Er fuhr die teuersten Autos, feierte die wildesten Partys, reiste im Privatjet und übernachtete in Fünfsternehotels – all dies auf Kosten seiner Opfer, die er via Dating-App rekrutierte. Um im puren Luxus zu leben, dachte er sich die kühnsten Betrugsmaschen aus.
In einer neuen Netflix-Doku packen drei Frauen aus, die dem «Tinder-Schwindler» zum Opfer fielen. Der Film beleuchtet nicht nur, wie raffiniert der israelische Schwindler vorging, sondern auch, wie die Frauen ihm auf die Schliche kamen. Und was danach aus dem «Tinder-Schwindler» wurde.
ACHTUNG, SPOILER-ALERT!
Wenn du lieber noch nicht zu viel über die verrückte Geschichte wissen willst, liest du besser nicht weiter.
Cecilie kommt aus Norwegen und wohnt in London. Seit sieben Tagen ist sie auf Tinder aktiv, als der Israeli Simon auf dem Datingportal aufpoppt. Die vielen Bilder in teuren Anzügen und im Privatjet gefallen ihr. Es kommt zu einem Match und für Cecilie beginnt ein Märchen. Dass bereits ihr Alptraum begonnen hat, ahnt sie da zu keinem Zeitpunkt. Die beiden treffen sich in einem Fünfsternehotel, Cecilie wird mit einem Rolls-Royce zum Essen abgeholt.
Es ist Simons letzter Tag in London. Noch am selben Abend fragt er sie, ob sie mit ihm nach Bulgarien reisen wolle – im Privatjet, mit Champagner, Sushi, Kaviar und Bodyguard. Die Norwegerin stimmt zu, ohne sich Gedanken darüber zu machen, dass ihr allenfalls etwas zustossen könnte.
Simon gewinnt Cecilies Vertrauen. Er erzählt ihr von seinem Vater, einem angeblichen Diamantenkönig. Zudem vertraut er ihr an, dass er in Südafrika unschuldig im Gefängnis sass. Cecilie beunruhigt dies nicht, sie empfindet Mitleid für den «armen» Diamantenprinzen.
Die Reise nach Bulgarien ist nur von kurzer Dauer. Da Simons Handy andauernd klingelt, bittet er Cecilie abzureisen. Für sie ist die Affäre damit abgehakt. Doch nicht für Simon. Er schickt ihr nach ihrer Rückkehr ein riesiges Rosenbouquet nach London. Tausend Liebesnachrichten und ein weiteres Treffen in Oslo später sind die beiden ein Paar.
Nach rund einem Monat Beziehung fragt Simon, ob sie zusammenziehen wollen. Cecilie macht sich sofort auf die Suche nach einer Wohnung. Monatsbudget: 15'000 Dollar. Mittlerweile weiss Cecilie, dass Simon bei LLD Diamonds, dem Unternehmen seines Vaters, arbeitet. Simon zeigt ihr ein Familienfoto – und auch auf Google findet man die Diamantenfamilie. Was ihr Freund ihr erzählt, ist für die Norwegerin entsprechend nachvollziehbar.
Sehen kann sich das Paar selten. Simon ist geschäftlich viel unterwegs. Die beiden tauschen täglich dutzende Textnachrichten, Bilder und Videos aus. Er erzählt seiner Freundin, dass der Diamantenhandel ein gefährliches Geschäft sei, weshalb er immer mit einem Bodyguard unterwegs sei.
Eines Tages schickt Simon ein Bild eines blutüberströmten Hinterkopfs seines Bodyguards sowie Bilder in einem Krankenwagen. Er werde verfolgt. Kriminelle versuchten, ihn zu töten. Wegen Sicherheitsvorkehrungen könne er seine Kreditkarte ab sofort nicht mehr benützen. Er bittet Cecilie, ihm ihre Kreditkarte für eine Weile zu borgen.
Sie willigt ein, da sie sich Sorgen um die Sicherheit ihres Freundes macht. Ausserdem fliegt sie von London nach Amsterdam, um ihm 25'000 Dollar Bargeld zu überreichen. Später wird sie ihm das Zehnfache ausleihen.
