7 Oscars gehen also an «Oppenheimer», 4 an «Poor Things» und 2 an «The Zone of Interest». Für alle anderen gab's 1 – etwa für «Barbie» und «The Holdovers» – oder keinen wie für «Killers of the Flower Moon», den grossen Verlierer dieser Oscarnacht.
Aus, fertig, der Teppich, über den die Stars heute Nacht ins Dolby Theatre von Los Angeles stolzieren, ist endlich nicht mehr «champagnerfarben», also beige und bleich, wie letztes Jahr. Da hielt man dies ja für eine gute Idee. Das Resultat sah aus wie aufgebrezelte Menschen im schallgedämpften Abdankungsraum eines Krematoriums. Schlichtweg unpassend. Jetzt ist der rote Teppich wieder rot.
Vanessa Hudgens nutzt die Gelegenheit zum Auffallen als Erste – indem sie kein Geheimnis aus ihrem offensichtlichen Babybauch macht. Clever.
Kräftig vorgeglüht wurde bereits vorgestern auf der britischen Botschaft von L.A., da hielten es die Diplomaten für eine angemessene Idee, eine «Saltburn»-Party zu feiern, wie am Geweihschmuck zu erkennen ist. Fragt sich, wie weit sie dabei gegangen sein mögen.
«Ey, Sandra, crazy cool», sagt Steven Gätjen zu Sandra Hüller, die gleich mit zwei Filmen bei den Oscars präsent und auch als beste Hauptdarstellerin nominiert ist. Sie steckt tatsächlich in einem sehr crazy Kleid und sieht darin aus wie ein Adler mit einem Schloss vor dem Dekolleté.
STUNNING SANDRA!!! 😍🥰🔥 #SandraHuller #SandraHüller #BestActress #AnatomyOfAFall #TheZoneOfInterest #Oscars pic.twitter.com/0iEBnwnogF
— Debra Palermo (@debrapalermo) March 10, 2024
«Wir beginnen mit dem grössten Film des Jahres – ‹Barbie›», sagt Jimmy Kimmel, und ehrt gleich mal ausführlich Margot Robbie und Greta Gerwig. Zu Ryan Gosling und Robbie meint er: «Selbst wenn ihr nicht gewinnen solltet, ihr habt schon die genetische Lotterie gewonnen, Ryan, du bist so heiss, lass uns zusammen campen gehen!»
«Wie oft kann man seine Mutter als Date mitbringen, bevor man wirklich seine Mutter datet?», fragt er Bradley Cooper, der mit seiner Mutter da ist. Robert Downey Jr. kriegt einen Drogen- und einen Peniswitz ab. Zu den Szenen einer Ehe im Auschwitz-Horror «The Zone of Interest» meint Kimmel, für viele möge dies verstörend sein, in Deutschland würde man dies als «Romcom» bezeichnen.
Doch mehr noch als um die dreckigen Witze geht’s ihm um den Hollywood-Streik vom vergangenen Jahr. Um Solidarität und Zusammenhalt. Steven Spielberg, so erfahren wir, und seine Frau hätten während des Streiks viel Geld gespendet für arbeitslose Kolleginnen und Kollegen.
Auch die Verleihung beginnt im Zeichen von Unterstützung und Zusammengehörigkeit der Branche. Die fünf Nominierten für die beste Nebendarstellerin werden von fünf ehemaligen Gewinnerinnen präsentiert. Und es gewinnt wie erwartet die von Lupita Nyong’o vorgestellte Da'Vine Joy Randolph für ihre Rolle in «The Holdovers». Tränenüberströmt sagt sie: «God is so good, God is so good!» Und wie sie gelernt habe, endlich sich selbst zu sein. Ihr Filmkollege Paul Giamatti heult mit.
Sehr, sehr, sehr, sehr, sehr aufregend wird's bei Original Screenplay. Gewinnt die supercoole Französin Justine Triet gleich für «Anatomie d'une chute»? Jaaaa! «Ich danke euch sehr, das wird mir durch meine Midlife-Krise helfen!» Es sei alles so glamourös heute Abend, ganz im Gegensatz zum Dreh mit zwei kleinen Kindern damals: «Es gab keine Trennung zwischen Arbeit und Windeln.»
