichtmeister eine Nebenrolle spielte. Sie informierten ihn darüber, dass Teichtmeister ihre Tochter fotografiert habe, und verlangten, dass er sich dieser nicht mehr nähere.
Teichtmeister bestritt damals alle Vorwürfe mit der Begründung, seine Ex wolle sich an ihm rächen. Alle glaubten ihm. Niemand fragte die Ex. Und Burgtheaterdirektor Martin Kusej nahm nicht von der Möglichkeit Gebrauch, dass er sich – so eine Arbeitsrechtlerin im «Falter» – «bei so schweren öffentlichen Vorwürfen den Polizeiakt hätte vorlegen lassen können». Und dass er den Schauspieler bis zur Aufklärung des Falles hätte suspendieren sollen.
Der Sisi-Film «Corsage», der immer noch österreichischer Kandidat für den Auslands-Oscar ist und in dem Teichtmeister Kaiser Franz-Joseph spielt, steht möglicherweise mit einem weiteren prekären Fall in Zusammenhang.
Wie die Wiener Zeitung berichtet, schrieb die Regisseurin Katharina Mückstein am 18. Juni 2022 vor der grossen «Corsage»-Premiere in Wien auf Instagram: «Heute Abend wird ein Täter auf der Bühne stehen und bejubelt werden. Und es gibt nichts, was wir dem entgegensetzen können.» Es standen an jenem Abend ausser Teichtmeister nicht viele Männer auf der Bühne. Und wie Mückstein beteuert hat, meinte sie mit ihrem Vorwurf nicht ihn, sondern einen anderen.
Im Jahr zuvor habe dieser in einer Kampagne von österreichischen Frauenhäusern gegen toxische Männlichkeit mitgemacht, schreibt die «Kleine Zeitung». Die Kampagne wurde bald wieder abgesetzt, weil zu viele Vorwürfe gegen den Schauspieler laut wurden. Gegen ihn ist kein Verfahren im Gang.
Es gibt keine Ausreden, wenn man zu Missbrauch von Kindern beiträgt, man ist dann klar Täter! Es gibt da nichts was für mildernde Umstände oder Verständnis spricht!
Es sind doch recht krasse Einzeldetails, die man sich vors innere Auge führen sollte. Und teils naiverweise, würde man es kaum glauben, mit welchen Vergehen Täter durchkommen +das Strafverfolgungssystem (scheinbar) zu viele Hintertürchen hat. Drogensucht, schwierige Coronazeit als Strafminderung, sexuellen Missbrauchstaten gegenüber zu stellen,das ist mMn ein völlig verkehrtes Zeichen. Es muss sich viel und nachhaltig ändern, um Kinder zu schützen +dieser Art von Delikten wirklich beizukommen
Jedoch zum Kokain. 100 Fr für ein Gramm ist ja noch ok, aber dann zu behaupten, dass 100 Gramm 10k im Schnitt kosten würden, ist schon extrem weit von der Realität entfernt. Realistisch ist eher die hälfte.