Im Film berichtet Cecilie, dass Simon innerhalb von drei Tagen 20'000 Dollar für Business-Flüge, teures Essen und für «seine Kunden» verprasste. Alle zwei Tage soll er nach mehr Geld gefragt haben. Die Norwegerin nahm neun verschiedene Kredite auf. Gesamtwert: 250'000 Dollar! Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht weiss: Simon finanziert sich so ein Leben in Saus und Braus mit Privatjets, teuren Hotels – und anderen Frauen an seiner Seite. Die Kredite erhält sie, weil ihr Simon einen Lohnausweis organisiert. Demnach ist sie bei dem angeblichen Familienunternehmen angestellt und erhält 94'000 Dollar – pro Monat.
Cecilie gerät in finanzielle Nöte, ihr Freund versichert ihr, das Geld mit einem Scheck zurückzuzahlen. Sie fliegt nach Amsterdam, um einen Scheck über 500'000 Dollar abzuholen. Doch in London fällt ihr Kartenhaus endgültig zusammen: Der Scheck ist ungültig.
Simon nutzt nicht nur romantische Beziehungen, um an Geld zu kommen. Die Schwedin Pernilla lernt er zwar ebenfalls auf der Tinder-App kennen, doch statt «Liebe» entsteht bei den beiden eine enge Freundschaft.
Dabei bemüht sich Simon nicht minder um das Herz (respektive um das Portemonnaie) von Pernilla. Er bucht ihr ein Flugticket von Stockholm nach Amsterdam. Zum Essen lädt er sie in ein Fünfsternehotel ein. Anschliessend besuchen die beiden ein Diamantenmuseum. «Er wusste alles über Diamanten, Minen und über die verschiedenen Schleiftechniken», erzählt Pernilla.
Später verabreden sich die beiden immer wieder für exklusive Partys sowie Ferien auf Mykonos. Irgendwann kommt auch dieses Märchen zum letzten Kapitel. Ein Kapitel, das Cecilie bereits wohlbekannt ist. Simon versucht auch bei Pernilla an Geld zu kommen. Er schreibt ihr, dass er in Gefahr sei und jemand versucht habe, seinen Bodyguard abzustechen. Er schickt ihr Bilder von seinem Bodyguard mit blutigem Kopf aus einem Krankenwagen. Es sind exakt dieselben Bilder, die Cecilie bereits auf ihrem Handy hat.
Simon braucht Geld. Und er braucht es dringend. Er will von Pernilla 40'000 Dollar. All seine Konten seien gesperrt worden. Pernilla überweist ihm das Geld. «Ich machte mir keine Sorgen darüber, dass ich das Geld nicht zurückbekomme. Schliesslich wusste ich, dass er reich war», so Pernilla.
Doch die Geschichte wiederholt sich. Irgendwann steckt auch Pernilla in argen finanziellen Schwierigkeiten. Statt einen Scheck hält die Schwedin später eine Uhr von Simon in der Hand. Das angeblich mehrere zehntausend Dollar teure Stück ist gefälscht.
Die beiden Frauen wenden sich an die Polizei und finden heraus, dass es sich beim Diamantenprinz um einen Hochstapler handelt. Das Bild mit der Diamantenfamilie war genauso gefälscht wie seine Identität. Simon heisse in Wirklichkeit Shimon Hayut. Seine Karriere begann bereits als Betrüger-Teenager. In Israel fälschte er Schecks. Als er aufflog, verliess er seine Heimat.
Später gab er sich als Waffenhändler aus und betrog finnische Frauen. 2016 wurde er in Finnland wegen mehrfachen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Als er wieder auf freiem Fuss war, änderte er seine Identität und machte dort weiter, wo er aufgehört hatte.
Um weitere Opfer zu erreichen, gehen die beiden Nordländerinnen an die Öffentlichkeit. Eine norwegische Zeitung publiziert nach aufwändiger Recherche die Geschichte des Tinder-Schwindlers. Die Geschichte geht um die Welt – und viele andere Opfer melden sich. In mindestens sieben verschiedenen Ländern wird nach ihm gefahndet.
