Costa Rica stand nie auf meiner Travel Bucket List. Der Grund: Alle gingen hin, folglich ich nicht. Schon mit 18, als ich frisch die Matura hinter mir hatte, also in diesem Zwischenjahr war, in dem alle Horizonte erweitern, Sprachen lernen, Yoga und Surfkurse machen, da reiste praktisch mein ganzer Jahrgang nach Costa Rica.
Ich ging nach der Matura drei Monate nach Venezuela und lernte im Gegensatz zu meinen Gymi-Freunden, die alle zusammen in Costa Rica waren, tatsächlich Spanisch. Dafür war der Aufenthalt, wie soll ich sagen: speziell. Nicht schlecht, aber etwas zäh, eher hart. Meine Gastmutter war spielsüchtig, weshalb ich viel Zeit in Casinos verbrachte, denn frei bewegen konnte ich mich nicht, es war überall demasiado peligroso, viel zu gefährlich für eine junge Frau. Niemand sprach Englisch, bestellte ich in meinem anfänglich katastrophalen Spanisch ein Gericht, wurde ich schlicht ignoriert. Vom Vorort, wo meine Gastfamilie wohnte, ins Zentrum von Caracas hatte man eigentlich dreissig Minuten, am Morgen jedoch standen wir immer drei Stunden im Stau, weshalb wir schon um 5 Uhr losfahren mussten.
Venezuela war ein brutaler Start in mein Nomadenleben. Aber nachhaltig geschadet hat es mir nicht. Ich besuchte die Jahre danach mehrmals Süd- und Mittelamerika, aber das Land, gleich gross wie unseres und das als «die Schweiz Zentralamerikas» gilt, erschien mir weiterhin zu populär. Ich mag es einfach nicht, wenn ich auf Reisen ständig meine Muttersprache höre.
Dieses Jahr sagten ein paar Freunde, sie würden surfen gehen, drei Wochen in Costa Rica, ob ich mit wolle. Mein Theaterstück wurde coronabedingt kurzfristig abgesagt, ich hatte spontan Zeit und sagte zu.
Keine zwei Wochen später lande ich in San José und fahre in den Norden des Landes, auf die Halbinsel Nicoya.
Der populärste Ort auf Nicoya ist Tamarindo. Er wird Tamagringo genannt, weil alle Amis dort Urlaub machen. Jeder rät uns ab, dorthin zu fahren, unser Ziel ist also Nosara, ein Dörfchen weiter südlich.
Es gibt hippe Cafés mit veganen Bowls und Kaffee, der mit Pilzen angereichert ist – muss ich natürlich probieren, zahle dafür satte acht Franken und bekomme einen Kaffee, der, Achtung, ganz normal nach Kaffee schmeckt – daneben stehen Yogastudios und schicke Boutique Hotels. Nicht mein Geschmack, aber wer es toll findet, Brooklyn zu erleben, ohne in Brooklyn zu sein, der findet Nosara super.
Deutlich besser gefällt es mir ein Dorf weiter südlich, in Sámara. Es ist weniger hip und die Lokale sind deutlich günstiger. Ich entscheide dem Surfen die vielleicht fünfte Chance zu geben und buche zwei Sessions bei einer Surfschule. Am ersten Morgen stehe ich sozusagen jede Welle. Pedro, mein Lehrer, lobt mich als Naturtalent und ich will schon fast meinen Trip verlängern, um «richtig» surfen zu lernen – endlich habe ich kapiert, was alle so toll daran finden!
Am nächsten Morgen gibt mir Pedro ein anderes Brett, es ist schmaler und kürzer, eine Änderung mit fatalen Folgen. Ich schlucke literweise Salzwasser und hole mir am ganzen Körper blaue Flecken. Mein Surf-Vorhaben wird sofort begraben, respektive ertränkt. Stattdessen miete ich ein Velo, einen sogenannten Beachcruiser, mit dem man auf dem Sand dem Strand entlang fahren kann, was ich so super finde, dass ich den Rest des Tages nichts anderes mehr mache.
Die Abende verbringen wir mit zwei Frauen aus Texas, die eine ist 1,80 m, die andere 1,50 m gross, weshalb sie von allen nur Mini und Maxi genannt werden. Letztere ist überzeugt, dass sie so gross wurde, weil sie als Kind täglich Fried Chicken gegessen hat.
Wir machen einen letzten Halt in Monteverde, das liegt etwas innerhalb des Landes und ist auf dem Weg zum Flughafen in San José. Ich will unbedingt einmal den Nebelwald sehen und Monteverde gilt als Ziplining-Paradies. Weil mich die Auswahl an Nationalpärken, die ich besuchen könnte, überfordert, entscheide ich mich für das Reservat, das am nächsten liegt, das Aguti Reservat. Gute Wahl! Ich treffe während meines Spaziergangs auf ein Pärchen, sonst, so dünkt es mich jedenfalls, habe ich den Park für mich alleine. Ich sehe zahlreiche Affen, einen blauen Vogel und Agutis, das sind überdimensionale Meersäuli, vor allem aber werde ich von Nasenbären regelrecht umzingelt. Bei zwanzig höre ich auf zu zählen. Highlight des Trips!
Am nächsten Tag buche ich bei einem der unzähligen Ziplining-Anbieter eine sogenannte Canopy Tour. Es regnet in Strömen, was nicht wirklich störend ist, ausser für die Maske, die irgendwann schlaff im Gesicht hängt. Wie sinnvoll so eine Tour ist, sei dahingestellt. Ich mag solche Adrenalin-Junkie-Sachen, schwebe berauscht durch den Nebel und freue mich, je schneller ich fliege. Am Schluss der Tour stürzt man sich beim sogenannten Tarzan Jump meterweit in die Tiefe. Mich beunruhigt, dass nur wenige Leute springen. Ist es wirklich safe? Eher rutschig, weil es regnet? Peligroso? Ob noch nie etwas passiert sei, frage ich. Bei dir wäre es das erste Mal, sagt der Typ, der meine Karabiner befestigt und lacht. Ich lache nicht. Ich schreie. Wie Tarzan – einfach drei Oktaven höher.
Die Flüge für diese Reise stellte freundlicherweise Edelweiss zur Verfügung. Diese wurden Co2 kompensiert.
Es gibt weit im Norden am Pazifik sehr schöne Strände, glasklares Wasser. In der Nacht glitzerte teilweise der Plankton im Meer.
So schön. Die Tierwelt ist toll und häufig sichtbar. Ich würde wieder gehen.
Costa Rica kann aber warten bis C vorbei ist.