Auch sehr schön: Dass die Kategorie Adaptiertes Drehbuch an Cord Jefferson für «American Fiction» geht, eine smarte Komödie über einen afroamerikanischen Schriftsteller, der sich weigert afroamerikanische Bücher zu schreiben. Bis er Geld braucht und erfolgreich alle Klischee-Register zieht.
Erstaunlich: Eine Stunde ist da schon vorbei und «Oppenheimer» steht immer noch leer da. Wie lange noch?
Billie Eilish und Bruder Finneas performen «What Was I Made For» aus «Barbie», den ruhigen, nachdenklichen Song, für den Eilish wohl auch noch ihren zweiten Oscar gewinnen wird. Mit 22! Gab's das schon mal? Make-up & Hair geht an «Poor Things». Logisch. Schon nur die Maske von Willem Dafoe verdient einen Oscar. Auch Production Design geht an «Poor Things». Auch das ist logisch.
Noch immer keiner für «Oppenheimer»
Action-Darsteller John Cena kommt splitternackt auf die Bühne, das heisst mit dem Umschlag für Bestes Kostüm – auch das geht an «Poor Things» – vor seinem sensiblen Gebiet. Er soll den 50. Geburtstag des Oscar-Flitzers, der bei den 46. Oscars über die Bühne rannte, nachstellen. Tut er natürlich nicht in Gänze. Aber fast. Und in Birkenstocks.
Das potenzielle Oscar-Konto von «Oppenheimer» wird derweil immer kleiner.
Jonathan Glazer gewinnt mit «The Zone of Interest» den Award für den besten internationalen Film. Sein Film sei ein Statement gegen die Entmenschlichung, sagt er, die historische und die gegenwärtige. Gegen diejenige des 7. Oktobers und diejenige in Gaza. Der Holocaust dürfe nicht für die falschen politischen Zwecke vereinnahmt werden, sagt er. Seine Hauptdarstellerin Sandra Hüller heult. Vor dem Dolby Theatre finden pro-palästinensische Demonstrationen statt. Polizeihelikopter kreisen über dem Gebäude.
Um 1.39 Uhr ist der Bann gebrochen: Robert Downey Jr. wird bester Nebendarsteller, und es wäre bei aller Liebe zu Ryan «Ken» Gosling unfair gewesen, wenn er dies nicht geworden wäre. «Ich möchte mich bei meiner schrecklichen Kindheit bedanken und bei der Akademie, in dieser Reihenfolge.» Er habe diesen Job mehr gebraucht als er ihn, jetzt sei er deswegen ein besserer Mann. Und seine Frau Susan habe ihn von der Strasse aufgelesen wie ein ausgesetztes Tier und geheilt. Oooohhh.
Arnold Schwarzenegger und Danny DeVito, deren Körpergrösse spektakulär unterschiedlich ist, verleihen den Oscar für Special Effects, ein herziges Duo. Das Quartett, das mit «Godzilla Minus One» gewinnt, ist ausser sich vor Freude und bringt viele kleine Godzillas mit auf die Bühne.
Schnitt geht an «Oppenheimer». Shit. (Nein, natürlich nicht.)
Wie es wohl Roger Federer geht? Neben wem darf er eigentlich sitzen? Und wieso stehen die Träger von Emily Blunts Kleid eigentlich so komisch ab?
America Ferrera und Kate McKinnon präsentieren Dokumentarfilme. «‹Jurassic Park›, ‹Jurassic World›», sagt McKinnon, was zu einem lustigen Geplänkel mit einem enorm komödiantisch gelaunten Spielberg führt. Ben Proudfoot gewinnt mit «The Last Repair Shop» bereits seinen zweiten Oscar für einen dokumentarischen Kurzfilm.
Die Auszeichnung für «20 Days in Mariupol» ist der erste Oscar, der jemals in die Ukraine gegangen ist. Regisseur Mstyslav Chernov sagt: «Ich wünschte, ich hätte diesen Film nie gemacht, ich wünschte, ich könnte ihn eintauschen gegen Frieden mit Russland. Aber ich kann die Geschichte nicht ändern. Ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Doch zusammen mit euch, mit einigen der talentiertesten Menschen der Welt, kann ich dafür sorgen, dass die Wahrheit siegt. Kino formt Erinnerungen. Und Erinnerungen formen Geschichte.»