Zu dieser Zeit ist gerade Ayleen die ganz grosse Liebe des Tinder-Schwindlers. Sie liest den Artikel über ihren Freund und erfährt, dass der Mann, der ihr das Blaue vom Himmel lügt, Frauen um Millionen betrogen hatte. Was die Frauen in dem Artikel erzählten, welche Nachrichten und Fotos sie von Simon erhielten – alles war ihr bestens vertraut. Auf dem kurzen Flug, auf dem die Frau den Artikel las, bricht ihre Welt zusammen.
Bei Ayleen war das Märchen bei jenem Kapitel angelangt, in dem es um Geld ging. Der Schwindler ging bei ihr so dreist vor, dass er sie sogar aufforderte, ihr Auto zu verpfänden und ihr Haus zu verkaufen.
Ayleen konfrontiert den Israeli mit dem Artikel. Dieser meint jedoch nur, dass die Frauen von seinen Feinden für den Artikel bezahlt wurden. Doch Ayleen glaubte ihrem Märchenprinzen kein Wort mehr. Sie will nur eines: den Hochstapler aus dem Verkehr ziehen.
Dazu spielt sie die unwissende Prinzessin. Sie lässt ihn glauben, dass sie ihm vertraue. Doch in Wirklichkeit plant sie ihren Rachefeldzug. Sie fliegt zu ihm und bietet ihm an, seine vielen teuren Markenkleider zu verkaufen, um an Geld zu kommen. Ayleen packt drei riesige Koffer mit teuren Kleidern und fliegt heim. Sie wird Simon nie mehr sehen – und verkauft bis heute seine Kleider.
Doch ihr Rachefeldzug ist damit noch nicht zu Ende. Immer wieder meldet sich Simon bei Ayleen, um zu fragen, ob sie mit den Kleidern an Geld gekommen sei. Sie spielt auf Zeit, er bedroht sie und schickt ihr gleichzeitig Bilder, wie er in Jugendherbergen übernachtet. Er schreibt: «Ich bin ein obdachloser König.»
Der König ist gefallen, aber noch nicht aus dem Verkehr gezogen. Deshalb ist Ayleens Mission auch noch nicht zu Ende. Sie findet heraus, dass er nach Athen fliegen will. Als sie ihn am Flughafen orten kann und er nicht mehr erreichbar ist, meldet sie der Polizei die Flugnummer – und trifft ins Schwarze. Noch am Flughafen nimmt die Polizei Simon fest.
In Israel wurde Simon Leviev a.k.a. Shimon Hayut wegen Scheckfälschung zu 15 Monaten verurteilt. Nach fünf Monaten wurde er aufgrund der Corona-Pandemie entlassen. Für den Millionenbetrug der drei Frauen wurde er bis heute juristisch nicht belangt.
Der «Märchenprinz» ist damit entlarvt – doch die Geschichte scheint noch nicht zu Ende. Am Schluss blendet der Film neue Aufnahmen des Israelis ein. Sie zeigen Shimon Hayut in seiner Heimat – in teuren Autos, im Privatjet und Helikopter und mit einer Model-Freundin. Hayut lebt offenbar ein Leben in Saus und Braus – während mindestens drei Frauen weiter ihre Schulden abbezahlen.
Es wird geschätzt, dass der Mann, der Simon Leviev war, insgesamt 10 Millionen erschwindelte. In Norwegen, Schweden und dem Vereinigten Königreich wird Hayut wegen verschiedener Betrugs- und Fälschungsdelikte gesucht.
Hayut weist die Vorwürfe des Films zurück. Wie «The Independent» berichtet, soll er angekündigt haben, bald seine Version der Geschichte öffentlich zu haben. Nach dem Release der Netflix-Doku sperrten Tinder und Instagram seine Accounts.
Die Doku ist seit dem 2. Februar auf Netflix verfügbar.
Wieso können so viele Menschen Selbstbewusstsein nicht von Narzissmus unterscheiden?
Man vertraut ihnen tonnenweise Geld an. Man gibt ihnen die wichtigsten Führungsposten. Im Fall von Trump machte man so einen sogar zum Präsident der USA. Warum? Es ist doch so offensichtlich, dass sie nichts können, ausser "ich bin der Grösste!" zu schreien.
Wir sollten solche Leute stattdessen direkt in die UPD einweisen.