Es ist berührend. Wie letztes Jahr die Rede von Julia Navalnaya, als sie den Oscar für den Dokumentarfilm «Navalny» entgegennahm.
Möglicherweise ist Hoyte Van Hoytema wirklich der beste Kameramann der Welt. Er hat so genial gute Filme geschossen wie «Tinker Tailor Soldier Spy» oder «Låt den rätte komma in». Den Oscar für «Oppenheimer» hat er verdient. Wes Anderson (der nicht hier ist) gewinnt die Kategorie Kurzfilm. Es ist sein erster Oscar. Erstaunlich.
Wie toll, dass «The Zone of Interest» auch Sound gewinnt! Denn der Ton ist ja sowas wie der Hauptdarsteller. Man muss der Akademie dafür danken, dass sie «unserem Film zugehört hat», sagt einer aus der Gewinner-Ton-Crew. Im Ton wird das ganze Grauen von Auschwitz erzählt.
Und dann kommt Ken. Ryan Gosling macht die Oscars 2024 zu seinem Event. Standing Kenation oder so muss man wohl zum Tumult im Saal sagen: Die «Barbie»-Frauen – Gerwig, Robbie, Ferrera – flippen aus, Gosling ist enorm pink, dazu gibt es ein astreines Ken-Ballett zu «I'm Just Ken», und dann kommt auch noch Gitarrist Slash auf die Bühne. Mehr geht üüüüüberhaupt nicht. Bestes Stück Oscar-Show ever.
Ryan Gosling and the cast of "Barbie" perform "I'm Just Ken" at the #Oscars. https://t.co/UNgGySGz3r pic.twitter.com/00hd0Jw8cy
— Variety (@Variety) March 11, 2024
Es gewinnt dann auch «Barbie» den besten Song, aber wie erwartet Billie Eilish samt Bruder. Das war damit der einzige Oscar für «Barbie». Brutal.
Cillian Murphy. Who else. Verdient. Erleuchtet und mit nicht mehr ganz korrekt sitzender Frisur geht er auf die Bühne. Und lacht! Der Mann kann lachen! «Ich bin ein sehr stolzer Ire, der heute hier steht. Wir machten einen Film über den Mann, der die Atombombe erfunden hat – und auf Gedeih und Verderb leben wir heute in Oppenheimers Welt. Ich widme meinen Preis allen Friedensstiftern!» Steven Spielberg gibt Christopher Nolan seinen ersten Oscar für die beste Regie.
Und der Oscar für die beste Hauptdarstellerin geht an Emma Stone. Die mit einem hinten halb offenen Kleid auf die Bühne kommt. «Ich glaube, es geschah während ‹I'm Just Ken›.» Es ist ihr zweiter Oscar nach «La La Land». Dieser hier noch verdienter als der alte. Aber erwartet hatte die Welt, hatten wir, hatte Emma Stone einen Gewinn für Lily Gladstone in «Killers of the Flower Moon», die erste Native American, die für einen Oscar nominiert wurde. Stone ist sichtlich geschockt, doch da kann ihr jetzt niemand helfen.
Kimmel liest eine Review seiner Moderation vor. Zuerst denkt man, sie sei fake. Doch Donald Trump hat sie auf Truth Social gepostet. Sehr lustig.
.@JimmyKimmel to Trump: Isn't it past your jail time? pic.twitter.com/a3GVQOYDX4
— Adam Parkhomenko (@AdamParkhomenko) March 11, 2024
Und dann öffnet Al Pacino das letzte Couvert mit der Frage: «Will I see ‹Oppenheimer›?» Ja natürlich. Nolans Frau, die Produzentin Emma Thomas, gesteht, dass sie schon immer von diesem Moment geträumt habe. Jetzt ist ihr Traum in Erfüllung gegangen. Andere Träume sind geplatzt. So ist das eben. Bei den Oscars und im Leben. Und die mit dem grössten Budget sind an beiden Orten ganz minimal bevorzugt.
Und jetzt? Das war rund! Abgespeckt, etwas kürzer, etwas persönlicher, mit der besten Showeinlage ever. Kein bisschen awkward. Kann man gerne wieder so machen.